Schluß.

[109] Frei endlich frei war ich. Das erste war diese Schmach herunterzuspülen. Ich soff – den ersten Fusel – den zweiten – den dritten und soff noch mehr. Ging die Straße nach[109] Magdeburg – erst Schönebeck – Frohse – Salbke Westenhüsen – Fermersleben – Buckau und endlich Magdeburg. Einen Haß im Herzen – gegen eine riechende Polizei – einen Haß gegen die Menschheit und gegen mich selbst.

Mein erster Weg war nach dem Bureau meiner Organisation, ließ mein Buch mit 8 Monate todte-schwarze Marken ausfüllen und klebte zwei Tage später vier rote Marken. Besuchte einen Freund, er und seine Kinder gaben mir zwei Mark. Seine Frau, eine Schulfreundin von mir, standen die Tränen in den Augen als ich meine erlittene Schmach erzählte.

Bei der Polizei meldete ich mich in Magdeburg aus Aerger und Wut nicht an. Den Dienstag Morgen schüttelte den Staub Magdeburgs von meinen Füßen und wanderte nach Helmstedt. Am 16. Februar 1904 verhaftete mich ein Gendarm am Fastnachtdienstag wegen nicht polizeilichen Anmelden in Magdeburg.

Die Strafe war ein Tag in Wallhausen, fünfzehn Tage in Sangerhausen. Die sechs Mark Geldstrafe verbüßte in Jena mit sechs Tage Haft im Januar 1906.

Dies ist der Schluß eines mir nicht vergeßlichen, halben Jahres Arbeitshaus.

Quelle:
Schuchardt, Ernst: Sechs Monate im Arbeitshaus. Erlebnisse eines wandernden Arbeiters, Berlin [1907], S. 109-110.
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