Herr Kummerfeld.

[211] Ich frug kurz vor den Feiertagen meine Hausfrau, wer das denn wäre? Die Frau lächelte und sagte: »Ja, Mamsell, kennen Sie denn Ihren nächsten Nachbar nicht?« »Mein Nachbar? Wo denn? In welchem Haus Ich bekümmere mich nicht um meine Nachbarn.« »Da, Ihnen gerade gegenüber ist er diesen Martini eingezogen.« »Wer ist er?« »Bankoschreiber.« Ja, nun war ich so gescheit wie vorher, was wußte ich, was ein Bankoschreiber ist. Den ersten Feiertag[211] fuhr ich zum ersten Male wieder in die Kirche. Als ich nach Hause kam, sah Herr Kummerfeld mit Herrn Doktor Bensen zum Fenster heraus. (Herrn Doktor Bensen hatte ich einmal bei Goßlers zu sprechen die Ehre gehabt.) Ich grüßte sie beide, sie wollten mit mir reden, da ich aber hinkte und mir das Stehen zu sauer wurde, sagte ich, da der Wagen fortgefahren war: »Eine kleine Geduld, bis ich in meinem Zimmer bin.« Also sprachen wir zusammen aus dem Fenster gleichgültige Dinge in Fragen und Antworten, und ich machte nach einem Kompliment mein Fenster wieder zu.

1766, gleich nach Neujahr, den ersten Sonntag, ließ Herr Kummerfeld mich und meinen Bruder zu sich bitten, er würde Gesellschaft von mehreren Herren und Damen haben. Ich ließ mich empfehlen, da aber meine Mutter täglich übler würde, könnte ich nicht kommen und müßte mir's verbitten. Karl wollte ohne mich auch nicht hinübergehen. So schickte Herr Kummerfeld zu verschiedenen Malen, aber immer kam dieselbe abschlägige Antwort.

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 211-212.
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