124.

[104] Die Renommistentracht, welche die militärische Tracht zu sehr nachahmt, oder den wilden starkauftretenden rohen Studenten an sich ausstellt, in dem Tragen des Huts und seiner auffallenden Gestalt, und in andern Kleidungsstükken, die allenfalls dem Bereuter nöthig sind und stehen mögen, Aufsehen erregen will, kann wohl nie die Tracht des geschmackvollen, jungen Mannes werden; er wird sich immer sittsam und edel tragen, und selbst, wenn er in Verhältnissen lebte mehresten um ihn eine solche auffallende Tracht trügen, wird er immer noch dem Geschmakke der Gebildeteren folgen, und selbst der Student findet unter seinen Mitstudirenden noch immer mehrere von einem solidern Geschmacke in ihrer Kleidung, ohne daß sie von den übrigen verlacht werden. Der englische Geschmack, der im runden Hut und Frack u.s.w. erscheint, steht doch dem solideren jungen Manne auf[104] Schulen und Universitäten immer tausendmal besser, als der sogenannte Renommistenanzug, mit dem übertriebnen gebognen und gestutzten Hut, mit der sogenannten Kürassier- oder Dragonertracht, die an dem jungen Manne, der sich nicht dem Militär widmet, in aller gefunden Augen höchst albern und lächerlich ist, und Abscheu gegen den erregt, der vielleicht aus einer gewissen Renomisterei, ein grobes brutales Wesen, das an ihm den freien Mann vielleicht zeigen soll, mit jener Kleidung verbindet. Fallen Sie ja nie in diese Fehler und hüten Sie sich vor der Verblendung, die dergleichen schön findet, und wohl so weit damit geht, daß sie andere Menschen, die sich nicht so ungesittet oder gar Stallknechtsmäßig tragen, lächerlich macht. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit Sie auch warnen, die rohen und Ungezwungenheit verrathensollenden Manieren jener jungen Leute nicht anzunehmen. Der junge Mann muß in jedem Verhältniß der solide sittsame seyn; und er kann dies unbeschadet seiner Verhältnisse selbst, wenn er nur immer den vernünftigen Vorsatz hat, daß er nur der bessern Menschenklasse gefallen, und nach dem Geschmakke dieser sich bilden wolle.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 104-105.
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