72.

[82] Versäumung und üble Angewohnheit, die oft der Beruf und das tägliche Geschäft am leichtesten veranlaßt, nehmen sehr häufig dem Tone seinen wahren und richtigen Ausdruck. Leute, die in ihrem Beruf oft streng und barsch seyn müssen, gewöhnen sich diesen Ton leicht an; er klingt bei ihnen leicht unsanft, mürrisch, zänkisch, gebieterisch, verweisend, hizzig, auffahrend. Ein einsames, einförmiges Leben giebt dem Tone leicht Einförmigkeit, Kälte, Gleichgültigkeit; so wie ein[82] verdrüßliches zu saures Geschäft den Ton verdrüßlich, kurzabgebrochen und eigensinnig, Kränklichkeit ihn weichlich und oft empfindelnd macht. So nehmen auch in dem Munde desjenigen, der häufig komische Rollen spielt und den Lustigmacher macht, die ernsthaftesten Sachen den komischen Anstrich und Ton an, und verlieren dadurch Wirkung und Beifall. Alles Winke für Ihre Selbstbeobachtung.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 82-83.
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