Subskriptionsball

Subskriptionsball

[48] obschon wenige Hinweise genügen. Dieser Ball ist kaum ein Ball und dauert nicht lange. Somit ist er einer der beliebtesten Bälle der Saison. Man besuche ihn nur, wenn man gut herumstehen kann.[48]

Es giebt sehr wenige öffentliche Bälle, an die so gar keine Anforderungen gestellt werden, wie an den Subskriptionsball. Der Besucher behauptet, der Blick in den Saal beim Eintritt sei entzückend, um sich zu entschuldigen. Ist man aber aus der Provinz, so kann man sich überhaupt nichts Schöneres denken.

Nachdem der Hof seinen Umgang beendet hat, beginnt die Gesellschaft, nicht zu tanzen, weil kein Platz dazu vorhanden ist. Diese angenehme Gelegenheit benutzt man, um in die Logen des ersten Ranges zu starren, in welchem die Diplomaten und andere Würdenträger mit ihren Damen sitzen. Will man wissen, wer sie seien, so frage man niemand. Niemand weiß es nämlich.

Will man sich angenehm und den Eindruck machen, daß man in den hohen und höchsten Kreisen der Gesellschaft zu Hause ist, so antworte man, wenn man nach den Insassen der Logen befragt wird: Der Herr rechts ist der österreichische, der links der englische Botschafter. Es ist nicht richtig, aber der Fragende ist sichtlich erfreut. Nur die Herren, welche einen Fez tragen, bezeichne man nicht als Mitglieder des deutschen Reichstages. Es pflegen Türken zu sein. Auch nehme man sich in Acht, einen großen starken Herrn als den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe zu bezeichnen, da der Reichskanzler Fürst Hohenlohe unter Lebensgröße ist.

Hat man den sehnlichsten Wunsch, von Seiner Majestät dem Kaiser angesprochen zu werden, so stelle man sich in die erste Reihe der sich in der Nähe des Kaisers sammelnden Gesellschaft und warte das weitere ab. Es nützt allerdings nichts.

Wird man gefragt, wie man sich unterhalte, so antworte man: Ausgezeichnet. Man gähne aber nicht dabei.

Wird man von einem aufgeregten Herrn für[49] einen Lohndiener gehalten und für eine Dame um eine Haarnadel gebeten, so finde man darin keine beleidigende Absicht. Dann sieht man im Frack und mit der weißen Binde wirklich wie ein Lohndiener aus.

Man amüsiere sich. Dies ist leicht, wenn man, nachdem man einen Tritt auf den Fuß erhalten hat, sich darüber freut, daß man mit einem einzigen Tritt davongekommen ist.

Weitere Vergnügungen, über die man sich als über Kurzweil freuen muß: Man verliert im Gedränge einen Onkel und dessen Frau. Man hat immer noch die Uhr. Man wird von einem guten Unbekannten begrüßt, dessen Namen einem einfällt. Man wird einer merkwürdig steilen Dame vorgestellt, die nicht dekolletiert ist. Man fühlt, daß man die Garderobenummer noch hat. Man wird zu einem Glas Sekt von einem Herrn eingeladen, der selbst mit Geld versehen ist. Man trifft einen gefürchteten Anekdotenerzähler, dem nichts einfällt. Man sieht Herrn v. Lucanus und ist nicht Minister. Man sieht eine in Diamanten strahlende Künstlerin und ist nicht ihr Geliebter. Man denkt daran, daß man keine Zahnschmerzen hat.

Wenn man in dieser Weise den beliebten Freudenbecher bis auf die Nagelprobe geleert hat, so begiebt man sich in den Speisesaal, wo jeder, der jahrelang den vornehmsten Ball der Residenz mitmachen oder wenigstens sich einmal im Leben in dessen Strudel stürzen wollte, sich seit Beginn des Balles niedergelassen hat, um zu Abend zu essen und alles zu versäumen. Hier ist die Gesellschaft in der fröhlichsten Stimmung, so daß man überall, wo man, auf einen leeren Stuhl mit der Frage deutend, ob er besetzt sei, kurz abgewiesen wird. Hat man aber endlich einen Stuhl gefunden und sich mit ihm entfernt, so wird er sofort von einem vergnügten Ballgast requiriert und[50] man ist ihn wieder los. Dann geht man in ein Restaurant in der Nähe des Opernhauses.

War man nicht so, wie geschildert, vom glücklichen Zufall begünstigt, keinen Platz zu finden, sondern hat im Gegenteil im Speisesaal des Opernhauses eine Stelle gefunden, wo man ruhig warten kann und nichts zu essen bekommt, so sei man nicht unglücklich, wenn einem der Kellner die Sauce über den Frack schüttet. Man beklage sich auch nicht bei einem Tischnachbar, denn er wird sagen: Der Sauce schadet es nichts.

Nachdem man nichts zu essen bekommen hat, gehe man wieder in den Ballsall, wo mittlerweile Raum für die Tanzenden geschaffen worden ist, und sehe die Leutnants tanzen. Ein schönerer Anblick ist wohl nicht denkbar. Diesem Schauspiel wohnt man eine halbe Stunde bei, worauf man das Zeichen zum Aufbruch gähnt.

Wenn man noch unverheiratet ist, so lasse man sich die anwesenden Amerikanerinnen zeigen. Ist eine mit mehr als zehn Millionen Dollars Mitgift darunter, so greife man zu. Nur in dem Fall, daß man adlig und sehr verschuldet sein sollte, unterlasse man es, denn dann greift die reiche Amerikanerin zu.

Seit einigen Jahren ist auch ein


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 41906, Bd. I, S. 48-51.
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