der erste Kinderball

[93] zu arrangieren, wenn dies auch nicht sehr eilt. Aber als tüchtige Vorbereitung auf das den Müttern sicher blühende Schicksal, Ballmütter sein zu müssen, ist dieses häusliche Fest ebenso wichtig, wie für die Unterhaltung der Kleinen.

Man verpflichte die Kinder und ihre Gästchen nicht, daß sie sich »benehmen«, sondern ermuntere sie, Kinder und nichts anderes zu sein. Man schreibe kein Ballkostüm vor. Sie werden jedenfalls die Langweile der landläufigen Bälle früh genug kennen lernen, und[93] es wird gut sein, wenn ihnen diese dann etwas Neues sein wird und sie mit Vergnügen an die Zeit der Kinderbälle zurück denken können.

Man verschone die beneidenswerten Kleinen mit einer rauschenden Tanzmusik, sondern überlasse es ihnen, ohrbetäubenden Lärm, wenn sie solchen verlangen, selber zu machen.

Für den Kotillon sorge man für recht viele Orden. Die Knaben können nicht zu früh einsehen, daß Orden nichts bedeuten.

In der Schokolade- und Kuchenpause überrasche man die Kleinen nicht mit einem Cabaret, und sei dies auch noch so in der Mode. Es wäre gut, wenn den Kleinen der Geschmack nicht ganz verdorben und die Freude an Gesang und Poesie nicht frühzeitig genommen würde. Muß es aber ein sogenannter dramatischer Genuß mit Gesang und Tanz sein, damit im Bezirk von diesem Kinderball gesprochen werde, so lasse man ein Puppentheater gastieren, bis zu welchem, wie behauptet wird, die Zote noch nicht gedrungen ist.

Die Frau Mama präge dem Töchterchen ein, es solle auf die Frage eines Knaben: »Hast du Schokolade gerne?« oder: »Wo gehst du in die Schule?« oder auf ähnliche Fragen immer antworten: »Sprechen Sie mit meiner Mutter« und dazu die Augen niederschlagen. Es ist nützlich, die Mädchen beizeiten an diese Form der Antwort zu gewöhnen, so daß sie ihnen einst völlig mundgerecht sein wird und sie ohne Besinnen erteilen.

Nun folgen Familienfeste, welche zwar weniger geräuschvoll verlaufen, aber doch ihre große Bedeutung haben. Unter diesen nimmt der Tag, an welchem der Herr Sohn glücklich


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1902, Bd. III, S. 93-94.
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