Der Kurpfuscher.

[48] Hat man sich entschlossen, sich des Geldes derer, die nicht alle werden, zu bemächtigen, so wende man sich der Kurpfuscherei zu. Es gibt allerdings noch verschiedene andere Arten, sich schnell zu bereichern, – den Diebstahl, die Falschmünzerei, die Wechselfälschung,[48] die Hochstapelei, das Erbschleichen, – aber alle diese Gaunereien sind meist gefahrvoller, als die des Kurpfuschens und vor allem nicht so sicher.

Man fürchte nicht, daß man nicht fähig sei, einen Leim zu finden, auf welchen die Dummen gehen. Man findet ihn sicher, ohne daß man lange nachzudenken braucht. Den Dummen genügt das Dümmste, um sich fangen zu lassen. Das Unglaublichste kann nicht so unglaublich, das Lächerlichste nicht so lächerlich, das Plumpste nicht so plump sein, daß es nicht die Dummen in hellen Haufen anlockte.

Man nehme Quellwasser, nenne es Liebestrank, und man wird bald nicht so viele Flaschen füllen können, als sich Dumme finden, welche dem Erfinder die Taschen füllen.

Man nehme eine Seife, mit der binnen acht Tagen alle Runzeln weggewaschen werden können, und bald werden durch den massenhaften Absatz die Falten von der sorgenvollen Stirn des Erfinders verschwunden sein.

Man zeige an, daß man ein Mittel erfunden habe, Gold zu machen, und bald wird man es an so viele Dumme verkaufen, daß man wenigstens selbst mehr Gold macht, als man verbrauchen kann.

Man stelle aus Margarine und Honig eine Pastille her, nach deren Genuß jeder Zahnschmerz verschwindet, und man wird bald, wenn man nichts zu beißen hatte, seine Rente nicht verzehren können.

Man verkaufe ein Lampen- als Haaröl, welches jeden kahlen Schädel bewaldet, und der Andrang der Dummen wird derart sein, daß dem Erfinder die Haare zu Berge stehen.

Man habe nichts als frech zu sein gelernt, um alle Männer der Wissenschaft mit einer Universalsalbe oder einer Gichtkette, die Wunder tut, öffentlich der Kurpfuscherei anklagen zu können.[49]

Kann man keine Zeile fehlerfrei schreiben, so lasse man von einem armen Teufel Atteste verfassen, durch welche Männer und Frauen, welche nicht existieren, aller Welt verkünden, daß sie, von allen Ärzten am Rande des Grabes aufgegeben, gerettet und wieder jung durch das Mittel geworden seien, welches man erfunden hat.

Geht das Mittel, was an sich schon ein Wunder wäre, einmal etwas schlechter, so lasse man sich bei der Polizei wegen Kurpfuscherei denunzieren und dadurch für 15 Mk. Geldstrafe zum Märtyrer machen. Für diesen Preis ist das Märtyrtum geschenkt, das, durch alle Zeitungen kostenfrei verbreitet, dem Heilmittel mehr Dumme als bisher zuführt. Man mache das Urteil durch Flugblätter bekannt, die überall verteilt werden. Mehr als das Klappern gehört das Märtyrtum zum Handwerk, und das Märtyrtum kann dem Kurpfuscher nur durch die ohnmächtigen Gesetze verschafft werden.

Hat man eines Tages eine besonders gute Einnahme gehabt, so sende man einen Geldbeitrag an irgend ein Kirchenbaukomitee, um auch nach anderer Seite hin als Wohltäter der Menschheit zu leuchten.

Man habe kein Gewissen, dann hat man nicht nur die Thaler der Reichen, sondern auch die Sparpfennige der Armen.

Ist man ein kurpfuschender Bauer, so kaufe man für einen Teil des ergaunerten Ertrags ein Rittergut, und der Zulauf der Dummen wird sich von neuem steigern.

Man lasse sich dann und wann von einem Betrogenen, den man ausgeplündert hat, öffentlich ruhig ohrfeigen, und man wird seinen Namen immer ehrenvoller nennen hören, und wieder wird sich der Zulauf der Dummen steigern.[50]

Ebenso sicher ist das Reichwerden, wenn man der Welt vorschwindelt, man sei


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1903, Bd. IV, S. 48-51.
Lizenz:
Kategorien: