[53] Die Hoffestlichkeiten, um welche es sich in diesem Abschnitte handelt, sind:

1. Concert,

2. Ball und

3. Dramatische Abend-Unterhaltungen.

Mit Ausnahme des Gala-Theaters, welches hier unter 3. bei den dramatischen Abend-Unterhaltungen behandelt werden wird, finden jene Feste fast ausschliesslich in jedem Jahre nur während des Carnevals statt, wie denn überhaupt, abgesehen von den Festlichkeiten, welche durch bedeutungsvolle Ereignisse in der Königlichen Familie, durch wichtige politische Begebenheiten, durch den Besuch fremder Souveraine oder der Mitglieder ihrer Häuser am hiesigen Königlichen Hoflager, oder durch sonstige ausserordentliche Veranlassungen hervorgerufen werden, also gewissermaassen als Ausnahme zu betrachten sind, grössere Festlichkeiten am Königlichen Hofe zu keiner anderen Zeit des Jahres stattfinden, als während des Carnevals. Diese Sitte haben, dem Beispiele des Königlichen Hofes folgend, nicht allein diejenigen Personen der Hofgesellschaft, welche ein Haus machen, sondern selbst die bürgerlichen Kreise der Hauptstadt angenommen, so dass man mit Recht sagen kann, dass das festliche Leben der Residenz sich im Carneval concentrire.

Wie schon im Abschnitt VI. hervorgehoben, beginnen die Carnevalsfeste in jedem Jahre mit der Cour der Königin, welche gewöhnlich auf den ersten Donnerstag nach dem Krönungs- und Ordensfeste anberaumt wird. Auf diese Cour folgen die Festlichkeiten, welche Ihre Königlichen Majestäten, der Kronprinz und die Prinzen des Königlichen Hauses abwechselnd zu geben[53] geruhen, wobei für die Feste der Allerhöchsten Herrschaften vorzugsweise die Donnerstage gewählt werden, während bei den Höchsten Herrschaften auf Anregung des Ober-Ceremonienmeisters wegen des Tages und der Reihenfolge Höchstderen Feste durch die betreffenden Hofmarschälle schon in Zeiten eine Vereinbarung herbeigeführt und sodann Ihren Königlichen Majestäten zu Allerhöchster Genehmigung vorgelegt wird. Sobald diese erfolgt ist, trägt der Ober-Ceremonienmeister dafür Sorge, dass das bezügliche Fest-Programm der Hofgesellschaft so früh wie möglich bekannt werde.

Am Mardi gras schliessen die Hoffestlichkeiten mit einem grossen Balle bei Ihren Königlichen Majestäten im Königlichen Schlosse.

Unmittelbar nach dem Carneval während der Fasten geruhen Ihre Majestät die Königin schon seit einer Reihe von Jahren jeden Donnerstag eine kleine, stets wechselnde Gesellschaft bis zu höchstens 150 Personen im Königlichen Palais zu empfangen. Diese Donnerstag-Soireen Ihrer Majestät, wie sie allgemein genannt werden, bei denen Concert im Stucksaale, und zuweilen auch Theater-Vorstellung im Blauen Saale stattfindet, dürfen jedoch keinesweges als offizielle Hoffeste angesehen werden, sondern haben schon darum einen mehr privaten Charakter, weil auf ihnen für den Rang nur das Allerhöchste Belieben Ihrer Majestät maassgebend ist.

Die Beilage 1. giebt ein Verzeichniss aller Carnevalsfeste, welche in den Monaten Januar und Februar 1865 bei Ihren Königlichen Majestäten und den Prinzen des Königlichen Hauses stattgefunden haben.

Zum Vergleiche, wie es in früheren Zeiten mit den Winterfesten am Königlichen Hofe gehalten worden ist, werden in der Beilage 2. die diesfälligen, von Seiner Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm I. in den Jahren 1733–1738 erlassenen Bestimmungen mitgetheilt, welche dem Werke:

»Versuch einer historischen Schilderung der Hauptveränderungen, der Religion, Sitten, Gewohnheiten, Künste, Wissenschaften etc. der Residenzstadt Berlin seit den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1786. Vierter Theil, zweiter Band«

entnommen sind.


Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 53-54.
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