Beilage 5.

[280] Programm

für die

feierliche Eröffnung des Reichstages in Berlin, am Dienstag, den 21. März 1871.

§. 1.


Am Dienstag, den 21. März 1871, als an dem zur feierlichen Eröffnung des Reichstages in Berlin bestimmten Tage, Mittags um 12 Uhr, findet für die evangelischen Mitglieder desselben in der Capelle des Königlichen Schlosses für die katholischen in der St. Hedwigs-Kirche ein Gottesdienst statt.


§. 2.


An beiden Orten sind zu diesem Behufe Plätze reservirt.


§. 3.


Nach beendigtem Gottesdienste begeben die Reichstags-Mitglieder sich nach dem Weissen Saale des Königlichen Schlosses. Der Aufgang ist unter Portal No. 3.

Die Generalität tritt unter die Arcaden nach der Lustgartenseite, die Minister, die Wirklichen Geheimen Räthe, die Räthe erster Classe und die vortragenden Räthe in den Ministerien stellen sich gegenüber in der zweiten Abtheilung der Nischen unter der Capellentribüne auf.


§. 4.


Die Mitglieder des Bundesrates versammeln sich nach dem Gottesdienste in dem grünen Salon neben der Bildergallerie, um sich von dort nach dem Weissen Saale zu begeben, woselbst sie sich in der ersten Abtheilung der so eben gedachten Nischen aufstellen.


§. 5.


Für Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, für Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, für die anwesenden Durchlauchtigsten Fürstlichen Damen und für die Prinzessinnen des Königlichen Hauses, Allerhöchst- und Höchstwelche unter Portal No. 4 anfahren, ist nach dem Gottesdienste in Weissen Saale, und zwar rechts vom Throne, eine Tribüne (Eingang vom Königinnengemach) errichtet. Die Gefolge der Allerhöchsten und der Höchsten Herrschaften, welche vor dem Gottesdienste dieselbe Anfahrt nehmen, stellen sich im Weissen Saale in der Nähe Allerhöchst- und Höchstderselben unter den Arcaden auf.

Die Tribüne auf der Cupellenseite des Weissen Saales ist für das Corps diplomatique bestimmt, welches unter Portal No. 3 anfährt und von dem Ersten Ceremonienmeister (beauftragt mit der Einführung der Gesandtschaften von Röder empfangen wird.
[281]

§. 6.


Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, die anwesenden regierenden Deutsehen Fürsten, die Prinzen des Königlichen Hauses, sowie die anwesenden Erbprinzen und nachgeborenen Prinzen aus anderen souverainen Häusern, Höchstwelche unter Portal No. 4 anfahren, begeben sich nach der Rothen Sammetkammer und kehren nach dem Gottesdienste dorthin zurück. Die Gefolge Höchstderselben fahren gleichfalls unter Portal No. 4 an und versammeln sich in der davor liegenden alten Capelle.


§. 7.


Seine Majestät der Kaiser und König wollen dem Gottesdienste beizuwohnen geruhen. Die Obersten Hof-, die Ober-Hof- und die Hofchargen, die General-und die Flügel-Adjutanten, sowie der Geheime Cabinets-Rath Seiner Majestät, welche ihren Aufgang unter Portal No. 4 nehmen, versammeln sich vor dem Gottesdienste in der alten Capelle, wohin nach demselben nur die Personen des Gefolges Seiner Majestät des Kaisers und Königs zurückkehren. Die Obersten Hof-, die Ober-Hof- und die Hofchargen, sowie die zum Tragen der Insignien befohlenen Personen finden sich nach dem Gottesdienste in der Bildergallerie ein, wohin schon vorher durch Escorte von zwei Officieren und vier Mann der Gardes du Corps die gedachten Insignien geleitet worden sind.


§. 8.


Sobald die Versammlung im Weissen Saale geordnet ist, macht Seiner Majestät dem Kaiser und Könige der Bundeskanzler davon Meldung.


§. 9.


Seine Majestät der Kaiser und König geruhen Allerhöchst Sich, unter Vortritt der Hof-, der Ober-Hof-und der Obersten Hofchargen und gefolgt von den General- und den Flügel-Adjutanten, in folgender Ordnung nach dem Weisen Saale zu erheben:


die Hoffouriere,

der Ober-Ceremonienmeister,

die Hof- und Ober-Hofchargen, paarweise nach dem Patent, die jüngsten voran,

der Ober-Hof- und Haus-Marschall,

der Oberst-Marschall mit dem grossen Stabe, begleitet vom Oberst-Schenken und vom Oberst- Truchsessen,

die nachstehend sub a-e. aufgeführten Reichs-Insignien paarweise, nämlich:

a) das entblösste Reichsschwert, aufrecht getragen von dem General der Infanterie Grafen von Moltke,

und rechts davon:

b) der Reichsapfel, auf einem Kissen von drap d'argent, getragen von dem General der Infanterie von Peucker,

c) das Zepter, auf einem Kissen von drap d'or, getragen dem General der Infanterie von Roon,

und rechts davon:

d) die Krone, auf einem Kissen von drap d'or, getragen von dem Oberst-Kämmerer Grafen von Redern,

e) das Reichspanier, getragen von dem General- Feldmarschall Grafen von Wrangel, welchen die General-Lieutenants von Kameke und von Podbielski geleiten.[282]

Die Insignien werden zur Rechten und zur Linken von den beiden bereits erwähnten Officieren der Gardes du Corps escortirt.

Seine Majestät der Kaiser und König;

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, die anwesenden regierenden Deutschen Fürsten, die Prinzen des Königlichen Hauses, sowie die anwesenden Erbprinzen und nachgeborenen Prinzen aus anderen souverainen Häusern;

die General- und die Flügel-Adjutanten, der Geheime Cabinets-Rath Seiner Majestät und das Gefolge der Höchsten Herrschaften.


§. 10.


Seine Majestät der Kaiser und König nehmen auf dem Throne Platz.

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz tritt zur Rechten des Thrones auf die mittlere Stufe desselben.

Die anwesenden regierenden Deutschen Fürsten nehmen auf dem haut-pas zur Rechten des Thrones, vor der Tribüne Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, die Prinzen des Königlichen Hauses, sowie die anwesenden Erbprinzen und nachgeborenen Prinzen aus anderen souverainen Häusern auf dem haut-pas zur Linken des Thrones ihre Stellung.

Der General-Feldmarschall Graf von Wrangel hat sich zuvor mit dem Reichspanier rechts, der General der Infanterie Graf von Moltke mit dem Reichsschwert links hinter Seiner Majestät auf die mittlere Thronstufe gestellt; der Oberst-Kämmerer Graf von Redern hat die Krone auf das rechts vom Thronsessel zunächst stehende Tabouret, der General der Infanterie von Roon das Zepter auf das links stehende Tabouret, und der General der Infanterie von Peucker den Reichsapfel auf das andere rechts stehende Tabouret gelegt, und haben sich dieselben auf die unterste Thronstufe den betreffenden Reichs-Insignien zur Seite gestellt.

Die Generale, welche das Reichspanier begleitet haben, sind rechts auf die unterste Thronstufe in der Nähe des Reichspaniers getreten; die Escorte-Officiere sind zu beiden Seiten des Thrones bis an die Thronwand zurückgegangen; die Hofchargen haben bei dem Eintritt in den Weissen Saal Spalier gebildet, und es sind nur die drei Obersten Hofchargen, welche den Reichs-Insignien unmittelbar voranschritten, bis an den Thron vorgegangen, und haben zur Rechten desselben der Oberst-Marschall und der Oberst-Schenk, zur Linken der Oberst-Truchsess ihre Plätze eingenommen. Das Gefolge der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften bleibt unter den Arcaden zurück; nur der dienstthuende General-Adjutant Seiner Majestät tritt zur Rechten, der dienstthuende Flügel-Adjutant zur Linken des Thrones.


§. 11.


Nach beendigter Thronrede geruhen Seine Majestät der Kaiser und König Allerhöchst Sich zu erheben und den Weissen Saal in der vorbeschriebenen Ordnung zu verlassen.


Berlin, den 20. März 1871.


Auf Seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät Allergnädigsten Special-Befehl.


Der Ober-Ceremonienmeister:

Graf Stillfried.


Der Ober-Hof- und Haus-Marschall:

Graf Pückler.


(Der Anzug ist in Gala, bei Civil-Uniform mit weissem, bei Militair-Uniform mit grauem Beinkleid. Die Ritter des hohen Ordens vom Schwarzen Adler legen das Band desselben an.)

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 280-283.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon