Dritter Band


Ich beschloß den zweiten Band meiner Lebensgeschichte mit dem Vorsatz zu meiner Reise nach Berlin, wozu mir der großmütige Friedrich Wilhelm auf mein Ansuchen seinen Kabinettspaß nach Wien schickte. Gleicht war ich freudigst bereit, selbige zu unternehmen; mein allezeit widriges Schicksal warf mich aber auf das Krankenlager, wo wenig Hoffnung übrig blieb, mein Vaterland wiederzusehen und eine Epoche zu erleben, woran ich 20 Jahre lang mit aller möglichen Vorsicht und Mühe gearbeitet hatte. Beinahe wäre ich mit dem großen Friedrich zugleich begraben worden und hätte folglich den Sieg nie erfochten, den ich gegenwärtig rühmlich erlebt habe.


Ich reiste den 5ten Januar von Wien und kam nach Prag. Hier fand ich beinahe eben das, was mir in Ungarn widerfuhr. Man hatte meine Schriften fast überall gelesen; der Bürger zeigte mir Vorwitz und Mitleiden, auch Liebe, und die Großen des Landes überhäuften mich mit Achtung, Höflichkeit und Freundschaftsbezeugungen.

Nun setzte ich, mit Wehmut nach Prag zurückblickend, meinen Weg nach Berlin fort, nachdem ich meinen Sohn umarmt hatte, welcher dort Lieutenant bei dem zweiten Carabinier-Regiment mit Ehre und Beifall dient. Er sah seinen grauen Vater nebst seinen beiden Brüdern, die für preußische Dienste bestimmt waren, abreisen. Ich erinnerte ihn an seine Pflicht für den Staat, dem er dient, zugleich aber an mein und seines Oheims Schicksal in Österreich. Er schauderte zurück, und seine mit Ungestüm hervorbrechenden Worte waren:

Vater! Bei Gott, ich werde in allen Fällen zeigen, daß ich unseres Namens würdig bin. Wer Sie beleidigt, der soll durch meine Faust bluten!

Süße Wonne für ein fühlendes Vaterherz, der in seinem Sohne zugleich einen Freund umarmt![273]

Auf der Reise nach Dresden wurde mein Wagen bei Peterswaldau von einem Berge bei Nacht dergestalt hinunter geworfen, daß der Spannagel los ließ und die Räder nach oben zu stehen kamen. Bald hätte ich mir das Genick gebrochen und Berlin nicht wiedergesehen ... Mein Sohn hingegen beschädigte sich am Arme. In Berlin schlug die Rose dazu; und dieser Zufall hinderte, daß ich ihn erst nach 4 Wochen dem Monarchen vorstellen konnte.

Kaum war ich in Berlin angekommen, so empfing mich der weltbekannte große Staatsmann und Minister, Graf von Hertzberg, dessen Beifall und Achtung ich mir längst bei persönlicher Bekanntschaft in Aachen erworben hatte, mit aller nur möglichen Güte.

Sein Landgut Brietzen bei Berlin ist ein Muster für Patrioten, die Wirtschaft lernen wollen. Er lebt folglich in unausgesetzter Anstrengung seines Fleißes eben nicht beneidenswert und wird auch nicht reich sterben.

Das ist eigentlich der merkwürdige Mann in Preußens Geschichte, welcher unter des großen Friedrichs Szepter so viel Einfluß in den europäischen Kabinetten zu finden wußte und der allein die Ehre und das Vertrauen genoß, bei seinem sterbenden König Zeuge seiner letzten Handlungen und aller seiner Empfindungen zu sein; der aber in seinem ganzen Leben von eben dem König alle Gnade und Achtung, aber niemals das mindeste Geschenk erhalten noch abgebettelt hat.

Beim Gastmahle in seinem Hause war ich in Gesellschaft der gelehrtesten Männer der Akademie, wo ich alle die kennen lernte, welche Wissenschaften in Preußen gemeinnützig und ihrer Bestimmung Ehre machen. Etliche Tage nach meiner Ankunft wurde ich am Courtage durch den Oberkammerherrn, Fürst Sacken, dem Monarchen vorgestellt, weil es in Berlin nicht Brauch ist, daß ein Fremder von dem Minister seines Hofes, dem er dient, präsentiert wird. Ich erschien also in kaiserlicher Uniform als ein geborener preußischer Vasall bei Hofe.


Der Monarch empfing mich mit sichtbarer Huld, und aller Augen waren auf mich gerichtet. Jeder ohne Ausnahme bot mir die Hand, hieß mich willkommen im Vaterlande, und dieser[274] Auftritt war ebenso rührend für mich als merkwürdig für die auswärtigen Minister, welche mit Bewunderung fragten, wer denn wohl der österreichische Offizier sei, den man in Berlin so liebreich empfange. Der gütige Monarch selbst bezeigte mir ein edles Wohlgefallen, da er mich von Glückwünschenden umringt sah. Unter anderen trat auch der königliche Generallieutenant der Kavallerie und Chef der Gens d'armes, Herr von Prittwitz, herbei, umarmte mich und sagte laut:

Das ist der Mann, welcher, um sich selbst zu retten, mich unglücklich machen konnte – und es dennoch nicht getan hat!

Bestürzt durch diese öffentliche Erklärung fragte ich um Aufklärung dieses Rätsels und erhielt zur Antwort:

Ich habe Sie, mein lieber Trenck, auf dem unglücklichen Transport von Danzig nach Magdeburg im Jahr 1754 als Lieutenant führen müssen. Unterwegs ließ ich mein Kommando zurück und fuhr mit Ihnen, wider meine Order, ganz allein im offenen Wagen. Ich gab Ihnen sogar Gelegenheit, zu entfliehen. Sie konnten es wirklich tun, und taten es nicht. Ich habe erst später die Gefahr gesehen, in der ich war, falls Sie weniger großmütig dachten. Gewiß aber wäre ich unglücklich geworden, wenn dem König ein solcher Arrestant durch meine Nachlässigkeit entwischt wäre, den er so gefährlich wie strafwürdig glaubte. Ich danke Ihnen also nunmehr öffentlich, daß Sie mich damit verschonten, und bin Ihr verbundener Freund! –


*


So bald ich bei Hofe vorgestellt war, beobachtete ich das gewöhnliche Zeremoniell, und der kaiserliche Gesandte, Fürst Reuss, führte mich bei allen auswärtigen und einheimischen Ministern und in alle Häuser ein, wo man Visite zu machen pflegt.

Ich wurde bei den königlichen Prinzen, bei der regierenden und verwitweten Königinnen Majestäten, in allen Palästen der königlichen Familie mit solcher Gnade und Achtung aufgenommen, die mir ewig unvergeßlich sein wird. Ihro königliche Hoheit der Prinz Heinrich, der weltbekannte große Bruder des großen Friedrich, ließ mich zur Privataudienz rufen und unterhielt[275] sich lange mit mir. Ich genoß die Ehre seines warmen Mitleidens für das Vergangene und die Versicherung seiner Protektion für die Zukunft, wurde zum Privatkonzert eingeladen und soupierte bei Hofe.

Im Palast S.K.H. des Prinzen Ferdinand genoß ich eben diese Begegnung, wurde auch sehr oft zur Tafel und zur Abendgesellschaft ins Schloß Bellevue geladen.

Wohl dem Staate, wo die Fürsten wissen, daß der Staat nicht ihr Eigentum ist, sondern daß sie für denselben da sind!

Meine Freude ward in Berlin am lebhaftesten, wenn ich nach Hofe fuhr. Ganze Haufen der Bürgerschaft waren am Eingang versammelt, und wenn einer von ihnen sagte: Das ist der Trenck! dann rief man mir zu: Willkommen im Vaterlande! Viele reichten mir die Hand, und ihr nasses Auge zeigte mir, daß sie sich mit mir freuten.

Welt, betrogene Welt, von der Wahrscheinlichkeit hintergangen, durch Vorurteile geleitet, was ist dein Lob, dein Tadel?

Bestimmen aber wohl auch unsere Handlungen den Wert eines Mannes –?


Nach einigen Tagen, da ich dem regierenden Monarchen vorgestellt worden war und bei der regierenden Königin soupiert hatte, bat ich um eine Privataudienz und erhielt am 12ten Februar abends folgenden Brief:

»Ihren Brief vom 9ten dieses Monats habe ich erhalten; und es ist mir lieb, Ihnen antworten zu können, daß, wenn Sie morgen nachmittag um 5 Uhr zu mir kommen wollen, ich das Vergnügen haben werde, Sie zu sehen und zu sprechen. Unterdessen behalte Gott Sie in seinem heiligen und würdigen Schutze.


Berlin, am 12. Februar 1787

Friedrich Wilhelm


P.S.

Nachdem ich diesen Brief schon unterzeichnet hatte, finde ich es bequemer für mich, Sie auf morgen früh um 9 Uhr zu mir zu bestellen. Sie dürfen sich also nur um diese bestimmte Stunde in der sogenannten Marmorkammer einfinden.«
[276]

Man urteile nun, mit was für Begierde ich diese gewünschte Stunde erwartete. Ich fand diesen wahrhaften Titus ganz allein, und die Unterredung dauerte länger als eine Stunde.

Er hatte bereits meine ganze Lebensgeschichte selbst gelesen. Er war selbst als Prinz von Preußen in Magdeburg Augenzeuge aller meiner Martern und meiner Unternehmungen zur Flucht. Er erinnerte sich mancher Vorfälle und hatte auch die noch lebenden Augenzeugen gesprochen, welche die reine Wahrheit meiner Erzählung und mein unschuldiges Leiden bestätigten. Ewig werde ich an diese glückliche Stunde denken. Sie verfloß aber auch. Mein Auge sah zurück, mein Herz blieb aber in der Marmorkammer bei einem Fürsten, der edler Empfindungen fähig ist, und meine Wünsche für seine Wohlfahrt sind unbegrenzt.


An geschickten Architekten, an Zöglingen für Gesellen und Meisterkenntnisse, an gutem Willen, mitzuarbeiten, an Materialien zum Bau, an Künstlern zum äußeren Schmuck, an Pflanzschulen für Lernende fehlt es in Preußen gewiß nicht. Der wärmste Patriotismus glimmt in allen Adern. Man kennt die Triebfeder des großen klugen Friedrichs in dieser wirklich wunderbaren Kunstmaschine und wird sie vermutlich auch nach eben der Richtung zu erhalten suchen. Geschieht dieses unverrückt, dann ist für Babels Turm keine Sprachenverwirrung zu fürchten. Noch steht alles so fest wie zu Friedrichs Zeiten; und gegen große Donnerwetter stehen die metallenen Gewitterableiter überall am rechten Orte.

Im Kabinett arbeitet noch ein Hertzberg, welcher ebenso denkt, schreibt und handelt wie vor etlichen Jahren. Der König will, daß gegen seine Untertanen Gerechtigkeit geübt werde. Die Schatzkammer ist gefüllt, die Armee ist noch die alte; und allen Aussichten nach wird Reichtum, Industrie und Bevölkerung nicht fallen, sondern steigen.

Der weise Friedrich, welcher Wissenschaften liebte, auch selbst gelehrt war, hat sie dennoch in seinen Ländern nicht befördert. Der Deutsche hätte unter ihm die deutsche Sprache vergessen können; die französische Literatur schien ihm besser.

Allem Anschein nach wird der jetzige Monarch, der kein Gelehrter ist, die Lehrschulen besser versorgen, damit er keinen[277] Mangel an geschickten Leuten für Feder und Justiz empfinden müsse. Besonders, da der Adel ohne Ausnahme in der Armee dienen muß und wenige für die Wissenschaften übrig bleiben, denen es wirklich an Mitteln und Gelegenheit fehlt, ihren Verstand auszubilden.

Übrigens ist dieser König ein vollkommener Menschenfreund. Er wird gewiß keinen Menschen martern, noch in Gefängnissen schmachten oder mißhandeln lassen. Die Knutpeitsche wird nie den preußischen Rücken ins Sklavenjoch biegen. Sogar bei den Soldaten verabscheut er die barbarischen Stockprügel. Seine Offiziere werden nicht kreuzweise geschlossen, die knechtische Subordination ist verbannt ...


Nach dieser Audienz ließ er mich noch einmal rufen, sprach sehr viel mit mir und bestärkte die erhabenen Begriffe, welche mir die erste Unterredung von ihm eingeflößt hatte. Ich bin auch überzeugt, daß ich ihn auf allen Seiten ohne Vorurteil kenne.

Am 11. März präsentierte ich ihm abermals in einer Privataudienz meinen Sohn, welchen ich für seinen Dienst bestimmt hatte. Er ernannte ihn sogleich zum Offizier bei dem Posadowsky'schen Dragonerregiment, welches ich mir besonders ausbat.

Ich habe also nunmehr einen Sohn bei dem Zweiten österreichischen Carabinier- und den anderen in Preußen bei dem Ersten Dragonerregiment in wirklichen Diensten angebracht und meine Vaterpflicht erfüllt. Die Zeit wird lehren, in welchem Lande der Trenck'sche Name mehr geachtet, oder welcher von beiden zuerst einen Teil meines verdienten Lohnes erhalten wird. Wo dies geschieht, dahin wird der andere folgen; und den dritten kann meinetwegen der Großsultan nehmen, wenn er weiß, wozu man meine Zöglinge brauchen kann, und ihm Gerechtigkeit widerfahren läßt, die ich an keinem Hofe Europas für mich selbst finden konnte. Übrigens sind alle meine Kinder ganz frei geborene Menschen und keines Monarchen Vasallen. –


*
[278]

Nun habe ich auf speziellen Befehl eines großen Herrn noch etwas in diese Blätter einzurücken, was ich im zweiten Band übergangen hatte, weil ich die Leser nicht durch zu viele Weitläufigkeit in meinen Gefängnisränken ermüden wollte. Es war die vorletzte Unternehmung zur Flucht; die Umstände sind folgende:

Weil es auf keine Art mehr möglich war, Sand und Erde aus meinem Kerker herauszuschaffen, so machte ich, nach abermals durchgebrochenem Fußboden und Fundamenten, ein Loch gerade in den Graben hinaus, wo alle drei Schildwachen standen. Sobald ich hinaus gegraben, zog ich allen Sand still herein, nahm einen Pantoffel und warf ihn an die Palisaden hinaus, als ob ich ihn beim Überspringen verloren hätte. Diese Palisaden waren 12 Schuh hoch und quer über den Hauptgraben gesetzt; innerhalb dieser waren meine Schildwachen eingesetzt. In der Ecke aber, wo ich ausbrach, stand kein Schilderhaus.

So bald dies geschehen, kroch ich in mein Gefängnis zurück und machte mir unter dem Fußboden ein anderes Loch, worin ich sitzen und lauern konnte. Hinter mir aber füllte ich den Kanal zu, so daß mich niemand sehen konnte.

Der Tag bricht an; die Schildwachen sehen das Loch. Es wird gemeldet, der Offizier läuft bestürzt herbei, man findet den Pantoffel; folglich war der Trenck glücklich auch über die Palisaden gekommen und nicht mehr da!

Gleich kommt der Kommandant aus der Stadt mit der ganzen Litanei, die Alarmkanonen werden gelöst, die Nachsetzer sprengen im Lande herum, alle Festungswerke und Souterrains werden visitiert. Nichts half; ich war glücklich entwischt. Unmöglich konnte ich dieses ohne Vorwissen der Schildwachen unternommen haben; die ganze Wache, auch der Offizier wurde arrestiert, und das Erstaunen war unbegrenzt.

Ich saß indessen in meinem Loche, hörte jedes Wort, mein Herz pochte vor Freude, und der Ausgang meines Anschlages schien mir schon gewiß. Unfehlbar hätte man in der folgenden Nacht keine Schildwachen mehr vor meinen Käfig gestellt; dann wäre ich im Ernst aus meinem Loche hervorgekrochen und gewiß glücklich nach Sachsen entflohen. Mein Schicksal war aber grausam genug, auch diese Hoffnung zu vereiteln, da bereits alles[279] überstiegen zu sein schien. Alles ging gut und nach Wunsch; die ganze Garnison kam in die Sternschanze; dieses dauerte bis nachmittags gegen 4 Uhr. Endlich kommt ein Fähnrich von der Landmiliz, ein Kind von 15 bis 16 Jahren, der sehr klein und schwächlich war, hingegen mehr Witz als alle anderen besaß. Dieser steigt in das Loch hinunter, betrachtet die Öffnung nach dem Graben hinaus und findet sie zu klein; er versucht hindurch zu kriechen. Es war unmöglich. Gleich entschied er, es könne nicht sein, daß ein starker Mann meiner Gattung durch diese Öffnung herausgekommen sei, und läßt sich ein Licht geben.

Nun hatte ich dergleichen Vorfall nicht vermutet. In meinem Loche wurde mir die Luft zu warm, und ich hatte unter dem Fußboden den zugestopften Kanal geöffnet. Kaum hatte der Fähnrich Licht unten, so erblickte er mein weißes Hemd, sah näher hin, griff zu und erhaschte mich am Arm.

Hier war der Fuchs im Bau gefangen; es entstand ein Gelächter, ein Triumph. Wie mir aber dabei zu Mute war, da ich mich schon wirklich in Freiheit glaubte und jetzt von neuem in meine Fesseln geschmiedet wurde, dieses läßt sich denken, aber nicht in der Empfindung schildern, die meine Seele erschütterte.


*


Nun zum abgebrochenen Zusammenhang.

Ich reiste nach Preußen und traf am 4ten April in Königsberg ein, wo mich mein Bruder mit Sehnsucht erwartete. Von meinen 4 Geschwistern fand ich nur noch diesen, der im Wohlstand auf seinen Gütern lebt, dessen Kinder aber alle im Grabe liegen.

Hier erfuhr ich nun erst gründlich, was während meiner Abwesenheit vorgegangen war. Der Zorn des großen Friedrich hatte sich auf alle meine Geschwister verbreitet. Mein älterer Bruder war nach mir im Jahre 1746, da ich unglücklich wurde, Standartenjunker beim Kiow'schen Kürassierregiment. Er diente 6 Jahre, nahm an 3 Bataillen teil, und weil er Trenck hieß, blieb er im Avancement zurück. Endlich, müde des Wartens, nahm er den Abschied, heiratete und lebte auf seinem Gut Meicken, wo er vor 3 Jahren gestorben ist und zwei Söhne hinterlassen hat, die dem Trenck'schen Namen Ehre machen. Er war mein[280] Bruder, deshalb allein wollte der König nichts von ihm wissen. Mein jüngster Bruder hatte sich auf die Wissenschaften gelegt; er wurde vom Minister zu einer Zivilcharge als ein besonderer Mann vorgeschlagen; der König schrieb aber auf den Bericht:

»Es ist kein Trenck zu Etwas nutz.«

Auch auf meine Schwester, die den Sohn des Generallieutenants von Waldow geheiratet hatte und seit 1749 als Witwe lebte, erstreckte sich, wie bereits erwähnt, der Haß des Monarchen.

Sie besaß die schönen Hammer'schen Güter bei Landsberg an der Warthe; dort wurde von den Russen alles in einen Steinhaufen verwandelt. Sie flüchtete mit ihren Effekten nach Küstrin; dort wurde bei der Belagerung alles verbrannt, und die preußische Armee selbst verwüstete die schönen Waldungen.

Nach dem Kriege unterstützte der König alle ruinierten Familien im Brandenburgischen; sie allein erhielt nichts, weil sie meine Schwester war. Sie wandte sich an den König und erhielt zur Antwort: Sie solle sich an ihren lieben Bruder halten!

Sie starb im Kern der Jahre, nachdem sie kurz vorher den jetzigen Obrist von Pape zur zweiten Ehe gewählt hatte.

So litten alle meine Geschwister nur deswegen, weil ich ihr Bruder war.


In allen Fällen ist aber dennoch der Zweck meiner Reise erreicht. Mein Bruder ist mein Freund und Vater meiner Kinder geworden. Mein Sohn dient bereits dem König und ist hier versorgt. Meine Ehre ist im Vaterlande gerechtfertigt und der Sieg über mein Schicksal wenigstens in Preußen entschieden.

Jede Stunde, die ich noch zu leben habe, sei der Menschenliebe gewidmet. Mein Kopf sehnt sich nach Ruhe; und habe ich diese vielleicht auch erst jenseits des Grabes zu hoffen, so will ich doch bis dahin weder murren noch klagen. Ich will still, aber gekannt, dahin schleichen, wohin ich im Jugendfeuer sturmlaufen wollte. Hilf, gütiger Gott, daß ich den heutigen Vorsatz auch bis zu dem Tage, da ich zu sein aufhöre, vollziehen möge! Und dies sei das Ende meiner Lebensgeschichte!


*

Quelle:
Trenck, Friedrich Freiherr von der: Des Friedrich Freiherrn von der Trenck merkwürdige Lebensgeschichte. In: Eberhard Cyran, Trenck, Memoiren und Kommentar, Berlin: Haude & Spener, 1966, S. 7–283., S. 270-281.
Lizenz:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin

1880 erzielt Marie von Ebner-Eschenbach mit »Lotti, die Uhrmacherin« ihren literarischen Durchbruch. Die Erzählung entsteht während die Autorin sich in Wien selbst zur Uhrmacherin ausbilden lässt.

84 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon