E. Gegen ältere Personen.

[58] 43. Gegen ältere Personen benimm Dich immer mit Ehrerbietung und Anstand. Alte Leute empfinden viel tiefer als junge und haben vor diesen an Erfahrung viel voraus, weshalb sie mit Recht beaufsprüchen können, daß jüngere Leute gegen sie sich bescheiden und zuvorkommend benehmen und ihnen bei jeder Gelegenheit den Vorrang einräumen.

44. Hüte Dich, in Reden, Geberden und Handlungen vor allem, was ältere Leute betrübt und lächerlich macht oder dem Gespötte aussetzt. Erlaube Dir niemals unanständige Außerungen über ihre Ansichten, Meinungen und Eigenheiten; erweise ihnen vielmehr Liebe und Achtung; begegne ihnen freundlichst; hilf ihnen, wo Du kannst, habe Geduld mit ihnen, wenn ihre Lage sie ungeduldig macht; achte ihre Lehren.

45. Verletze nicht die älteren Personen schuldige Liebe und Achtung dadurch, daß Du ihnen den Tod wünschest oder ihnen dies gar zu verstehen gibst, grob gegen sie bist, sie zum Gegenstande[58] mutwilliger Späße machst, etwaige körperliche Gebrechen vor anderen nachäffest und verspottest, ihnen nur mit Unwillen dienst und Gefälligkeiten erweisest.

46. Lege überhaupt im Umgang mit älteren Personen ein bescheidenes Wesen an den Tag. Zurückhaltung und Bescheidenheit zieren den Jüngling unter allen Umständen. Sie zeigen sich hauptsächlich darin, daß man vor Aelteren schweigt und nur einen aufmerksamen Zuhörer abgibt, ihnen nicht, oder wo es notwendig ist, mit der größten Bescheidenheit und Zurückhaltung widerspricht. Es gibt für den Lebensweg eines jungen Mannes überhaupt kaum einen schlimmeren Feind, als der Geist des Widerspruches.

47. Wer diese Regeln beobachtet, wird stets den Anforderungen des Anstandes und der Klugheit entsprechen und sich bei Gott und der Welt beliebt machen; wer sie nicht beobachtet, verrät ein undankbares, rohes, liebloses und gottvergessenes Herz und der Segen Gottes wird schwerlich auf ihm ruhen; empfiehlt doch die Heilige Schrift selbst Höflichkeit und Ehrfurcht gegen das Alter, wenn es heißt: »Verachte niemand, wenn er alt ist, denn wir werden auch alt« (Sirach 8, 7.) – »Weiche von den Ermahnungen der Alten nicht ab, denn auch sie lernten von ihren Vätern« (Sirach 11). – »Einen Alten fahre nicht hart an, sondern ermahne ihn, als einen Vater« (1. Timoth. 5, 1). – Uebrigens wirst auch Du alt werden und wünschest, daß man Dir dann auch Liebe und Achtung, Deinen Gebrechen Schonung erweise und Dir bei etwaiger Hilflosigkeit Hilfe leiste.[59]

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 58-60.
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