15. Von der Kunst, allen Sonnenschein zu schenken

[107] Schon im zwölften Abschnitt haben wir angedeutet, daß unser ganzes Erdendasein in starkem Maße davon abhängig ist, wie wir stimmungsmäßig damit fertig werden. Es lohnt sich wirklich nicht, jenen Zeitgenossen nachzuleben, die unter dem Einfluß ihrer schlechten Laune ewig den Kopf hängen lassen, Trübsal blasen und egal am Glück vorbeilaufen. Diese lauwarmen und meist passiven Menschen, die sich selbst und auch ihrer Umgebung zur Last fallen, sind in einer Gemeinschaft aufrechter und lebensbejahender Menschen nicht beliebt: erstens vermögen sie niemandem etwas zu geben, denn für Trübsal und Grillenfängerei wird sich jeder bestens bedanken, außerdem stehn sie einer sich entfaltenden, fröhlichen Stimmung nur überall im Wege, denn ihre Mienen passen zu schlecht zu den strahlenden Augen herzlich lachender, vielleicht sogar ausgelassener Volksgenossen.

Der immer lebensfrohe und heitere Mensch dagegen schafft sich und auch seiner Umgebung durch sein temperamentvolles, lustiges Wesen täglich tausend Lebensfreuden. Sein offener, sonniger Charakter macht ihm alles leicht, schafft ihm echte, gute Freunde und vermittelt ihm selbst das in reichem Maße, was er den andern an seelisch heiteren Werten vermittelt.

Wer also in der menschlichen Gemeinschaft gern gesehen und beliebt sein will, der eifre jenen nach, die es verstehen, andern Humor zu schenken. Dazu bieten sich immer und überall unzählig viele Gelegenheiten.

Es soll zugegeben werden, daß nicht jeder ohne weiteres die Fähigkeit besitzt, die Stimmung vieler Menschen maßgeblich zu beeinflussen und zu heben. Ein sonniges Herz und Gefühl für Humor sind zwar wichtige, aber nicht die alleinigen Voraussetzungen. Der Vergnügungsmeister, so wollen wir jenen Volksgenossen einmal nennen, der sich auftragsgemäß oder freiwillig für die Stimmung der Gesamtheit verantwortlich fühlt, muß auch in der Lage sein, seine[107] frohe Laune den andern mitzuteilen. Manche Zeitgenossen haben da eine gewisse Scheu. Wohl können sie dem einzelnen manche Anekdote ausgezeichnet vortragen, sobald sie sich aber einer größeren Anzahl von Menschen gegenübersehen, fühlen sie sich befangen. Solch eine Scheu läßt sich aber bei gutem Willen und durch Übung nicht allzuschwer überwinden. – Weiter ist für den Vortragenden oder Vergnügungsmeister unbedingt Voraussetzung, daß er über ein ausgezeichnetes Material verfügt. Man darf nicht übersehen, daß heute alle Volksschichten mit Humor der verschiedensten Art durch das Lesen von Zeitschriften und guten, humorvollen Büchern wie auch durch den Rundfunk, der sie mit den besten Berufshumoristen bekannt und vertraut macht, sehr verwöhnt sind. Und die letzte wichtige Voraussetzung ist eine stete Abwechslung in der Art der Darbietungen.

Man kann musikalische und sprachliche Darbietungen bringen. Ein launisches, gut pointiertes Gedicht wird meist gefallen. Auch Couplets werden heute noch genau so gern gehört, wie zu Zeiten eines Otto Reutter. Mit dem Erzählen lustiger Anekdoten und wirklich guter Witze kann man viel Erfolg haben. Auch mit lustiger Mystik, mit Zauberkunststücken, Kartenkunststücken und Scherzen der Geselligkeit wird man die gute Stimmung oft wesentlich steigern. Nun zerbricht sich mancher Vergnügungsmeister den Kopf darüber, wo er wirklich brauchbares Material für die verschiedensten Vorträge hernehmen soll. Wir kennnen das und möchten Sorgen solcher Art mit dem Hinweis zerstreuen, daß sich der Verlag G. Danner in Mühlhausen/Thür, die Aufgabe gestellt hat, in zahlreichen Ausgaben ein Material für Vortrag und Unterhaltung aller Art anzubieten, das bei richtiger Verwendung dem Vergnügungsmeister viel Dank und Anerkennung einbringen wird.

Einer wachsenden Beliebtheit erfreuen sich Danners bunte Vortragsbücher, die für jeden Kreis Kurzweil, Unterhaltung und Zerstreuung bringen. In jeder Buchhandlung kann man diese Bände auch einzeln kaufen oder auch einen Prospekt des Verlags erhalten. Der sehr gut ausgestattete Band kostet übrigens nur eine Mark. Weiter verdient die im gleichen Verlag erschienene Sammlung »In der Westentasche«[108] Erwähnung, die eine solche Fülle meist neuzeitlichen Unterhaltungsstoffs bringt, daß man trotz höchster Ansprüche des Publikums nie in Verlegenheit kommen wird. Die schmucken, kleinen Bändchen, die für dreißig Pfennig überall zu haben sind, bringen Vortrags- und Unterhaltungsmaterial für ganz kleine und auch große Kreise. Ein besonderer Reiz liegt darin, daß sie bequem in der Westentasche unterzubringen sind. Wer über eine Anzahl dieser kleinen Bücher verfügt, wird jedesmal, wenn er zu einem Zusammensein mit andern Menschen rüstet, die in Frage kommenden Exemplare einstecken, dann weiß er genau, daß er bei der Unterhaltung nie in Verlegenheit kommen wird. Die Zuhörer werden ihm mit wachsendem Interesse lauschen und mit ihrem Dank gewiß nicht zurückhalten. So wird der Vergnügungsmeister in weitesten Kreisen bald ein gern gesehener, ja sehr begehrter Mensch werden.

Humor und frohe Laune sind jedem Volksgenossen Lebensbedürfnis. Wo sich auch immer Menschen außerhalb ihrer Berufssphäre zusammenfinden, immer werden sie nach gemeinsamer Unterhaltung suchen. Sie wünschen sich eine Hebung ihrer Stimmung, möchten etwaigen Kummer so schnell wie möglich vergessen, ihre Sorgen abstreifen, recht fröhlich sein und diese Stunden der Geselligkeit unbeschwert verbringen.

Das sind auch unentbehrliche Voraussetzungen für Festigung und Erhaltung einer echten Kameradschaft, für ein wahrhaftes, dauerndes Gemeinschaftsempfinden, ohne das unser ganzes menschliches Streben schließlich erfolglos bleibt.

In unsern Tagen ist das Erzählen von Anekdoten und Witzen sehr beliebt. Wer sich auf diesem Gebiet betätigen will, bedenke aber immer, daß diese Art der Darbietungen vielleicht am leichtesten erscheint, in Wahrheit aber am schwierigsten ist. Es werden darum einige Hinweise und Fingerzeige willkommen sein.

Wer einen Witz zum besten geben will, überlege zunächst ob er in den Kreis hineinpaßt, der ihn hören soll. – Einen Witz mit den Worten anzukündigen: »Kennen Sie den schon ...?« gilt als durchaus geschmacklos. Niedlicher ist folgende kleine Einleitung: Man klopft unter den Tisch. Sicher ruft dann jemand »Herein! Wer ist denn da?« »Ein[109] neuer Witz,« antwortet der Erzählende. »Los, er soll eintreten,« wird jemand sagen, und schon kann der gute Witz – hoffentlich ist er wirklich gut – starten. – Ein neuzeitlicher Humorist hat einmal den Witz mit einer Kegelbahn verglichen. Der Vergleich ist ausgezeichnet. Man packt die Kugel und läßt sie die Bahn lang sausen. Die Kugel rollt und rollt und – anstatt alle Neune zu treffen, landet sie in einem Blumentopf oder auf dem Kronleuchter, beileibe aber nicht da, wohin sie sollte. Die Überraschung nennt man dann Pointe.

Heute erzählt man Witze ganz, ganz anders, als vor dreißig Jahren. Es gibt auch Witze, die sich ausgezeichnet lesen, die aber einer grundlegenden Umarbeitung bedürfen, will man sie erzählen. Sehr wirkungsvoll ist oft die Ich-Form. Man tut so, als ob man etwas erlebt habe, stellt überhaupt alles möglichst lebensnah dar. Man spreche auch nie in der Vergangenheit, sondern möglichst in der Gegenwart. Die handelnden Personen nennen wir immer mit Namen, die eine rege Phantasie stets schnell erfinden wird. Die guten Herren Müller, Schulze und Lehmann haben beim Witzeerzählen so oft ihre Schuldigkeit getan, daß sie ihre Ruhe nun wirklich verdient haben. Dasselbe gilt von Frau N, X und R.

Wichtig erscheint noch folgender Hinweis: Wenn jemand einen guten Witz häufig erzählt, wird er immer denselben Wortlaut verwenden. Das wird ihm bald langweilig vorkommen. Er soll aber doch daran denken, daß es immer neue Zuhörer sind, denen er den Witz serviert. Wenn also die Aufmachung gut ist, soll er ruhig dabei bleiben.

Wir wollen nun mal an einem Beispiel sehen, wie unterschiedlich die Wirkung eines Witzes sein kann. Da erzählt also jemand:

»Auf der Mole des Hafen X. standen zwei Matrosen, die sich über verschiedene Lebensgewohnheiten unterhielten. Der eine hieß Müller und der andre Schulze. – Da meinte Müller: ›Ich habe eine Angewohnheit, die mir schon viele Unannehmlichkeiten eingebracht hat. Ich habe nämlich oft meine Lachmuskeln nicht in der Gewalt und wenn ich mal was Komisches sehe, dann muß ich gleich lachen.‹ – Worauf der Matrose Schulze erwiderte: ›Das wird sich denn wohl[110] besonders stark auswirken, wenn du dich vor dem Spiegel rasieren willst.‹«

Was hier erzählt ist, ist an sich fraglos einer der besten Witze, aber die Erzählungsweise läßt die Wirkung fast völlig verpuffen.

Wer eine durchschlagende Wirkung erzielen will, wird ihn etwa so servieren:

Was es nicht alles für komische Menschen gibt! – Da muß ich euch mal von meinem Freunde Backentriller erzählen. Das ist wirklich 'ne ulkige Rübe. Egal grinst der Bengel. Da erzählt er mir neulich, daß er immer gleich loslachen müßte, wenn er mal was Komisches sähe.

»Menschenskind,« habe ich da gesagt, »was fängste da bloß an, wenn du dich mal rasieren mußt?« –

Und nun noch ein besonders wohlgemeinter Rat. Das schlechte Erzählen von Witzen ist ebenso schlimm wie das endlose. Es gibt reichlich anhängliche Zeitgenossen, die immer einen großen Packen solcher und solcher Witze mit sich herumschleppen und geradezu nach Opfern suchen, um sie starten lassen zu können. Mitleids- und rücksichtslos stehlen sie den andern die Zeit, weil diese nicht schnell genug einen Grund finden, abzuhauen. Menschen, die Witze zu erzählen verstehen, bringen nie viele, sondern nur einige wenige auserlesene. Gern hört man zu, wenn auch mal einer dabei ist, den man schon kennt. Man braucht da nicht gleich schadenfroh auszurufen: »Sooo 'nen Bart!« Meist freut man sich doch, wenn man mal von Bekannten hört, im übrigen kann eine vollendete Erzählungsart auch einen bekannten Witz wertvoll erscheinen lassen.


15. Von der Kunst, allen Sonnenschein zu schenken

Wir möchten diesen Abschnitt mit der Feststellung schließen, daß das Erzählen von Witzen ein zartbesaitetes[111] Instrument ist. Wer es zu spielen versteht, wird sich überall viel Sympathie erringen. Wer es nicht kann, sollte es entweder tüchtig üben oder – schweigen.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 107-112.
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