Louise Friederike Michaelis verheirathete Wiedemann geb. zu Göttingen.

Mein Vater der berühmte Ritter Michaelis Orientalist u. Gelehrter – meine Mutter Louise Antuanette Schröder Tochter des Oberpostmeister Schröder in Göttingen, geb. von achtungswerthen Eltern – in einen wohlhabend bürgerlichen Hause aufgewachsen wo kein Mangel war, aber strenge Ordnung, u. von den Ausgezeigensten Menschen umgeben: es erstreckt sich meine erste Errinnrung bis ins zweite Jahr, wo ich noch deutlich mir vorstellen kann, daß ich auf den Arm getragen, die Ausstellung der Leiche einer alten Gros Tante, meines Vaters Mutter Schwester der verwit: Doctorin Christiani betrachtete, welche mein Vater als Er nach Halle reiste um den Nachlaß seines Vaters zu holen mit brachte, die meinen Grosvater nach dem Tode der Frau den Haushalt führte, sie war eine geb. Heldberg aus Zelle u. mein Vater hat sich von dem Kinderlosen Bruder in Zelle die Erlaubniß das Wappen zu führen erbeten, da mit Ihm die Familie ausgestorben. Der damaligen Sitte gemäß war die Leiche auf der Hausdiele ausgestellt, umstellt mit Geridons mit Wachskerzen – eine Zitrone in den gefalteten Händen, das ganze hat einen bleibenden Eindruck gemacht – wie auch einen schauerlichen, denn ein paar Tage [vorher?] hatte ich die alte von Allen verehrte Tante noch gesehen. Später sind mir bis ich 6 Jahre alt war viele Dinge aus dem Gedächtniß gekommen, obwohl manches wieder auftaugt, aber nicht wichtig genug um niedergeschrieben zu werden, aber wohl erheblich genug um einer Schaar Enkelinnen u. jungen Mädchen erzählt zu werden, um sich einen Begrif der alten Zeit zu machen, u. über die Einfachheit zu erstaunen, die in allen herrschte, im täglichen Leben, u. über die Gewohnheiten der Tages Eintheilung – u. so w. dieß alles würde mich zu weit führen – und ich ins unendliche Schwazen.[1]

Ich weiß noch daß mir daß Lesen lernen sehr schwer ward mir manche Thräne gekostet, wie unsern Hauslehrer den Candidaten Borchers viele böse Stunden, u. so auch mit meiner 16jährigen Schwester Caroline darüber besprach, am Ende habe ich es doch gelernt, u. wohl viel unützes gelesen.

Dieser Lehrer ward später Prediger in Diemern [Diemarden] ohnweit des schönen Amtes Rheinhausen. Das Dorf war so nahe bei Göttingen daß man dahin zu Fuße gehen konnte, meine Schwester Lotte, u. ich haben diesen Gang auch öfters in den Jahren 84 bis 89 gemacht u. wir haben da manche frohe Stunde zugebracht, u. gewiß jedes Jahr im Sommer ein 14 Tage. – Das Pfarrhauß lag an den schönen Versammlungs Orte des Dorfes, welchen man gewöhnlich Tinc nennt eine Benenung welche wohl von der Nordischen Benenung herzustammen scheint, u. wo die Alten Gericht hielten. Der große Raum war etliche Stufen hoch, mit einer einen Fuß oder zwey hohen Steineinfassung, mit den schönsten Linden bepflanzt; ein Bach ein Steig darüber u. Weiden an den Bache, dahinter das Dorf begränzte die Aussicht wie auf der Gegenseite die etwas höher gelegne Kirche u. die Amtsgebäude.

Hier vereinten wir uns mit der Frau, den Manne u. der kleinen Welt mit Wärterin zum Kaffee u. fandasirten wenn wir allein waren – jedes auf seine Weise. Bücher waren natürlich nicht vergeßen; so wie das man die Kleidung der Frau Pastorin etwas der Mode gemäß bildete zu einen etwanigen Besuch zu uns, damals war noch weniger Einheit in der Kleidung, oder Gleichheit. Die Stände zeigenten sich mehr aus, u. nicht wie jetzt wohl nur durch die Stoffe; es war das Sprichwort, oder die Redensart noch wahr »Gotteswort von Lande«. Jetzt tritt eine Prediger Frau eben so elegant auf wie die Frau Etatsräthin oder [?] die Bürgertochter auch.

Wir wählten unsere Zeit immer so, daß der Pastor Borchers Sontag nach dem schönen Filial Rheinhausen zu begleiten war, ein angenehmer Weg, Kirche u. Amthauß ein ehemaliges Kloster lagen auf einen Felsen. Das Dorf durch welches die Heerstraße führte lag unten u. gegenüber, die schönsten Wälder bedeckten die Höhen, einen schöneren Flek giebt es nicht leicht. – Die Töchter des Amtmanns waren uns befreundet,[2] u. ich weiß daß wir mit der Böhmerschen Freundschaft da auch zum Besuch waren wie ich wohl 10 Jahre alt war, u. Alle sehr vergnügt waren, sobald daß [?] die langen Gänge, u. die Kreuzgänge um das Klostergebäude, die jungen Mädchen veranlaßte sich mit allerlei Gespenstersagen zu schrecken. – Hier brachten wir mit dem Pastor bis Abens zu, u. die Freundschaft ward neu geknüpft – aber doch nicht fürs Leben, da die mir zunächststehende nach Reval verheirathet ward u. die älteste gleichfalls durch Ehe der Befreundung entfremdet ward.

Von Diemern machten Lotte u. ich auch eine Ausflucht zu v. Uslars die nächst den Gleichen alten Schlößern wohnten, mit Dieterich der uns holte u. der in der Zeit auch [der] heimlich Verlobte von Lotte war. Die schöne Uslar war an einen Bekannten von Dieterich unglüklich in ihren 14. Jahre vermählt. Die Heirath ward später getrennt, u. sie ist gestorben! nie habe ich ein schöneres Mädchen gesehen, als Gräfin Hardenberg.

Von meiner Mutter sich von den 7 jährigen Kriege erzählen zu lassen, war eine der angenehmsten Unterhaltungen, mehr noch wie der Robinson der damals wie der Kinderfreund wen diesen die Messe brachte verschlungen ward. Diesen habe ich auch noch immer mit Vergnügen durchblättert u. mich an die frohe Zeit der Kindheit errinnert dabei – Nicht oft genug konnte manches wiederholt werden von den Erzählungen der Mutter. Diese hatte eine sehr feine Handschrift u. hatte oft wenn frz. Stafetten kamen aus den Bette gemußt um für ihren Vater der ein eifriger Patriot war Zahlen, oder sonst kleine Berichte zu schreiben, welche denn der treue Postillion in Wachs getaugt in den Mund nehmen mußte um so den Hannoveranern Kunde zu geben von den ihren. Freilich hätte ein Verrath dem Grosvater viel Schaden bringen können allein daran dachte der treu gesinnte sein Vaterland liebende nicht.

Oder die Mutter erzählte von den kleinen Gefechten welche man vom Boden des Hauses längst den Walde über dem Dorfe Wende hätte mit ansehen können, u. wo sie besonders das erscheinen eines weißen Pferdes erschreckt hätte, welches ein Landsmann u. Freund der Jugend von Ihnen geritten, u. was bald da bald dorten sich hätte blicken lassen – u. sie immer gefürchtet es stürzen zu sehen u. den Reuter vom Schuß getroffen.[3]

Oder sie erzählte wie bei den Abzug der Franzosen ein Pulverthurm gesprungen, u. die Arme u. Beine der Verstümmelten weit weg in die Gärten geschleudert – auch gedachte sie der Zeit wo sie schon vermählt, u. einen Sauvegarden Brief erhalten hatten – was auch in den Leben von meinen Vater erwähnt wird als eine Auszeichnung, allein dieser hatte doch bis die Franz: G. geräumt einen hohen sehr liebenswürdigen Obersten im Hause behalten der ein ausgezeigenter seiner Mann war. –

Auch des Erdbebens von Lissabon ward gedacht – wie auch die Grosmutter aus der alten Zeit uns erzählte, u. uns bei sich spielen ließ u. die ältern Mädchen Böhmers u. meine Schwester wirklich kochen ließ u. so spielend lehrte – sie war eine für ihre Zeit gebildete Frau, welche auch die Postgeschäfte u. alle großen Pachtungen bis ihr aeltester Sohn die Stelle erhielt verwaltete; sie starb etwa in meinem 10 bis 11 Jahre am Schlag. Sie wohnte bei ihren jüngsten Sohn. Sie starb an ihren Geburtstage Neujahrs Tag. Sie hatte sich auf eine Chaise Longue gelegt u. in der Bibel gelesen wie der Tod sie erreichte. Ihr Bild steht mir noch immer als angenehme Alte vor Augen, in den fein gefälteten Häubchen.

Ich hatte an Wilhelmine Walch, der Tochter des berühmten Theologen u. Freundes von meinen Vater, eine liebe Freundin u. Gespielin, in deren Hause ich zu jeder freien Zeit gute Aufnahme gefunden. In ihren Hause sammelten sich auch die Kinder von Hofrath Feder, meine liebe Dorothe Schlözer besonders. Es war ein altväterlich einfach Wesen da im Haus. Besonders anziehend war für uns Kinder die gute Aufnahme, der Nachmittags 3 Uhr gespendete Kaffee, der uns zu Hause nie ward, der Garten, ja selbst das Leben bei den Alten, der Vater kam immer zum Kaffee – indessen ward die Erlaubniß nicht mißbraucht, aber mancher Winter Abend da zu gebracht. Der einzige Sohn ward Professor in Heidelberg. Die Tochter ist nach dem Tode des Vaters u. der Mutter lange kränkelnd gestorben, u. man sah sich nicht mehr so oft; was mir oft leid war, daß Verhältnisse u. Umgang nicht der gleiche war, was nicht hätte sein müssen. Andere Zerstreuungen hätten die alte kränkliche Gespielin nicht verdrängen müssen. Man fühlt dieß in späten Jahren wieder, wenn man von Menschen hindangesezt wird u. sich einsam u. verlassen fühlt.[4]

In dem Jahre 1776 bekam ich die Pocken eingeimpft. Damals war aber auch eine ganz verkehrte Behandlung, welche die Krankheit immer furchtbarer machte. Eine einfache Narung ging voraus, allein nun wurde man in ein Bette gepackt wohl zu gedeckt mit Federbetten, u. Fliederthee mußte getrunken werden. Diese Behandlung hatte bei mir, die ein starkes wohl genährtes Kind war, [zur Folge], daß der Ausschlag furchtbar heraus kam, u. Hände u. Füße besonders der Kopf mit Pocken ganz bedeckt ward. Mein aeltester Bruder aus der ersten Ehe der Oberhofrath Michaelis war eben vorher von Strasburg als Doctor zurück gekommen u. wachte auch bei mir.

In der Zeit kam auch ein Herr von Ramdohr aus Zelle, der später über Malerei geschrieben, mit meinem Bruder befreundet viel zu uns. Ich habe noch die Errinnerung von Ihm als von einen ausgezeigenten Menschen, euserlich nicht aber eine feine Sitte u. Gewandheit. Später ist Er auch noch zu uns gekommen, u. der erste Eindruck aus der Kindheit ist mir geblieben, obwohl dieser auch peinliges hatte. Ich ging in eine Strickschule von wo mich ein sehr hübsches Dienstmädchen, welche in unseren Hause als Gespielin meines aeltesten Bruders erzogen wurde abgeholt, wo wir denn immer den H.v. Ramdohr zur Begleitung hatten, u. den auch ich wegen der Zuckerpläzchen mit Sehnsucht erwartete, u. es that dem Kinde diese Artigkeit wohl, u. es dachte nicht daß seine schöne Begleiterin der Magnet sei, der den jungen Herrn durch die Klostergebeude des jetzigen Bibliothekgebeudes als Begleiter sich anschließend zeigte. Es hatte aber einen meine kleine Eitelkeit niederschlagenden Eindruck als ich nach den Pocken wieder denselben Weg machte, der adliche Begleiter sich wieder einstellte u. zu meiner Begleiterin sagte »wie häslich ist das hübsche Kind geworden«! welches großen Eindruck auf mich machte u. mich bei den mannigfachen Anregungen zu Eitelkeit wohl bewahrte, zu glauben daß ich hübsch sei. Vergessen habe ich es nie, u. der Spiegel hat es mich auch gelehrt – Doch vergißt man diß gerne, wenn es sich vergessen macht durch die mancherlei Auszeichnungen.

Nach der Rückkehr meines Bruders gestaltete sich, da meine aelteste Schwester schon erwachsen u. Lotte auch herran wuchs, das Leben in Hause anders. Da mein Vater bis dahin nie erlaubte u. auch damals[5] noch nicht, daß sie öffentliche Bälle besuchten so veranstaltete mein Bruder, den Winter, daß mehrere Famillen, wie besonders Schlözers Frau u. ihre Schwester wie Meisters, u. Besonders die Famille Böhmer, die so zahlreich war daß jedes von uns ihre Befreundete hatten, so mein aeltester Bruder die 3 aeltesten Söhne, wovon der zweite schon damals ein Verehrer von Caroline war – welchen sie auch später heirathete als einen treuen nicht sich zurücke weisenden Liebhaber, was uns oft in der Folge drückte. U. so war es auch mit meiner Schwester Lotte, deren Geschick eine andere Wendung genommen haben würde wenn sie den dritten Bruder, nachmaligen Oberapelationsrath in Zelle [geheirathet hätte]. Er wie sie würden hoffentlich beglückter gewesen sein. So waren auch Töchter für jede von uns, wo besonders sie Emmi für Caroline u. Lotte war, u. den Dohmherrn Meyer in Hamburg heirathete, ein Verhältniß was sich aber erst später in den Jahren 80 bis 82 ausbildete wo Er in Göttingen studierte. – Louise war später Lottens Freundin u. ich hatte an dieser damals wie an Philipine meinen Umgang u. täglichen Verkehr, da die Gärten sich berührten. –

Doch ich komme wieder darauf, wie sich nun eine Tanz Gesellschaft bildete zu welcher mein Bruder die ausgezeigensten jungen Leute zog. Es gab aber auch Verwante u. Göttinger welche zugezogen wurden. Die Piqueniks, wie sie genannt wurden wo die Herrn die Musik bezahlten u. mein Vater das Local u. denn Thee gab, endeten mit einen großen Ball, den mein Vater der Jugend wie seinen Freunden auf seinen Geburtstag gab, u. woher auch die zwey Gedichte stammen, in der Beilage, von einer Freundin Vaters u. der Mutter, Dorothe Ayrer, Gattin des bekannten Stalmeisters, der Vater auch in der Ehe ein Freund war, u. oft der Friedensstifter zwischen den Eheleuten, wie er den Brautwerber hatte machen müssen. Dorothe Schlözer, die nachher berühmte, fand sich auch wie ich als Kind auf den Geburtstags Ball, u. ich weiß daß wir für uns umher sprangen, Haare frisiert, Fischbeinröcke u. grün Damast Flügelkleider – posirlich genug.

Ich mag nun wohl manche Jahreszahlen nicht recht im Kopf haben, allein ich weiß daß nach dieser Zeit mein Bruder nach Londen reiste um sich dorten auszubilden u. ich glaube auch mein nachheriger Schwager[6] Böhmer, da als er zurücke kam ich mich besinne er Abends öfter u. bestimmt kam um meine Schwester Caroline in Engl. zu unterrichten. Die Frau J[ustizrat] Böhmer hatte in Londen nahe Verwante, ihr Vater selbst war in der deutschen Kanzelei gewesen u. ihre Schwester an den H. Beste, ich weiß nicht welchen Titul er führte [verheiratet], der 3 Töchter hatte, die eine nach der andern an deutsche Prediger in Londen verheirathet u. so nach Hannover versetzt wurden. Diese zu besuchen holte im Jahre 1781 mein Schwager den alten Beste. Damals war die Ueberkunst noch nicht so leicht.

Über manches in die Zeit fallende habe ich im Leben von Caroline wie Lotte geschrieben. Wie Böhmer mit dem alten Beste kam, erhielt Böhmer bald darauf die Anstellung als Bergarzt in Clausthal u. die Hochzeit meiner Schwester war im Jahr 1882 [!] wo ich auch im Herbst mit der Famillie des Professor Koppe der als Generalsup: nach Gotha ging dahin reiste, um meine Ausbildung in den Jahre 14 bis 14 [16!] nicht in Göttingen zu erhalten u. zu früh in die Welt zu treten. Ich kam wie meine Schwestern zu der Frau Geheime Hofräthin Schleger. Die Frau von dem berühmten Bibliothekar in Gotha, der starb wie ich in Gotha war. Ein Aufenthalt der mir von groser Freude war u. Nutzen, eine sehr gebildete u. am Hofe ausgezeigente Frau um welche sich auch immer wenn sie die Karten abgab, u. zu den jungen Leuten kam, ein Kreis sammelte in der damals in Gotha berühmten Theegesellschaft, welche für Fremde wie einheimische junge Leute, die eingeführt werden konnten sehr ausbildent war, u. wo ich auch die jungen Männer Friderich Jakobs u. seinen Bruder, wie den berühmten Schlichtegroll habe kennen lernen u. auf den Bällen mit ihnen getanzt u. sie bei der Fr. G.H. Schleger gesprochen habe, wo alle ausgezeigente Welt hin kam, auch der nachherige berühmte Wieveking, der nun auch gestorben ist, wie ich einen Bekannten nach dem anderen mit einen † bezeichnen kann. Dieser wie Schlichtegroll heiratheten Enkelinnen von der Frau G.H. Schleger. Sie waren Töchter eines ehemaligen Lehrers des Herzoges Roussau. So kam auch ein anderer alter Genver hin, Herr Galatin u. es ward meist in Französisch Unterhaltung geflogen [!] wozu auch manche ausgezeigente Fräulein kamen, welche der F.G.H. immer mit Auszeigung begegneten,[7] u. begrüßten, wie eine allgeehrte Dame. Sie war auch wohl eine gelehrte Frau, unterrichtete aber mehr mit Gespräch wie durch eigentlichen Unterricht.

Mit Dorothe Schlözer unterhielt ich einen steten Briefwechsel u. ich bedaure daß ich einen sehr merkwürdigen Brief, damit er der Welt erhalten würde, ihren Onkel den Generalkonsul v. Schlözer in Lübek gegeben habe. Ich fragte sie nemlich, ob es nun ihrer Neigung gemäß sei daß sie als Gelehrte ausgebildet würde. Sie meinte es sei doch so übel nicht, u. drückte sich so über manches aus, daß ich mich schämte den Brief zu zeigen u. ihn immer bei mir trug u. dennoch ist es nicht ganz zerrissen, u. noch lebhaft steht alles daraus in meinen Gedächtniß, u. ich will noch versuchen manches davon wiederzugeben, allein in der ihr eigentlichen Weise ist es doch nicht möglich – sie war aber zufrieden mit den was ihr Vater von ihr heischte, u. hatte manches extra Vergnügen davon, wie auch Reisen.

Sie besuchte mich mit dem Vater auch einmal in Gotha – Mein Bruder ebenfalls, der nach dem er noch zur Hochzeit meiner Schwester 1782 zurück von Amerika kam, wohin er mit den H[essischen] Truppen als Stabsarzt ging, u. mich von Cassel aus in Gotha besuchte, wo er Leibarzt geworden war, u. besonders die Famille Gotter besuchte. Die Frau eine geb. Stieler, war die liebste Freundin von Caroline. Ein Vergnügen war es mit den jungen Gespielen Sontags zusammen zu kommen u. ausführliche Sprichwörter mit Gespräch aufzuführen, wo mir ein lieber Jugend Freund, der auch mit mir confirmirt, durch[s] Leben geblieben, Carl von Hoff † u. seine Schwester Friederike von Hoff- von Reinbold, †.

Zu vergessen sind die zwey Hofbälle nicht, welche die damals an Alter gleichen zwey Prinzen August u. Friederich gaben. Beide sind bekannt genug geworden, u. mit ihnen ist die Linie ausgestorben. Alle Bekannte waren da geladen u. man fuhr allein zu Hof. Der alte Herrzog, ein Gönner meines Vaters, unterhielt sich besonders mit mir wie er um die Tafel ging u. die jungen Gäste begrüßte. [Am Rand:] 1783.

Ich muß noch zurücke blicken auf meinen ersten Unterricht in der Religion u. auch sonst, so wie auch spätere Lehre von mein 10ten bis[8] 14 Jahre – theils Geschichte theils Geografie. Wenn ich auch den Unterricht mit Dorothea Schlözer nicht theilte, denn damals schon bestimmte sie ihr Vater zu einer Gelehrten ausgebildet zu werden, so bekam ich doch gleich ausgezeigente Lehrer mit ihr welche ihr Vater unter den Studierenden wählte. Allein ich habe wohl nicht mich je so ausgezeigent in Lernen wie die Schlözer. Doch ist noch manches mir aus dieser Zeit geblieben. Wiederholen, in dem man niederschrieb was man in der Stunde gehabt hatte, ward gar nicht gefordert. Ich weiß nur daß ich die engl. Geschichte abschreiben mußte aus einen Hefte was der Lehrer hatte, u. so auch nachlesen in der Religionsstunde. Geografie hatte ich ja bei dem nachher so berühmten Prof. Gaspari allein er war ein sehr widerwärtiger Mensch der auf ein aelteres Mädchen sehr nachtheilig hätte wirken können. Ich glaube ich hatte auch biblische Geschichte bei ihm.

Ein Lehrer aber mit Namen Bernstein aus Gera, der früher schon als Hauslehrer bei uns kam, ein sehr häslicher von Pocken gezeigenter, aber vortreflicher guter Mensch, kam später nach dem Brande wieder zu uns als Hauslehrer ins Haus, nach dem Brande von Gera wo Er wie seine Mutter alles verloren hatten. Bei diesen hatte ich nun Religionsunterricht, nach dem Vorlesung der Moral bei meinen Vater, wo besonders erst der natürliche Glaube vorgetragen ward. Es ist ja wohl nach der Moral u. nicht nach der Dogmatick? ich verstehe das nicht u. will nicht darüber entscheiden in meiner Unwissenheit. Es war damals als ein gewisser Unglaube, ich möchte sagen Mode ward, u. wo man öfter im ruhigen Glauben selbst gestört wurde, selbst an einen Gott, u. Leiter des Menschen. Einige Junge Leute machten sich eine Ehre daraus, Gespötte zu treiben, u. es ist nicht zu denken, wie dergleichen auf ein junges Gemüth Einfluß [übte] zumal auf mich, u. dieser Kampf u. das ringen nach Glauben, u. der Zweifel, hat lebenslange Wirkung auf mein Gemüth gehabt. Allein ich will Herrn Bernstein keine Schuld beimessen, denn er war ein frommer u. gewiß gläubiger Christ. Ich weiß auch sehr wohl wie meine Mutter zu vermeiden suchte daß der Sohn des Hofrath Heyne welcher als ein Spötter bekannt war öfter zu uns kam, welches wohl der Fall war da die Mutter gestorben u.[9] sie, eine sehr geniale u. ausgezeigente Frau, die beste Freundin meiner Mutter war, diese sich immer mit Liebe der 3 Kinder, Ein Sohn u. zwey Töchter, annahm. Der Sohn ward Arzt u. kam bald[?] nach Rußland u. starb in der Krim.

Die Töchter: Therese nachherige Forster, u. dann Huber unter welchen Namen sie auch als Schriftstellerin aufgetreten ist. Diese Therese war auch ein sogenanter Freigeist u. meine Mutter fürchtete den Einfluß auf Lotte besonders, von der sich auch noch ein Brief findet über Therese Huber. – Dann Marianne, verh. Reuß, die sehr liebenswürdig aber eben so launig sein konnte, die später mir sehr befreundet war, u. die mir einen guten mora[li]schen Einfluß haben mußte.

Welcher Meinung u. Glauben meine Mutter war, beweist auch noch ein Zettel von ihr, worin sie mich bittet bei meinen Kindern den Religionsunterricht nicht zu verseumen – u. doch würde sie in iziger Zeit als von meinen Vater angesteckt betrachtet sein, der keinen blinden Glauben hatte. Es reizte auch wohl meinen Dünkel nach einen besonders ausgearbeiteten Hefte nach Vaters Vorträgen unterrichtet zu werden u. der Christenglaube erschien mir nicht so wie er sollte, als nur auf diesen Unterricht sich gründender.

Da H. Bernstein uns auch verließ, bekam ich eigentlich einen sehr seichten Religionsunterricht bei einen Suprindent Luther der eine Mädchen u. Knaben Schule hatte, woraus ich nicht den Nutzen ziehen konnte, wie die welche ihn mit mir genossen, welche ich in allen weit über mir stehend fand, besonders in Schreiben u. Gedächtniß. Denn als ich zum Oberhofprediger Bause in Gotha zum Unterricht kam lernte ich erst bei F[rau] G[eheime] H[ofrätin] Schleger die zehn Gebote u. die Glaubensartikel, u. wär ich öffentlich etwa confirmiert worden so wäre ich vielleicht schlecht bestanden, das war aber in so weit nicht der Fall, da ich, weil mein Rang oder der meines Vaters es mit sich brachte, ich in meinen Stande konnte sitzen oder stehen bleiben u. nicht befragt ward, nur bei der Einseegnung sitzen blieb – allein in den Unterrichtsstunden wuste ich aus mir selbst gut zu antworten was ich mir eigen gemacht hatte. Diese Stunden hatten Carl u. Friederike von Hoff auch, u. daß knüpfte unsere Freundschaft enger. Hoff besuchte mich[10] später in Jena wie ich da zum Besuch war, u. es ist mir schmerzhaft daß dieser Mann ein so unglücklich Ende nahm, durch sich selbst.

Gleichzeitig in Jena kam auch der Pastor Bernstein, wie er meine Anwesenheit hörte u. die meiner Mutter. [Am Rande: Besuch in Jena 98]. Er hatte das Unglück seine Frau wie eins seiner Kinder durch gewaltsamen Tod zu verlieren da der Wagen durch flüchtige Pferde von einer Anhöhe herrabfiel. Ich hätte gerne bei dem Generalsup. Koppe Unterricht gehabt, in dessen Famille ich viel war u. mit ihr von Göttingen nach Gotha reiste, u. wo der nachherige Abt in Lokum Hoppenstett damals Lehrer war, dessen Bruder mir nachher sehr befreundet, u. dessen Briefe ich leider vernichtet habe, wohl damit man keine falsche Auslegung machte – vor meinen ersten Wochenbette.

Der Abt Hoppenstett hielt damals in Gotha seine erste Predigt in der Waisenhauskapelle. Alle seine Gönerinnen u. Freundinnen waren zugegen, u. der junge lebhafte Candidat fiel rein durch, denn er blieb total stecken. Er flog zu Haus u. erklärte gleich den Generalsup. Koppe er würde nie wieder die Kanzel besteigen. Allein dieser antwortete Ihm Sie besteigen sie am nächsten Sontag wieder u. dieselbe Kanzel. Er that es auch, hielt eine sehr schöne Predigt u. ist ein eben so ausgezeichenter Prediger wie beliebter geworden. Später habe ich Ihn in Haarburg wieder gehört u. an seine verunglückte Predigt errinnert.

Nachdem ich confirmirt u. in Gesellschaft eingeführt war, u. mancherlei Menschen, Gelehrte wie Hofleute, u. Damen bei Frau G.H. Schleger hatte vor mir vorüber gehen sehn, manche langweilige Stunde auch gehabt, ehe ich die franz. Sprache hatte verstehen u. sprechen gelernt, auch viele mir junge [?] Bekantschaften gemacht, die bei späteren Besuchen ich erneuerte; besonders in der Frau des Buchhändler Ettinger eine aeltere Beschützerin fand, wie in der Frau des Bibliothekars des Herrzogs, Amalie Seidler vermählte Reichard, aus Weimar, deren Friederich Jakobs mit vieler Liebe gedenkt, u. deren jüngere Schwester die Gattin von Jakobs mir sehr lieb war; ich auch mit u. bei der Frau Ettinger vieler Annehmlichkeiten mich erfreuen konnte; auch noch die Bekanntschaft u. Protektion von Therese Heyne genoß, die ich öfter besuchte wie sie zur Pflege einer Freundin in Gotha war, sehr eng verbunden[11] mit Amalie die bei der Freundin einer Demoiselle Schneider bis zu deren Ende war u. wohl die hohe Freundschaft des damaligen Herzog Ernst, den Freunde des Herzogs von Weimar u. Göthes, war, worüber mancherlei gesprochen [wurde], zumal wie Therese nach engerer Befreundung gestrebt habe.

Sei es nun wie es wolle Therese genoß in Gotha der höchsten Liebe u. Achtung, sonst hätte meine ehrsame Frau G. Hofräthin Schleger auch nicht erlaubt daß ich so oft zum Thee zu Therese hätte gehen dürfen. Mancherlei Besuche von Göttingen wie der von Dorothe Schlözer mit ihren Vater, Marianne Heyne mit Professor Blumenbachs, wie der meines ältesten Bruders von Cassel erfreuten sehr. Die Theegesellschaft, die dabei verknüpften Bälle in Privathäusern, wie eine so gebildete Umgebung, anders wie eine gewöhnliche Pension, machten daß ich in meinen 16. Jahre als ich nach Göttingen zurücke kam u. denn in der Welt erscheinen sollte, ich nicht ganz fremde mit ihr war, ob wohl ich mich öfters etwas unvorsichtig benommen habe. Aber mein lieber achtbarer Freund, der Legationsrath Tatter, wie aus seinen Briefen, von gegen über zu ersehen ist, war mir ein warnender Freund. Ich wünschte ich wäre immer offen gegen Ihn gewesen.

In der Zeit vor meinen 14ten Jahre war in Göttingen die Frau Bethman Hollweg, deren jüngste Tochter den berühmten Hofrath Richter als Arzt brauchte. Diese waren viel in unsern Hause u. besonders die älteste, Sophie, Freundin meiner Schwestern u. der aeltesten Böhmer, ich hatte eine Spielgefährtin an der jüngsten. Zu dieser Zeit war auch ein ausgezeichenter Russe, Herr von Mineradòwitsch, nebst Hofmeister u. jungen Vetter in Göttingen, von dem ich noch ein sehr angenehmes Bild habe, wohl auch weil er wegen seiner feinen Sitten u. Moralität u. Schönheit sehr hoch gehalten ward. Er hatte viel Ähnlichkeit mit meiner Schwester Lotte u. ward von dieser sehr angezogen u. verehrte sie. Der jüngste von ihnen war ein wilder Knabe, hat sich später ausgezeichent u. führte die Kosacken ich weiß nicht mehr in welchen Treffen gegen die Franzosen mit Erfolg, wovon die Zeitungen voll waren.

Auch ein junger Erbprinz von Nassau-Sarbrück mit seinen Hofmeister, war viel in der Zeit in den Haus von Böhmer u. Michaelis[12] u. den ersten. Er war mit einer Prinzessin Monmorency verlobt als Knabe von 4 Jahren u. erzählte sie habe sie [? ihn] auf den Schooß genommen u. gesagt quel jolli garcon. Die Ehe ward nicht volzogen; er widersezte sich dem Willen des Vaters; er verband sich unter seinen Stande. Das Haus starb mit Ihm aus.

Es knüpft sich an die Zeit manche muntere Errinrung, u. Geselligkeit, u. die Freundschaft mit unserer Jugend u. der von Böhmers war für uns alle sehr erfreulich, u. da in der Zeit meine Schwester Braut, eben die aelteste Böhmer mit dem Dohmherrn Meyer versprochen, mein Bruder aus Amerika zurücke kam, viele junge Leute Bekannte der Bruder, so ward der Winter 83 sehr heiter verlebt, u. alle Sonnabend war eine sogenannte Tanzstunde bei uns von 8 Uhr bis 10 Uhr wo die Bekannten zusammenkamen, 12 Paare, u. wo auch die Hofräthinnen Feder u. Spitler mit waren. Am Ende des Winters gab der Vater einen schönen Ball an seinen Geburtstag. Nun ward Er an der Gicht sehr krank u. erholte sich erst in Sommer kurz vor der Hochzeit meiner Schwester mit dem Berg Arzt Böhmer, so daß Caroline dem Vater noch eine treue Wärterin sein konnte. Mein Bruder ging nun wieder auf seinen Posten nach Cassel als Leibarzt, Ich im Herbst nach Gotha, Caroline verheirathet, so blieben Lotte u. Phillip allein zu Haus.

Der Sommer 83 ward auch durch den Besuch der einzigen Tochter, deren Mutter im Wochenbette gestorben, an den Postmeister Fischer in Lüneburg verheirathet war, u. deren Tod meine Mutter als ihrer einzigen Schwester noch immer beweinte u. sie wie wir alle uns freuten, die Verwante einen Sommer bei uns zu haben. Sie war ein sehr ausgezeigentes Mädchen u. so stille sie in den ersten Tagen war, so ward sie nach dem munter, geistreich u. witzig. Sie war sehr von Pocken verdorben, war aber sehr schön gewachsen. Meine Schwestern waren sehr betrübt über die Abreise. Ich sah sie später in Lüneburg wieder, u. nachher noch einmal. Sie war verheirathet aber nicht glücklich. Der Mann starb, u. sie selbst voriges Jahr bei ihren Sohn in Hamburg.

Im Jahre 85 war es ja wohl, darin ist mein Gedächtniß nicht immer treu, brachte mich die Geheime Hofräthin Schleger mit einer unverheiratheten Tochter die in Kloster Winhausen eine Stelle als Chanoinesse[13] hatte u. noch mit Friederike Hartmann aus Hannover, die beide auch während meines Aufenthaltes in Gotha daselbst bei der Mutter u. Tante waren, denn die Hartmann war eine Nichte der G.H. Schleger. Wir machten so zu sagen zwey Paare aus. Ich war unter der alleinigen Aufsicht u. Zucht der alten Dame, die mich wirklich zärtlich liebte u. für mich sorgte. Ich schlief auch bei ihr, so wie die andere, Friederike, unter der Cousine ihrer Aufsicht war. Ich durfte Französisch so viel lesen wie ich wünschte damit ich mich [!] schnell die Sprache zu eigen machte, u. bekam vieleicht zu viel zu lesen. Abends lasen wir ernste Sachen. Deutsch suchte man sich unter der Hand zu verschaffen u. manches Buch ward in geheim verschlungen – was ich nicht billigen will. Die gütige Nachtlampe hat mir oft geleuchtet dazu, u. wenn ich nichts hatte so war Vorrath genug ueber meinen Bette wo ich Weisens Übersetzungen von Julie u. Romeo wie die andern Schs. [Schakespeareschen] Stücke wie die von Ihm selbst zu erst gelesen, von Sturz was ich verstehen konnte. Nachher habe ich Eschenburgs Uebersetzungen gelesen bis später man sich an Schlegels erfreute.

In Gotha nahmen auch die Freundinnen meiner Schwester Caroline sich meiner an, besonders die Frau Gotter. Ich könnte nicht enden wenn ich alles erzählen wolte u. es kömmt wohl manche Errinerung später, u. ich fange wieder von Gotha an, wo ich so glücklich war wenn auch zuweilen die Sehnsucht zu Haus groß war, u. der Tag wo der Bote von Göttingen kam mit Begirde erwartet wurde. Der brachte mir Briefe besonders von Lotte, die mich nach der Heimath zogen u. den Freuden die mir warten würden! Waren es auch immer solche, gab es da nicht auch manches Weh! welches man besonders durch mehr Zutrauen u. eine verschämte Zurückhaltung hätte vermeiden können. Selbst durch Vertrauen u. jugendliche Geschwäzigkeit gegen sogenante Freundinnen oder mit völliger Hingabe gegen den bewährten Freund Tatter. Dieß hätte auch schon in Gotha in Hinsicht des Glaubens u. Zweifels sein können, u. ich habe oft Nächte u. Stunden nicht geschlafen weil Zweifel an dem was mich gelehrt ward stattfanden obwohl ich in Gotha keine Spötterei fand, aber auch, mir nicht klar werdent manches was ich mißdeutete. Was die Gedanken oder der innre Glauben der Frau[14] G.H. Schleger war weiß ich nicht. Sie beobachtete alles Eusere was die Religion heischt u. hat auch oft Abends beim Schlafengehen mit mir gebetet. Aber Zweifelsucht lag wohl schon damals in mir u. hat mich auch nicht verlassen, so wie ich ehender das schlimme wie das gute mir denke.

Mit Freuden und Erwartungen wie sich alles zu Hause gestalten würde reiste ich in Begleitung der Fr. G.H. Schleger, ihrer Tochter u. Friederike Hartmann nach Göttingen im Sommer 84. Diese meine Begleiterinnen besuchten in Katlenburg hinter Nordheim am Vorderharz den Oberamtmann Reinbold, der ein Onkel meiner Mutter war, u. die Frau eine Tochter des berühmten Arztes in Zelle war die Freundin der Damen, wohin auch die Eltern von F. Hartmann kamen, u. sie mit diesen wie der Klosterdame nach Hannover zurücke reiste. Später ist sie wohl nach Gotha gereist denn sie ward an den Juristen Jakobs verheirathet, wie Friederike von Hoff an einen Sohn des Oberamtmann Reinbold, meines Grosonkel. Ich nahm noch herzlichen Abschied von dieser wie ihren Bruder Carl, u. allen Jugendgefährtinnen, wozu ich besonders Doris Boek rechne die Tochter des berühmten Schauspielers so wie die Fräulein von Zigesar, welche ich später in Weimar verheirathet in Schauspiel traf.

Nach dem Begrüßen u. den Liebesbeweisen ging es natürlich zu Dorothea Schlözer und Wilhelmine Walch, welche schon kränkelte. Den Vater verlor sie 83, wie mein Vater so krank an der Gicht lag, u. es war ein Glück daß der alte Walch nicht wie er vor hatte meinen Vater besuchte, denn sonst wäre [er] vor den Bette des kranken Freundes vom Schlage getroffen. Auch in dieser Zeit verstarb des Vaters guter Freund einer der Gebrüder Professor Beckmann. Ich hörte nun von nichts wie der Ankunft der drey engl. Prinzen welche eine Reihe von Jahren in Göttingen verweilten. P. Ernst August war 16 Jahre alt, August 15, u. Adolph 14. In der Sommerzeit sah man sie nur u. wir öfter da sie uns gegenüber wohnten. Auch kam meine Schwester von Clausthal um die F.G.H. Schleger zu begrüßen so wie Generalsup. Dahmes, sie eine geb. Best aus Londen u. werthe Freunde u. Verwante. Da kam der Legationssekretär Tatter, der Instruckter u. Repetent der Prinzen[15] war, schon in unser Haus, um Besuch zu machen. Den Winter sprach man sich schon öfter. Er war der Neffe des Generalsup. Dahme. Diese Art von Verwandschaft brachte näher wie sonst aeltere Männer jungen Mädchen kommen. Von der Zeit kann ich mich aber nicht Bestimmtes errinnern. Näher kam man sich, wie auch seine Briefe zeigen, wie meine Schwester Caroline ins Väterliche Haus zurückkehrte, wo[hin] der harte Verlust des Mannes sie brachte.

Mit den Prinzen kam man nun im Winter in nähere Berührung u. gesellschaftlichen Verkehr. Sie wohnten schräge gegen uns über, so daß man sich aus unserem Zimmer u. ihren Gaststuben sehen konnte. Aber Bäume nahmen diese Aussicht in Sommer. Indessen konnte man in das Zimmer des alten General Malortie sehen mit dem sich später eine Art von Freundschaft knüpfte u. ein freundliches Verstehen. Der Winter wo auch Lotte zu Hause war, [wurde] angenehm verlebt, auch mit Marianne Heyne. Nun vermischen sich aber öfter die Zeiten in meinen Gedanken, indessen die Ereignisse bleiben dieselben. Natürlich machte doch die Gegenwart der Prinzen Aufsehen, indessen wurde doch auser gewissen natürlichen Formen keine Umstände gemacht. Doch die Zeit ihrer Anwesenheit [machte] einen gewissen Einfluß geltend, u. auf Auszeichnung ward doch Werth gelegt. Und blieb auch das Herz bei dieser ungerührt so schwindelte doch der Kopf u. die Eitelkeit ward genährt, u. man legte sich so jung man war eine Wichtigkeit bei u. blieb nicht immer in den Schranken eines jungen Mädchens, u. spielte eine Art Rolle. Der Einfluß von Auszeichnungen von manchen Seiten war Futter für Eitelkeit u. Dünkel, wie flachen Stolz.

Der nachherige König von Hannover Prinz Ernst ist seiner ersten Neigung treu geblieben, es ist kein Ball gewesen wo Er nicht Dorothea ausgezeigt hat u. sie zu Tafel geführt – freilich mußte sie diese Neigung öfter theilen, allein bis zu ihrer Verheirathung wo die Prinzen auch abreisten, war sie die gefeierte Schöne, u. mit recht, schön war sie, klug u. viel Werth legend auf alles was Auszeichung war u. sie hervor hob. So zeichente auch Prinz August die gescheuteste u. treflichste, oder trefliche Marianne Heyne [aus und war] bis er auf Reisen gehen mußte wegen seiner Gesundheit ihr Verehrer u. diese Freundschaft war[16] auch nach Abwesenheiten nicht erkaltet, u. ich glaube daß sie lange mit dem Prinzen in Briefwechsel war, gewiß bis er die Lady Mouray in Rom gefunden.

Prinz Adolph, wohl weil ich die jüngste war, ist mir von Anfang unserer Bekantschaft ein treuer Spielkamerade gewesen u. geblieben. Er war ja erst 14 Jahre alt, es hat sich aber die Jahre wo der Prinz in Göttingen blieb ein gegenseitiges gutes Vernehmen gezeigt u. bei Tanz u. Kartenspiel, wie zu Tafelführen wußte man immer Bescheid. Neckerey gab es eigentlich nicht unter uns obwohl die Moquerie nicht geschwiegen. Doch Vertraulichkeiten nie. Wenigstens sind mir keine geworden u. zu vertrauen hatte ich nichts. Diese Art von Ehrenbezeigungen verwirten aber doch den Kopf u. Sinn der nach etwas Beßren hätte streben müssen, wie eine Ehre darin zu finden, immer von den P. Ad. zu Tische u. Spiel u. Tanz geführt zu werden. Ich habe zwar auch die Partie vom König v. Hannover gemacht, aber mit Scheu. Denn kam der zuerst, so mußte man ihm folgen, denn Er war öfter unausstehlich u. konnte u. mochte einen in Verlegenheit setzen.

Die Prinzen konnten kein Deutsch, es wurde daher Franz. gesprochen. Doch war diß schon im zweiten Winter nicht mehr der Fall. In Sommer wurden sie öfters Sontags in Häuser zu Thee angesagt, aber dieß waren nur gewisse Häuser, u. besonders vom König ausgewählt. Auch unter diesen waren wir, u. so gab es Sommers doch alle 3 Wochen eine solche Gesellschaft wo man um 6 Uhr kam, u. 9 Uhr sich trennte. Die Jugend machte Spiele, die Alten nahmen Karten. Man war immer sehr heiter; geladen wurden schnell Herren wie Damen. Neujahr ward immer bei uns angesagt, wo getanzt ward. Aber sonst haben wir nie Bälle gehabt. Aber wohl bei meinen Onkel dem Oberpost.[?] Schröder, bei J[ustizrath] Pütter u. Herr von Martens, wo immer die größte Heiterkeit herrschte, u. ich kann auch sagen, daß ich mich nie genirt gefühlt habe.

In diese Zeit kömmt auch noch eine neue Bekanntschaft, die uns manchen angenehmen Nachmittag brachte. Diß war die nicht mehr junge, häsliche aber sehr gescheute, erst verheirathete Tochter des Directors an der Schule zu Weimar, Heinze, die einen alten Junggesellen den Buchhändler Ruprecht zum Manne bekam. Gewiß [konnte] man nicht[17] leicht weniger anmuthig sein, u. doch so angenehm wie sie, gebildet u. unterrichtet. Sie war die älteste Tochter aus einer zahlreichen Famille, u. half ihre Geschwister treu durch die Welt, u. ihr Mann der sonst so genau war gab einen jeden derselben eine Unterstützung. Der aelteste Bruder war Professor der Geschichte in Kiel, u. zog auch den jüngsten dahin der ein ausgemachter Renomist war, u. dennoch in Holstein sein Glück machte, indem ein reiches Fräulein v. Blome[?] sich in ihn verliebte, u. er sie zum erstaunen aller heirathete. Er wolte Arzt werden, allein es gelang ihm so besser, da er nichts gelernt hatte. Er ward geadelt u. sein Sohn der Baron Heinze hat eine Gräfin zur Frau bekommen, u. schöne Güter ererbt. Gewöhniglich gingen wir schon 3 Uhr zu unserer Freundin u. schwazten, arbeiteten u. es ward auch oft gelesen. Ein besonderer Magnet war nun ihre jüngste Schwester Christel, ein sehr liebes Mädchen. Ach hätte ich sie immer bei mir behalten. Wir standen auch miteinander im Briefwechsel, dann wurde sie an einen Prof. Grelmann vermählt der ihrer nicht wehrt war, ihr ein Tyran. Sie kamen bald von Göttingen nach Petersburg, u. ich habe keine Kunde wieder von ihr gehabt. Tatter erwähnt eines Briefes von ihr lobend, welchen ich Ihm mitgetheilt hatte.

Im Frühjahr reiste ich 6 Wochen nach Clausthal um meiner Schwester Caroline in zweiten Wochenbette, einer Tochter Therese die erste hieß Auguste, Gesellschaft zu leisten. Der Sommer wie der Winter ging vorüber. Indessen hatte mein Bruder Philipp eine Bekantschaft die uns viel zu rathen gab, weil sie eine unsichtbare für uns war, einen gewissen Carl Große aus Magdeburg, was nach Ihm ein ausgezeichenter Mensch sein mußte. Er war schon Schriftsteller, hatte etwas über das Erhabne geschrieben. Bei diesen brachte Michaelis alle Abende zu. Indessen kam er doch zu Tische u. ging öfters wieder hin. Am Ende machte Er in Sommer ehe auch Michaelis nach Marburg ging, Großen mit uns bekannt, dessen Wesen ehender etwas Zurückweisendes für mich hatte. Er war auch anderer Natur wie die jungen Herrn welche sich um mich versammelten. [am Rand: Doch kam mir dieser erst in Sommer darauf näher wie Caroline zurück kam die ihren Mann verloren]. Doch hatte schon Tatters ernstes freundliches Wesen[18] Einfluß auf mich. Indessen blieb man sich doch ferner bis den nächsten Sommer. Etwas Wunderbares ereignete sich. Ich war einmal schmausend hinter einer Stachelbeerhecke, wie Philip u. Lotte auf der andern Seite kamen u. ich erst zum Scherz mich stille verhielt u. nun hörte daß Ph. sagte: es ist mir unbegreiflich daß Louise nicht merkt wie Große sie liebt – sie wird aber nur da lieben wo sie keine Erwiederung findet. Worauf daß ging ist mir wenigstens jetzt nicht mehr klar; denn obwohl es später hätte Tatter sein können, so war doch mir bei der Bekantschaft gleich klar, die ja erst ward nach Böhmers Tode als Caroline wieder zu Hause kam, daß diese es war an der sein Geist u. Herz hing, u. was bei mir Liebe zu einen aelteren Manne hätte werden können u. gewiß mit den besten Einfluß auf mein ganzes Ich, ward nun hohe u. fürs Leben in allen Verhältnissen bleibende Freundschaft, u. öfter ward ihm nur von meiner Seite ein halbes Vertrauen. Ach er hätte sich wie Große wieder kam nur sich in mein Vertrauen drängen sollen. – Wie ich wieder aus dem Garten kam war G. da u. daß gehörte hatte mich verlegen gemacht, ich behielt es aber in mir.

Michaelis reisten P. Michaelis wie Große weg, u. nun war es, wie es vorher war, nur war meine Eitelkeit gefördert. – Der Winter ging vorüber mit Bällen, usw., mit Ernsten nicht, mit gesucht sein auf Bällen u. dabei sein, zu guten fürs Innre förderte daß nicht. Man legte nur Werth auf Cour machen u. Artigkeiten die einen gesagt wurden. Indessen schwieg auch der Neid[?] wie die Klatscherei nicht, u. es war nicht Leichtsinn was mich bewegte, denn ich war doch eigentlich ernst, aber ich möchte sagen oft [un-?] überlegte Unvorsichtigkeit, die mich beherschte u. wogegen ich auch noch zu kämpfen habe, daß ich öfter sage u. mittheile was u. wo ich verschwiegen sein müßte.

Der Winter war eben am Ende als uns die schreckliche Kunde vom Harz kam daß mein Schwager von Nervenfieber befallen. Caroline war wieder schwanger mit den 3. Kinde. Der Arzt der hinauf fuhr nahm einen Jungen mit, allein am dritten Tage wie er kaum wieder in G: war, kam auch der Bote des Todes schon. Meine Mutter fuhr nun nach Clausthal mit den Sup[erintendenten] Luther u. holte Caroline. Welch ein Wiedersehen! Sie war nun wieder bei uns.[19]

Bei uns wohnten damals im Flügel v. Arenswald, nachheriger Kurator, ein sehr häslicher aber Geistreicher u. gebildeter Mann, den man öfters sah. Wie auch Rudlof, dessen Familie uns bekannt, u. der sehr öfters kam, auch wenn wir Sonntags Mädchen[?] bei uns hatten [u.] nicht in die Assemblée gingen. Als urbescheidener junger Mensch kam er dann auch wohl eine Stunde, u. man war mit ihm bekannter ohne Ärger[?] und Neigung gegenseitig.

Die Wiederkunft der Schwester mit zwey kleinen Mädchen brachte Trauer wie Freude an diesen. Natürlich war die Schwester sehr herrunter, aber kräftig an Geist war man nicht durch weichliche Hingebung erschüttert. Die kämpfte u. erlag nicht. Der Sommer kam u. mit ihm wieder der Besuch von Generalsup. Dahmens von Clausthal, ihr so liebe Freunde u. Verwante. Mit diesen kam uns auch der Legationssekretär Tatter näher, u. ward mit uns allen 3 Schwestern befreundet. Mir ein Warner u. Freund, so lange wir mitsammen lebten aber auch noch ferne u. ferner, u. spät bis er nach Rußland als Legationsrath mit Graf Münster kam mein Corespondent, wie auch die Briefe beweisen, die wohl werth sind gelesen zu werden. Hätte ich nicht das Gefühl gehabt, u. der Unterschied der Jahre zu groß gewesen, daß er mehr von Carolinen angezogen wie von meiner Wenigkeit so hätte eine höhre Neigung eine andere von seiner Seite zu mir, den besten Einfluß auf mich gehabt. Alle kindische Eitelkeit u. Hang gefallen zu wollen hätte mich nicht so öfters zu Thorheiten verleidet, u. wäre mein Vertrauen in unser Verhältniß nur kein halbes gewesen, wie schon der folgende Winter bewieß. Denn in diesen war es ja wohl, aber darin bin ich etwas vergessen, daß Caroline zu meinen Bruder nach Marburg zog, u. Lotte ihr zum Besuch den folgenden Winter folgte. Alles diß fällt in die Jahre wo die Prinzen in G. waren u. mit ihnen Tatter. Philip war auch in Marburg u. Mainz, u. ich nun allein in Väterlichen Hause. Ich hatte Tatter zur Seite, u. eine Freundin hatte ich eigentlich nicht, eine rathende leitende. Was die Mutter betraf so war sie wiederum bei einer gewissen Nachsicht zu strenge u. Vertrauen war nicht. Ich weiß nicht mehr wie es war, aber ich glaube Philip schrieb Carl Große würde kommen, er solle gut aufgenommen werden u. da er in der Zeit viel gelitten, gewonnen[20] u. verloren hätte, besonders nie darüber mit ihm geredet werden. Michaelis komme er ja selbst wieder. G. sei jetzt Marquis. Er habe da hieß es an den Ufern der Brenta sich verheiratet mit einer sehr reichen Frau, die gestorben, u. deren Verlust ihn reich gemacht. Er habe sie beerbt. Allein er wolle noch nicht mit seinen vollen Namen auftreten. Er nenne sich nur Marquis Große nicht auch Graf von Vargas. Wie groß die Erwartung war weiß ich eigentlich nicht mehr deutlich. Ich ward denke ich 18 Jahre. Ich weiß auch nicht ob nicht ein Brief von Philipp, ob an mich oder Mutter mit ihm kam, er ihn schickte u. genug Große kam – – ich war den Tag beängstigt, u. ahndungsvoll. Ich war allein im Zimmer als er kam, u. hatte ihn aber durch die Allee dem Hause zu kommen sehen. Sonst war er ein schlichter junger etwas finsterer Mann, mit durchdringenden Auge. Jetzt sah ich einen Mann in einer grün mit silber Uniform, gelb gefüttert, ich glaube auch Degen. Es war wie er sagte, Stolbergsche Hofuniform? Dazu hatte er ein Malteserkreuz auf der Brust – mir noch unbewust, möchte ich sagen. Sein kommen, sein mich begrüsen, es war als wenn man sich nach Jahren Trennung wieder fände. Ich begreife auch noch nicht. Hatten mich die Worte er liebt Louise bestochen, die Jahre eine Neigung im innren genährt, troz aller Vermahner? genug, meine Mutter fand uns, in der größten Bewegung, u. es konnte ihr nicht verborgen bleiben. Ob er es nicht würde gewünscht haben, weiß ich nicht denn nach Jahren ist ja in meiner Seele erst Zweifel geworden ob er mich wirklich je geliebt hat. Aber warum u. zu welchen Zwecke diß alles? Wie konnte diß in seine Pläne passen, wenn er welche hatte. Wie konnte alles erdichtet sein. – Er sagte sogleich meiner Mutter ich wolle die seinige sein. Sie möchte mit dem Vater reden, aber alles müsse ein Geheimniß sein, dieß heischten Famillien-Verhältnisse –? Er ging u. kam, man ging mit ihm Spazieren, nichts ungewohntes, er war der Freund des Bruders. Der Vater gab seine Erlaubniß, allein bis er sich öffentlich erklären könne, solle alles ferner bleiben. Man liebte sich, man sah sich aber selten allein. Ich war glücklich. War es auch daß romantische was mich zu ihm zog, oder war es eine gewisse Gewalt die er erlangte, die mich[?] ihm ganz ergab, daß ich auch gegen Alle kalt u. verschlossen war.[21] Über die Art der Verbindung zu keinen ein Wort. Villeicht selbst nicht zu Lotte in Briefen. Mit Philipp habe ich eigentlich nie über die Sache gesprochen, wie er kam auch nicht. Leider nie in der Zeit mit Tatter, wo dessen Rath mir so gut gewesen. Ich war aber im Garn, u. liebte er mich wirklich, u. das muß doch sein, denn wozu sonst das Spiel?? Genug ich war in seiner Hand, ich fürchtete ihn, u. mir kam auch alles was er sagte wieder wie unglaublich vor, u. er sprach auch über diese Zeit wie durch einen Schleier den er nicht lüften möge u. könne u. konnte oft gedankenvoll vor sich hin blicken. [Am Rande:] Auf seinen Karten laß man Marquis Grosse, später nannte er sich Graf Vargas.

So verging der Sommer. Michaelis kam zurück, u. war nun wieder wie sonst alle Tage mit Grosse. Dieser hatte auch seine alten Bekannten, Richter wie Blumenbach begrüßt u. machte öfter Besuche da. Aber zu den Prinzen ging er nicht, u. man kann denken wie sie fragten. In den Winter war auch Prinz August öfter bei uns den Abend von 6 bis 8 Uhr. Der Prinz August war kränklich u. es war eine große Auszeichnung u. Vertrauen, die Erlaubniß zu haben den Abend mit uns zubringen zu dürfen, u. wir waren das einzige Haus auser bei meinen Onkel Schröder, wo auch die Gemalin des Rittmeisters Linsingen, eines Verwanten von Mutterseite wohnte wenn sie nach G. zum Besuch zu ihren Mann kam, eine Tochter des Ministers von Wenkstern. Sie speiste dann bei den Prinzen mit.

Grosse hat der Prinz aber nie gefunden. Wie das kam weiß ich nicht, denn täglich kam Grosse, u. schrieb mir auch oft u. wie! Als wenn nichts uns trennen würde u. könnte. Die Prinzen fragten ohne Unterlaß nach G.u. öfter nicht fein. So aber nie August H[erzog] von Suseks. Lotte kam nun auch zu Hauß. Es hatte sich Bürger mit der Elise dem Schwabenmädchen vermählt, die in den ersten Jahren ohne Makel aufgetreten, u. mit den Spittlers, Richters u. so in engen Verkehr waren. Hier gingen auch wir hin, u. in dieser Zeit besonders Lotte, die da Dieterich kennen lernte, dessen Vater aber erst 91 die Heirath zugab. G. war sehr artig gegen Lotte ja er schmeichelte ihr, u. hätte ich nicht gewußt, in welchen Verhältniß sie gestanden so würde mir die Art, wie[22] er gegen sie war, Zweifel gegen ihn erweckt haben. Täglich aber sah ich ihn. Allein täglich auch Briefe. Nun ging auf einmal das Gerücht G. sei ein Aventurier, nicht was er vorgebe. Geld hatte er übrigens, aber er war doch genau. Er hatte auch einen Bedienten. Hat in der lezten Zeit wo er in G. war, doch auch mancherlei Art Verkehr mit wunderbaren Menschen [gehabt], wie Mädchen wie Männer, was ich später hörte. Ich ging nach wie vor auf Bälle, wo er auch hin kam ein paar Stunden. Er tanzte nicht, war mir aber doch öfter nahe – aber man war doch nicht mit einander wie wenn man Anspruch an einander machte. Warum konnte mein Bruder nicht mit mir reden? Warum hatte ich nicht den Muth von meiner Seite? Wohl weil damals schon G. alles Vertrauen in die Meinen mir nahm, ja gering von ihnen sprach, mich zu entfernen suchte; u. wiederum warum, er hätte alles von mir haben können, ich würde ihm gefolgt sein blind, so hatte er mich umgarnt, aber auch nicht die leiseste Versuchung von seiner Seite, liebevoll oder nur verlangend, auch als ich einmal unvorsichtig gewesen. Er sagte [wenn] Phillip daß wüßte1, ich könnte mir eine Pistole durch den Kopf schießen.

Doch ich will nicht vorgreifen. Genug es ward von Schlözer meinen Vater zugeflüßtert von Betrug u. so. So kam auch meiner Mutter Bruder u. sprach über G., besonders der Stadtsekretär der öfters im Postcomtoir war. Ob auch der Postmeister darüber gesprochen, ich weiß es nicht. Ich hörte eigentlich nichts darüber u. nur daß mein Bruder ganz für G. war, daß er sich mit meinen Onkel wegen der Verleumdung hatte schlagen wollen u. sie Feinde waren. G. sagte seine Briefe würden untersucht. Er kam nicht mehr. Er schrieb mir aber alle Tage, u. hätte meine Mutter gewollt so hätte sie diß wissen können. Ich solle mich an ihm nicht irre machen lassen. Er war gegen die Meinen mich einzunehmen, mich zu isoliren bemüht; ich stand allein. Nun ward mir ein Brief gegeben von Groß' Mutter, der Hofräthin Grosse in Magdeburg. Mein Vater hatte wohl geschrieben an sie u. daß ihr Sohn mich angesprochen,[23] sich bewerbe. Sie schrieb, diße Verbindung würde sie für ein großes Glück für ihren Sohn halten, denn nun würde er ja von seinen umhertreibenden Leben zur Ruhe kommen.

Hat nun mein Vater gegen G. sich geeußert, mir ist nichts bekannt; allein Michaelis mußte doch auch nach G.['s] Schreiben glauben, es sei auch zw. uns alles aufgehoben. Ich bin ihm nur einmal Abends auf der Straße begegnet, u. einmal zum lezten Male habe ich ihn eben bei der Bürger gesprochen. Was er mit dieser beredet – geredet habe ich nie mit ihr über G. – diß zeigte mir daß er diese intrigante Frau kenne, der Phillip u. wie die cour machte, der früher hätte über sie sprechen sollen u. nicht erst wie ihr Ruf hin war. Diß war er seiner Schwester schuldig. Nachdem merkte man es, daß Er einer der unzähligen Liebhaber war, erst ein Jahr später.

G. sagte mir nun er verlasse Göttingen, ich solle mich von nichts irre an ihm machen lassen, ich sei sein, er betrachte mich als sein Weib. Er würde so bald seine Angelegenheiten es heischten, mir schreiben, bisweilen aber einen Brief den ich zeigen solle (durch Einschluß), sonst würde er mir schreiben was ich thun solle. Diese Briefe blieben aus, aber wohl kam einer aus Bremen, in welchen er schrieb, da mein Vater sich gegen ihn ausgesprochen gebe er mich frei, u. er würde schreiben wenn er alle die gegen ihn aufgebrachten Verleumdungen beseitigen könne, woran ihn jezt noch Famillen-Verhältnisse verhinderten. Daß ist das lezte was ich von ihm hörte. Ich wußte nicht was ich glauben sollte. War alles Betrug, war es gegründet? Seine Liebe. Warum, zu welchen Zweck dieser Betrug. Hat Michaelis noch in Verkehr mit ihm gestanden? Briefe von Grossen hat seine Mutter vernichtet, da sie meinen Namen öfters erwähnt fand. Nie habe ich aber in einen Verhältniß mit ihm gestanden, was mir nachtheilig sein könte, ich bin rein aus demselben gekommen. Aber der Keim zu den Mißtrauen in die meinen war gelegt, u. selbst mit Lotte u. Dieterich habe ich eigentlich nie gesprochen, nur daß auch dieser ihr sagte was die Menschen über den Grafen Vargas sagten, daß er ein Betrüger sei. Er kann eben so sagen, er habe mich verlassen, wie mein Vater, er habe sich seine Bewerbung verbethen. Wie ich in Hamburg 91 war glaubte ich Groß zu begegnen,[24] allein er sah mich wohl nicht – u. wohl mir. Mir verging fast die Besinnung, u. ich muß Gott danken, denn da allein [am Rande: 1790 in Hamburg ohne Schutz bei meine Verwanten], was hätte aus mir werden können – u. wohl mir daß diß Gefühl in mir war – u. ich Ihm nicht mehr vertraute, wie auch meine Liebe Furcht war vor ihm, der mich beherrschte.

Ich kehrte mit Vertrauen zu Tatter zurück, daß heißt er nahm mich u. mein halbes Vertrauen gut auf. Er ist mir zur Seite gewesen, u. hat ohne über das eigentliche zu reden, mich vor Verirrungen zu warnen gesucht. Leider mußte man sich trennen, denn den Sommer reiste er mit den Prinzen nach Hannover. Von da aus hatte ich oft Briefe. – Lotte war nun mit Dieterich versprochen, aber Er noch immer im Kampf mit dem Alten. – Mein Vater kränkelte, ich lebte stille. Man spazirte, man fühlte sich leer, u. die Gedanken wie das Gemüth waren bewegt. Es fand sich was mir Herzensbeschäftigung hätte geben können, allein ich hatte kein Herz dazu, obwohl ein Scherz u. eine Unbesonnenheit die Gelegenheit zu der Bekanntschaft gab, u. ich meines Vaters lezte Tage noch hätte beglücken können wenn er mich versorgt gewußt. Allein ich fühlte mich nicht frei. Es konnte ja Kunde kommen von Ihm, der mich zwar öffentlich frei gegeben, aber ich hatte sein geheimes Wort noch.

Es war in Sommer 1891[!]. Wir, Lotte, Marianne Heyne u. ich spazirten u. daß nach der Papiermühle, einen romantischen Ort, wo auch wir Mädchen öfter allein gingen u. ein stilles Pläzchen wählten, an der schönen Quelle unter den Bäumen, die sich in den engen Raume[?] um das Wasser, u. die Mühle nach der Quelle in dem Kessel herauf streben. – Wir waren ganz allein nur sahen wir den Dichter Buterwek sich nicht weit von uns setzen, einen Mann, nicht mehr Jüngling. Er hatte eben den Graf Donamar gesch.[rieben] hatte den jungen von Berlebsch als Lehrer begleitet u. [war] wie die Welt sagte der beglückte Liebhaber der F.v. Berlebsch gewesen. Ein kleines blondes blauäugiges Männchen, etwas mager[?] u. verlebt. Er war viel mit Bürger u. war der Hofmeister von einen jungen Herrn von Westphal aus Braunsch. Wir drei hatten kein Geld bei uns um den Kaffee bei dem uns sehr wohl bekannten Müller zu zahlen. Ich weiß nicht wer u. wie man auf den Gedanken[25] kam sich von B. Geld geben zu lassen, u. er sollte es von Bürger wieder erhalten – genug dies reizte mich, ich sagte ich wolle ihn ansprechen. Unglauben von Lotte u. Marianne. Ich machte einen Weg um seinen Sitz herum u. wirklich wie ich vorüberging steht er auf u. grüßt sehr ehrerbietig u. ich rede ihn an u. sage ihm mein Verlangen. Natürlich war er bereit. Nur eine Bedingung habe er. Ob er sich zu uns setzen dürfe. – Die Bekantschaft ward gemacht. Geistreich, gebildet wie er war, welterfahren, hatten wir eine angenehme Stunde. Das er zu Pferd war verhinderte uns, sehr lieb, eine Begleitung. Er suchte nun die Bekantschaft fortzusetzen im Hause. Mir war es unerwartet, wie mir die Bürger [davon sprach] mit der ich eigentlich auf einen nicht nahen Fuß gestanden. Obwohl sie sich in mein Vertrauen einzudrängen suchte, so hatte ich doch durch allerlei Dinge[?] gemerkt daß sie nie gewesen u. war ein ehrbares Mädchen u. Frau. Michaelis ging nun auch auf Reisen u. er selbst sprach nun gegen die B.u. man suchte sich los zu machen. – Die B. sagte allso ich habe eine Eroberung gemacht, Butterwek sei von mir bezaubert, er hätte ein Sonet, das Mühlthal gemacht, er sei mit einem Wort verliebt u. habe ernste Absichten. Ich war überrascht. Er sei den Morgen nach Pirmont geritten wo die Berlebsch sei u. der Herzog von Weimar u. da er nicht ohne Titel um mich werben wolle solle sie den Herzog um den Rathstitel bitten, den er auch erhielt.

Zwey Tage darauf war ich Nachmittag bei der Bürger mit Lotte, sie war in Wochenbette gewesen, als mit einen Male wer herein tritt? Buterwek. Ich war sehr verlegen. Was er sagte hörte ich nicht recht, denn ich hatte mich in der Vorstube ans Fenster gestellt was in einen Garten ging, als B. mir folgte u. sein Wort u. seine Liebe in überschwänglichen Ausdrücken mir anbrachte. Daß ich ihn nicht liebte fühlte ich nur allzu wohl, eben wie daß ich mich nicht frei fühlte – u. diß war auch was ich ihm sagte. Die Sache komme mir so unerwartet. – Ja er verlange auch nicht gleich Entscheidung, ich solle ihm nur erlauben sich um mich zu bewerben, er wünsche auch ich solle ihm nicht gleich antworten (obwohl er es gerne gehabt hätte). Ich war poetisch genug u. albern ihn nicht gleich abzufertigen u. ich sagte ihm eben nochmals ich fühle mich nicht frei. Wenn er sich mit meiner Freundschaft[26] begnügen wolle so sicherte ich ihm diese zu – daß war Halbheit. Von Ihm war nun stetes Dringen, u. es gab manche Gelegenheit, ihm schriftlich zu antworten, u. ihm zu sagen, daß eben ein Benehmen gegen eine Sängerin die er gegen Studenten in Schutz nahm, nicht geeigent sei, Vertrauen in seine Gesinnung gegen mich zu fassen [am Rande: 1791]. Ich wolte ich hätte die Antwort darauf noch, wie auf meine erste Antwort, wo die Gegenantwort von ihm anfing »Dank! flammender Opferdank«. Diß war nicht für mich die ich ohne Neigung war.

Nun starb mein Vater. Caroline kam um ihn noch zu sehen. Die Ferien traten ein u. mein poetischer Anbeter u. Freund reiste nachdem er an meinen Geburtstag mir noch beiliegende Sonette in Geheim u. offen den Nachmittag in Mühlthale gegeben hatte, nach Braunsch. mit seinen Kleinen[?] wie er schrieb, der nicht ahndete. Wohl that er das, was sein Herz bewegte. Er schrieb aber mit solcher Sicherheit, als [ob] er schon mein Wort [hätte], daß ich den Brief weg warf u. mich in den Entschluß wendete mit Caroline zu reden. Ich wolte nicht den Vorwurf haben eine villeicht gute Partie weg zu werfen – aber ich hatte keine Liebe u. Achtung doch auch nicht, u. wie bald konnten seine Flammen zu tauben Kohlen werden. Caroline war gegen die Partie. Sie sagte ich sei zu jung mich in der Umgebung u. Verhältniß eines Mannes ohne Liebe zu geben, der eigentlich auch in Hinsicht der Frauen keinen guten Ruf habe. U. welche Aussichten eigentlich? Berühmt ward er erst später, u. es würden Jahre vergangen sein, u. seine Liebe sich gewendet haben. Ich antwortete daher gar nicht u. ließ ihn nur wissen, eben wie mirs ums Herz sei, u. daß ich ihn nicht betrügen wolle, kein Herz zu der Heirath hätte, u. es für unwürdig halte ihn länger hin zu halten, usw. Er kam zurück u. so liebend wie er ging, nun haßte er mich, u. sprach diß wohl laut genug aus denn der Herr v. Schulte, jetzt berühmter Minister in Hanover, ein falscher Mensch für dem u. dessen Moquerien ich mich fürchtete u. böser Zunge da er alles um mir peinlich zu sein benuzte u. mich lächerlich zu machen strebte, ein Freund von Butt., sagte mir warum ich B. so beleidigt hätte. Er mahnte mich noch zur Wendung, u. sagte mir zulezt er hasse mich jezt eben wie er mich geliebt habe, u. zerreisse dies Sonet auf das Mühlthal[27] u. habe mirs gedichtet – ich habe ihm ein Notenblatt zurück gegeben wo aus Zufall ein kleiner Dintenfleck gekommen, er habe nun eins gemacht dessen Ende sei: denn warlich ihre Liebe wäre ein Fleck auf meiner Ehre. Daß ich ihm nicht antwortete versteht sich. Caroline ward bei Böhmers viel geplagt auch von Siebolds den Freunden von Buttw. Sie habe mich zum Nein verleidet usw. u. wenn sie nur auf mich wirken wolle so könne alles gut werden – es war aber besser Nein zu sagen, u. keine Schritte entgegen zu thun. Mit der Bürger die auf den Winter ihren Mann verließ, völliger Bruch daß liegt[?] alles aufgehoben – sie glaubte mich da sie doch für B. strebte warnen zu müssen da sie mich gefärdet glaubte daß ich nicht frei sei. Ich habe sie nie wieder gesprochen u. sie in Kiel vermieden, als unwürdig. B. sah ich später, wie ich als Frau in G., er noch frei. Er war freundlich u. hatte alles Böse vergessen so ihm von mir damals wie ... [unleserlich] ward.

Wie viele ausgezeichente Männer hat man nicht kennen lernen die sich in G. gebildet haben. Es wird nicht leicht ein Name sein von denen welche ich nicht mehr oder weniger gekannt habe, oder die mir nicht durch irgend eine Anecdote bemerkungswürdig schon damals wurden. Jezt u. in den lezten Jahren giebt es kaum eine Zeitung, ein gelehrtes Blatt in dem ich nicht das Hinscheiden eines Bekannten finde u. dabei an mein Alter errinert werde. Zu der Zeit u. auch schon früher hat August Wil. v. Schlegel uns nahe gestanden. Er war es auch der Bürger bei uns einführte, wie einen jungen sehr ausgleichenden, obwohl an Grundsätzen sehr leichten [Mann], aber schön u. liebenswürdig, dem Schlegel auch damals ein Lobgedicht machte, was er aber später nicht hat wieder drucken lassen. Er hieß Fölkersahm u. war ein großer Verehrer von Dorothea, wo er auch einmal ein Gedicht machte, sich vertheidigte, ein gelehrtes Mädchen sei wohl ein Gegenstand der Liebe.

Caroline blieb nun den Winter in G.u. es ist auch natürlich daß dadurch unser Cirkel belebter wurde. Vater starb bald nachdem Caroline kam. Dieser war aber ja immer in seinen Zimmer u. genirte nie. Nur mußte man um acht Uhr abends bei Tische sein, u. da diß jeder kommende wußte, entfernten die Besuchenden sich von selbst. Jezt kommt[28] man erst um acht damals um 6 Uhr. Selbst Prinz August entfernte sich immer um acht. »Nun kömmt Ihr Vater u. will zum Essen.« Die P[rinzen] tafelten um halb 9 Uhr wo Abends besonders die jungen Leute geladen wurden die sich beim General gemeldet hatten. Auser P. August der doch wöchentlich kam, ist P. Ernst von Hannover nur einmal mit Tater bei uns gewesen, u. da sagte dieser ich habe nicht länger ausweichen können. Er sagte er wisse nicht warum nur August dürfe. Man sieht daraus in welchen Ruf er eigentlich schon damals war. Es war immer eine kleine Furcht, u. seine Unterhaltung war öfter so daß man nicht verstehen mochte was er sagte. Adolf war ein paar Male da, allein den unterhielt das wohl nicht allein. August war mehr, u. die Unterhaltung nicht blos Spielerei. Ein Cavalier begleitete sie stets: aber spaziert ist man oft zusammen wenn man sich auf den Wall begegente wo man hin u. her ging. So auch nach der Papiermühle alle Jahre einen Morgen früh – in kleiner Gesellschaft – die große jährliche Waldpartie ausgenommen, wo hunderte von Menschen einen Tag lagerten, u. sich vergnügten u. auch in Freien getanzt ward.

In den Winter 91 war auch eine sehr liebenswürdige Frau in G., die Gräfin Biron mit ihren Gemahl u. Lezai Mangnesia nachher Präfekt in Strasburg der recht eigentlich in G. den Wissenschaften oblag. Diese sah man viel, ich auch noch oft wie Caroline in Frühjahr wieder nach Marburg u. von da nach Mainz reiste. Birons sind später wieder nach Frankreich gegangen. Sie führten wohl nur einen von ihren Namen u. oft habe ich gedacht Er sei der Duc de Biron.

Unser großes Haus mußte [machte?] da wir auch das Vorderhaus vermieten mußten u. das an Studenten, das da bleiben zu wieder. Lotte ward nun verheirathet u. ich beredete Mutter den Plan einer Reise nach Lüneburg zu ihren Schwager, ihrer einzigen verstorbnen Schwester Mann, deren Tochter aber noch lebte, zu reisen, wo wir auch einen Theil des Sommers zubrachten. In Hannover angekommen, kam gleich Tatter zu uns, u. der alte gute General Malortie, mein guter Väterlicher Freund, dem zu gefallen ich so oft ans Fenster ging wenn ich ihn die Allee herrauf kommen sah. Er war sehr stark, u. ruhte sich gerne u. blieb immer stehen, unter unsern Fenster um sich zu ruhen u. zu unterhalten. In[29] den ersten Jahr nannte er mich nur Backfisch. Ich konnte ihn immer aus meinen Zimmer über den Hof u. die Straße sehen, u. wir begrüßten uns gewöhnlich wenn ich mich zum essen setzte wo wir uns sehen konnten. Sein Sohn war ein guter junger Mann, aber nicht der Vater der auch Original war. Ich habe ihm viel zu danken, u. manchen Fingerzeig mit Dank aufgenommen.

Ich weiß nicht ob ich es erwähnte. Wir tanzten eine Quadrille. P. Ernst mit der Schlözer mir gegenüber. Dieser machte ihr sehr den Hof, u. es setzte Malortie wie v. Linsing wohl etwas in Sorge. Sie standen hinter mir, ich höre daß der alte M. zu v. Linsing den Pr. Vers von Lafontaine sagte: ich will lieber eine Herde hüten als einen jungen Menschen, dem das Herz zum ersten Male spricht. In dem Moment sehe ich mich um, u. der Alte mich an. Ich lächelte natürlich. Er drückte den Finger auf den Mund u. schüttelte leise mit dem Kopf. Ich wußte u. fühlte daß ich zu schweigen hatte. – Es war ein sehr angenehmes Verhältniß mit dem Alten.

Der gute Alte also kam auch Mutter u. mich zu besuchen. Die Prinzen Ernst u. Adolph hätten es gerne gethan – August war in Pisa oder Hieres [Hyères] – aber das war gegen hanöversche Sitte, daher sagte Tatter nach Tafel würde er Mutter u. mich abholen, um nach Herrenhausen zu fahren, da würden P.E.u. Ad. auch sein. Die schöne Fontaine sprang. Herrnhausen wurde gezeigt. Allein, ich weiß auch nicht was ich sah, denn nach eines Jahres Abreise war so viel zu fragen von ihrer Seite, so viel zu erzählen von meiner, daß die paar Stunden vergingen, mit Fragen u. antworten. Den Abend war Erleuchtung eines Gartens bei Hanover, wo ich mit Böhmers hinging. Da kam Prinz Adolf auch, u. da habe ich ihn zum lezten Male gesprochen. Geschrieben habe ich später an ihn um mich für Ad. Michaelis zu verwenden. Er ließ mir gleich antworten, that es aber nicht selbst! In Lüneburg verlebte ich sehr angenehme Zeit, u. nun reiste ich mit Mutter nach Hamburg, wo ich gleich zu bleiben dachte, oder in Hannover oder Zelle, denn nach G. wolte ich auf keinen Fall in das von Studenten bewohnte Haus, wenn es auch nur 2 oder 3 [waren], die die theure Wohnung bezahlen konnten. Unten uns nahe war Hans v. Bülow der nachherige hv. Minister,[30] allein den kannte man, u. er zog eben darum auch wohl ein. Er war übrigens ein vortreflicher Mensch.

In Hamburg waren wir bei meiner Mutter verst. Bruders Frau, Postmeisters bei der hv. Post. Mutter hatte sich mit für ihn verbürgt, u. war besorgt für ihr Geld, die Frau wie Er keine gute Haushälter. Man fand es für gut, mich als eine Art von Aufsicht da zu lassen. Die Tante hatte gar keinen Umgang. Allein ich wohnte nur da, u. war u. theilte alles mit Dr. Meyers, sie eine geb. Böhmer, Schwester meines verst. Schwagers. Bei diesen war ich gewisse Tage der Woche, u. sie nahmen mich mit aus. So machte ich die Bekantschaft von Klobstock Büschings Reimarus Voigt. Dann war ich bei Senator Meyer, dessen liebenswerthe Gattin meine sehr theure Freundin ward wie die aelteste Tochter. Wo diese geladen wurden mußt ich sie begleiten als sei ich im Hause, u. war durch sie in die besten Geselschaften eingeführt u. nun geladen.

In November verliß meine Tante Hamburg u. ich sollte zu Senator Meyers ins Haus, da aber der Sohn die Stube noch hatte ging ich so lange in eine Pension, bei der nachher so unglücklichen Rüsau, welche mit ihren Kindern von [ihrem] Mann ermordet, der ein so strenger Vater, ein so rechtlicher Mann war. Unbegreiflich, u. die Nachricht erschütterte mich so daß ich gar nicht sagen mochte ich habe 6 Wochen bei den Leuten im Hause gelebt. Alle Tage war ich übrigens mit Meyers beiden oder bei Fauche. Er Buchhändler der eine sehr artige Frau hatte, mit welchen ich auch in April bis Zelle reiste, Er auf die Messe u. sie zu ihren Vater den General v. Schwigel. Ich logirte ein paar Tage bei Generalsup. Dahmens die nun in Zelle waren, u. fand deren Schwester die Hofräthin Feder da, mit der ich über Hanover nach G. zurück reiste.

Der Aufenthalt grade in den Jahr[?] 91 u. 92 war sehr interessant, u. die Briefe welche ich von meiner Schwester aus Mainz mittheilen konnte erregten das Interesse von Sieveking wie Voigt u. aller Freigesinnten. Leider erhielt ich ehe ich mich von meinen so lieben Freunden Meyers trente – bei Senators war ich nun schon lange im Hause – die sehr betrübte Nachricht von meiner Schwester Lotte Dieterich Tode! Schrecklich, für mich, für meine Mutter zu der ich nun eilte. Doch[31] später dankte man Gott für ihr Hinscheiden. Sie durfte nicht erleben die zum Verderben sich wendende Änderung ihres Mannes, der – nachdem er bald zwey Jahre vernünftig u. ruhig mit uns lebte, sein Kind bei meiner Mutter, dann sich mit Janette Fridheim in Gotha nach dem Wunsche seines Vaters vermählte, einer treflichen Frau, meiner sehr lieben Freundin – in alle Wüsteneien des Lebens verfiel. Lotte hätte nie die Kraft von Janette gehabt, u. hatte auch die Gabe des Wirkens nicht u. den merkantilischen Geist. Gott hat Beide zu sich genommen, Lotte vorher, u. die gute Janette nachdem sie für die Kinder gewirkt hat, ist an ihren Leiden gestorben, die Töchter mir sehr geliebte Nichten geworden u. sie halten viel auf mich. Gott hat den Vater ruhig sterben lassen u. ihm vergeben seine Schuld, u. so auch ich den Kummer den er mir gemacht hat in Leben, obwohl er ein ergebner Schwager war. Die kleine Lotte habe ich als Lottens Kind wie mein eigen geliebt, wie sie bei meiner Mutter war. Wie wir G. verlißen kam sie zur neuen Mutter, starb aber bald, daß viel geliebte schöne Kind, kaum zwey Jahre alt.

Ich kam also nach G. zurück. Meine Mutter hatte eine kleine Wonung an der Allee unserem Freunde u. Verwanten Gräzel[?] gehörig. Angenehme Lage, freie Aussicht. Eigen hübsch Zimmer, Mutter auch vereint mit alten Bekannten. Aber Lotte gestorben. Die Köhler u. Dieterichs Mutter hatten mich lieb. Christel der Köhler Tochter kam alle Tage zum Unterricht in Sticken. Marianne Heyne ward mir nun eine sehr liebe treue Freundin in dem Jahre daß ich noch in G. war. Dorothee Schlözer war an Senator Rode vermählt, ich war ehe ich nach Hamburg reiste auf der Hochzeit. (Das Hamburg was nun in der Asche liegt [am Rand: 8. Mai 1842]. Mein Gott welch ein trauriges Geschick). Eben erfahre ich das der alte aber beste reichste Theil der Stadt dahin – was wird das für Bankerotte hervorbringen.

Eine Bekantschaft dieser Zeit ist mir eine liebe geblieben u. hätte mir eine sehr theure durchs Leben werden können allein der Himmel fügte es anders. Der Dr. Hoppenstedt, der in der Zeit den jungen Nieper, Enkel vom alten Böhmer, leitete u. auch für die Fakultät arbeitete, war diese Bekantschaft. Er war mir ein sehr lieber Freund. Ich merkte bald, wolte aber nicht darauf achten daß ich ihm mehr war,[32] daß er eigentlich mit seinen ganzen Ich an mir hing, ich kannte aber seine Lebhaftigkeit seine Vorlieben u. seine Vorurtheile. Er wohnte bei Böhmers im Hauß, die alten lebten noch, u. die unverheirathete Tochter Phillipine bei ihnen, ein sehr gescheutes u. kluges wie gebildetes u. vernünftiges Mädchen, mir auch früher Gespielin u. jezt noch lieb. Sie war sehr schön gewachsen, war aber von Pocken schrecklich verzerrt u. konnte gar keinen Anspruch in dieser Hinsicht machen, eben wie Lotte Gräzel, die ich täglich sah, u. später alle Wochen mit der Dieterich u. Murays. Schöne kurze Stückchen[?] lasen wir zusammen. Der Winter wie ich nicht gehofft hatte ging mir sehr angenehm vorüber. Etliche Male besuchte ich Bälle. Meine Freude u. rege Theilnahme war vorüber obwohl es mir nicht an Tänzer fehlte, aber ich fand an anderen Dingen Freude. Ich neckte Hoppenstedt der viel Lebhaftigkeit u. Heftigkeit hatte, u. bei dem auch daher leicht etwas verrauschte, mit Philipine Böhmer die er täglich sah, er würde noch damit endigen daß er sie heirathete, wo er antwortete: nie, es müsse denn aus Mitleiden sein. Ich habe wahr geredet, u. ihre Tugenden blieben am Ende von ihm bemerkt. Leider verlor er sie in dritten unglücklichen Wochenbette. [am Rande: Sonett von Hugo[?], Beilage, auf ihren Tod.] Sie hatte Mutter u. Vater gepflegt u. verdiente wohl seine ganze Achtung u. Liebe.

Die Zeit des Winters war ich auch viel mit der Hofräthin Spittler u. Meiners, alles ältere Bekannte, u. manche die ich jezt zu weitläuftig finde zu erwähnen. Hoppenstedt zeigte ohne mir etwas zu sagen, seine Gesinnung immer deutlicher. Den Abend als ich mit Mutter bei Schlözers gezogen war, um da die lezten Tage zu zu bringen, kam er u. ließ mich heraus rufen. In mein Zimmer gekommen gab er mir den Rheinfall zum Andenken, u. ersuchte mich um die Erlaubniß mir schreiben zu dürfen u. sprach von seiner Neigung, u. ob er in der Folge wenn es seine Stellung erlaubte um meine Hand werben dürfe (das Ganze war eine Halbheit). Er wolle mich nicht binden ich solle mich ihm zu erhalten suchen. Den Morgen drauf traf ich ihn bei der Meiners die um seine Neigung wußte u. den Morgen der Abreise in Nörthen. – Mutter war natürlich wie aus den Wolken gefallen, ich hatte es lange kommen sehen. Ich hielt viel von Ihm, achtete ihn, u. seine Anhänglichkeit wie[33] Bewunderung hätte mich auch zu der Annahme seiner Hand gebracht, wenn es sich nicht anders gefügt hätte. Wir waren nun fast ein Jahr in fortwärenden sehr vertraulichen Briefwechsel, theilten uns alles mit, aber der Inhalt war doch nicht Liebe nur Vertrauen u. Anhänglichkeit, gemeinsames Interesse, Gleichheit des Denkens. Es war mehr wie gesagt von seiner Seite. Gegen den Winter schien mir sein Briefverkehr nicht seltener aber kürzer zu werden, u. es schien etwas in Rückhalt zu sein. Ich sprach mit Caroline darüber die wie wir in Braunsch. wohnte, einen Ort, welchen wir da wir mit ihr zusammen wohnen wolten gewählt hatten. Die Recomendationen von Feder an Campe, Eschenburg u.s.w. förderte die Wahl, großes gutes Stadt-Theater für meine Mutter auch. Schlegel kam auch. Ich sagte Caroline, bei Hoppenstedts Heftigkeit scheine mir bei ihm eine Veränderung obzuwalten. Er war auch leicht zu führen. Ich mochte darüber nicht selbst schreiben u. schrieb ab, was sie mir aufschrieb.

In dieser Zeit fing Wiedemann, dessen Bekanntschaft ich bei Campes gemacht hatte, wie dessen Eltern u. Geschwister, die ich nun öfters besuchte, an sich um mich zu bewerben, u. da ich an das dachte was Tatter mir einmal schrieb wie ich über einen jungen Menschen schrieb dessen ich mich annehme, ich müsse keine Bekantschaft mehr machen die sich nicht ende wie alle Lustspiele – ich dachte auch, auf Hoppenstedt wolle u. dürfe ich nicht rechnen – ich war auch frei, ob er sich dafür hielt weiß ich nicht. Wiedemann war mir lieb geworden, u. sein treues Bewerben wie die Achtung die ich für ihn hatte flößte mir wahrhafte Liebe ein. Er warb um mich, u. ich schrieb Hoppenstedt, auch daß ich wohl gefühlt hätte in der lezten Zeit wie er erkaltet sei, u. es besser wäre unser Verhältniß zu enden, zumal da ich einen Mann gefunden, der mir seine Liebe wie seine Hand gebe. Ich achtete Ihn H. wie immer u. hege Freundschaft für ihn aber mein Herz zöge mich nun zu W. Ich schickte diesen Brief an die Meiners. Sie gab ihm denselben. Er ward sehr bewegt, konnte mir aber nicht unrecht geben, u. schrieb mir auch so. In der Zeit kam Philip aus dem Feldzug [am Rande: 1795], u. den Mittag wurde ihm bei Böhmers gesagt ich sei Braut, es sei aber Einer am Tische dem das wohl viel Leid brächte u. sagte[n] Hopenstedt[34] – diß war eine Indiscretion nach der alten Böhmer Weise. Wie mein Bruder kam wünschte er eine Aufklärung. Ich sagte nur sie hätten immer geglaubt, H. möchte mich gerne. Nach dem vermählte er sich mit Philipine u. ist, da ich ihn noch vorher in Göttingen oft sah wo ich mit W. im ersten Jahr 3 Wochen war, wie nachher bei einen Besuch in Braunsch. ein werther u. geachteter Freund gewesen, u. ich ihm auch lieb u. werth, wovon er manche Beweise gab. Die Meiners sagte mir später Hoppenstedt war gar zu veränderlich. Es war mir lieb daß es so kam.

Ich fand wie villeicht schon erwähnt in der Familie von Wiedemann eine sehr freundliche Aufnahme. Die Mutter eine hoch gebildete sehr gescheute Frau, wie gute Wirthschafterin ist mir immer sehr lieb u. freundlich geblieben, so wie auch alle Geschwister, mit denen ich auch nie daß mindeste Unangenehme gehabt habe. Die Freunde von Wiedemann, so Fischer, auch ein Vetter von mir der damals in Braunsch. lebte, ein sehr genialer Mann, jezt noch an Leben, Arzt in Lüneburg, wie Prof. Rosen, waren erstaunt, W. als Verlobten zu sehen, u. als einen so verliebten, u. der Jubel war groß als Er der gesunde sich bald nach dem unwohl fühlte u. ein Brechmittel nehmen mußte, wie sie sagten als Wirkung seiner Anregung. Rosens wozu nachher [?] auch Himly mit Frau auf einige Jahre Kolegen waren, sind uns theure Freunde durchs Leben geblieben. Leider starb Rose ein sehr liebenswerther Mann in einigen Jahren, u. sie hat nach Jahren wie Himly auch seine Frau verloren hatte diesen sich als Mann erwählt. Sie liebte Rose so sehr u. war ein von ihm so verzogenes Kind, daß ich nie glaubte sie würde sich wieder verheirathen. Sie war mit ihrer Tochter reich durch Rose, u. blieb auch in Verwaltung des Vermögens. Sich darin Himly unter zu ordnen würde auch nicht möglich gewesen sein. Beide sind meine Freunde geblieben u. auf Durchreisen durch Göttingen wie hier [?] haben wir uns wieder gesprochen. In Br. lebten wir mit Rosens besonders sehr vertraut, u. sahen uns Abends sehr oft ohne alle Gene. Die Hochzeit ward den 28 März 1796 in engen Kreise der Famille u. Freunde gefeiert, zu denen auch Campens zu zählen waren, die alte Klosterjungfer [?] Scharff nicht zu vergessen, die als wir nach Braunsch. zogen, für uns alles besorgte.[35]

Auch Caroline u. Schlegel vermählten sich erst ... [unleserlich]. Nun lebten wir ein angenehmes Leben u. obwohl wir uns bei geringer Einnahme sehr ein zu schrenken hatten, so ward uns eben durch Onkel u. Tanten viel angenehmes besonders auf den Gärten wohin auch die Alten W. immer zwey Monate zogen, u. ich da es nahe war bei dem Peterns Thor wo wir wohnten, wir fast alle Abende da zubrachten u. so die Landluft ohne Spatziergänge benutzten. Auch war das Kreuzkloster da, u. oft ging ich mit meiner Mutter dahin, die auch nachdem wir ein Jahr verheirathet u. ich einen Sohn hatte zu uns zog, u. auch ihr Leben bei uns in Kiel beschlossen hat. Einige Male war sie Monathe bei meinen Bruder in Harburg. Im Pfingsten machten wir mit meiner Mutter eine Fahrt nach Hildesheim, u. nach Söder zu Herr von Brabeck wo wir auch dessen Schwester die Fr. v. Sierdorpf trafen, eine Freundin u. Gönnerin schon vor meiner Heirath. Sie ließ es sich auch nicht nehmen zu kommen um mich in meinen Brautschmuck zu sehen. Im ersten Jahre reisten wir auch für 3 Wochen nach Göttingen wo Wiedemann zu arbeiten hatte, u. Dieterich gab uns eben un[be]wohnte Studenten Zimmer, ehemalige Prinzen Wonung. Wir ließen uns im Haus speißen, u. ich war viel mit der Dieterich deren Mann aber leider schon anfing, seine alten Sünden zu treiben. Er war wieder unter den Studenten was nicht immer die ausgezeichensten an Sitte waren. Hier sah ich auch Hoppenstedt wieder u. öfter. Damals war er aber noch nicht mit Philipine Böhmer verlobt. Es ging uns sehr wohl die Zeit, u. es erzeigten uns so Spittlers, Meiners wie Gemelins viel Artigkeit, u. ich war wohl nie so froh in Göttingen gewesen. Für W. gab es auch Musiek u. mit uns bewohnte Herr von Knoring ein Livländer ausgezeichenter Geiger bei Dieterich u. es waren auch zwey Virtuosen gerade da, u. Abends ward öfter Musiek in einen Saal neben meinen Zimmer getrieben auf dessen andern Seite der Herr Rath Buterwek wohnte mit einen jungen Silem aus Hamburg den er leitete. v. Knoring aus Liefland, wie Wiedemann proponirten ein großes Concert zu geben, zu welchen ich ersucht ward, Damen zu laden wie Thee zu geben. Hr. v.K. würden sie nicht gekommen sein. Indessen mir. So kamen alle meine Bekante aus [auch?] Murays. Janette war wie ich später[36] hörte als er in Paris in Duell von einen H.v. Hammerstein erschossen ward, seine Verlobte. Sie sang sehr schön, u. erfüllte unsere Bitte. Die Rode Schlözer war auch eben in G.u. war auch mein Gast wie viele Damen, auch Philipine Böhmer u. ihre Schwester u. Schwager aus Hamburg, die Meyer. – Man wolte sich nun nach beendigten Concert zu Haus begeben, u. wir mit einen Male daß schönste kalte Abendessen erblickten mit Champagner u. so. Ich wußte wie W. nichts davon. Der Musikalische reiche Bekante war der Wirth. Ich mußte aber die Wirthin machen u. er lachte nach dem, alle Damen bei sich gesehen zu haben. Die Dieterich hatte darum gewußt, u. hatte ihr die Sache viel Spas gemacht wie man denn sehr vergnügt war.

Nach drey Wochen reisten wir wieder ab, u. nun lebte ich recht für mein zu Erwartendes Kind daß denn im Feb. ankam. Ich war recht krank. Der Knabe wog 11Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens. Man denkt also daß ich viel gelitten habe. Rosens kamen, ohne etwas davon zu wissen daß ich in Nöthen u. blieben auch. Er war ja Arzt u. er hat mich oft geneckt daß ich gedacht ich würde sterben, u. den zärtlichsten Abschied von ihm nahm. – Weder W's Mutter noch meine waren zugegen, u. den folgenden Morgen verkündete W. selbst sein Glück. Der Knabe war ein starkes Kind, u. villeicht darum besonders auf ihn zu merken. – Leider habe ich ihn im März darauf am 14. wieder verloren, u. wie schmerzlich seinen Tod gefühlt. In den lezten Tagen war noch Prof. Pfaf einen Abend bei Wiedemann, ich bei dem Kinde, u. in der Nacht des Todes – es ward wohl eine Hirnentzündung – war Rose wie Himly als treue Freunde u. Ärzte bei den lieben Knaben. Ich konnte mich gar nicht erholen u. nur eine neue Schwangerschaft gab mir Kraft, Herr über mich zu sein.

Den Frühjahr reiste ich zu einer Schwester von Wiedemann von der ersten Frau, Sindicus u. Advokat Klaren, wo ich auf den Garten bei Zelle in der grosen Famille wo Louise u. Lotte mir schon vertraut waren, u. öfter bei Generalsup: Dahmens angenehme Wochen zubrachte. Wiedeman holte mich wieder ab, u. ich glaube meine Mutter reiste nun mit uns von Harburg zurück oder ob erst hin – Michaelis kamen Hufelands aus Jena zum Besuch, W's Schwester, u. am 2ten Oct. ward Emma geboren u. Hufeland war noch Gevatter.[37]

Im Sommer darauf machten wir mit Mutter eine Reise nach Jena, die viel erfreuliches für uns hatte. Wir lebten da in dem angenehmen Kreise: Loders, Paulus, Fromans, Hufelands, Schlegel, die Doederlein u.s.w. Auch sah man Göthe einmal da, u. in Weimar sein Haus, d. Gemälde u. Zeich: In Jena hatten wir liebe Freunde an Kammerrath Ludekus den W. ein Jahr darauf in Braunsch. in die Cour bekam wo der Alte Mann ein Bein brach. Dieser führte uns in Weimar umher, auch in der Alten Amalia ihr Schloß nach Tiefurd in Garten. Er hatte ihr Vermögen zu verwalten, u. kam auch wegen einer Erbschaft eben nach Braunsch. [Am Rande: Tischbeins waren aus Leipzig auch bei Schlegels, die nachherige Wilke.]

Wie Emma 2 Jahre alt war, eine neue Schwangerschaft. Ich war aber nicht so zimperlich wie die Jungen Frauen jezt ich stillte auch ohne Beschwerde selbst. Ein lieblicher Knabe ward im Juli 1899[!] geb. Caroline war in Jena schwer erkrankt. Sie reiste mit Auguste nach Bockled in Franken nah bei Kissingen u. gebrauchte Markus. Schelling der in dessen nach Jena gekommen war kam auch hin. Er hofte wohl auf Auguste. Diese aber erkrankte u. starb in Beginn ihrer Jungfrauschaft u. sehr liebenswerth. Schelling war sehr betrübt u. schloß sich fest an Caroline. Schlegel auf die Nachricht vom Tode Augustens die ihm sehr lieb, u. auf die er die schönen Gedichte Totenopfer u.s.w. machte, das Band zwischen ihm u. Caroline ward nun nur noch durch den Tod von Auguste gehalten. Später trenten sie sich. Doch brachten sie den Winter noch bei uns zu, Schlegel kam später, erst in Frühjahr etliche Monate. Caroline war sehr elend. Die Krankheit, der Tod von Auguste, ihren besten Kinde. Therese war schon in Marburg gestorben wie der Knabe bald nach der Geburt. Sie erholte sich bei uns, um mir nun wieder einen herben Verlust tragen zu helfen. Der schöne der reizende Knabe starb plözlich, an einer Verschrenkung u. Verengung der Gedärme. Eben hatte W. den Plan gemacht u. Reisegelder vom Herzog erhalten, nach Paris bis im Herbst zu reisen um nebst der Naturgesch. sich auch auf die Entbindungskunst zu legen, da der Prof. Sommer alt war, u. er die Stelle zu haben wünschte. Ich sollte indessen mit Caroline nach Jena. Schlegel war schon wieder nach Berlin. Mutter wolte nach Harburg.[38] Nun mußte W. doch reisen. Caroline reiste erst nach Harburg u. Hamburg, u. ich reiste mit Mutter nach Zelle, zu Dahmens, Carolines liebe Freunde von Harz, u. Michaelis brachte sie u. nahm Mutter wieder mit sich. Etliche Tage darauf reiste ich mit Caroline nach Jena, wo ich ein sehr angenehmes halbes Jahr verlebte. Oft bei Hufelands wo mich Grieß wie Lichtenstein immer vom Garten zu Hauß brachten. Die Bekantschaft von Schelling, mit dem ich so oft umher spazirte, da Caroline fast immer krank. Der Bruder von Schelling. Julie Gotter. Dann 3 Wochen in so angenehmer Lehrreicher Umgebung u. das Leben mit meiner theuren Schwester die mir in jeder Noth u. jeder Freude des Lebens nahe auch schriftlich geblieben ist. Würde ich auch durch ihren klaren Geist u. richtigen Verstand geleitet gewesen nie mich Große Vargas so hingegeben u. getraut haben. Hoffentlich würde meine Zunge gegen Sie u. von Ihr geleitet sein aber leider war sie damals abwesend. Liebevolle wie erzählende häufige Briefe aus Paris von W., die auch alle zusammengebunden sind, mit den meinigen aus Frankreich, werden dem Leser noch Freude machen. – Ich brachte 3 Wochen wie gesagt bei Kammerrath Ludekus zu mit meiner kleinen Emma, die mir alles an Geselligem u. Geistvollen der damaligen Zeit zu genießen verschaften wozu auch daß damals so ausgezeigente Theater zu zählen. Bei dem ersten Besuch mit Wiedemann u. meiner Mutter muß ich den Besuch in Osmanstedt bei Wieland nicht vergessen, wo die Frau von Laroche war u. ich auch deren Bekanntschaft persönlich machte. Sie die Gönnerin u. Mutter von Phillip u. die Freundin von Lotte u. Caroline ward auch meine Gönnerin. Eine schöne alte Frau, die eben durch die Einfachheit ihrer Kleidung auch einen so angenehmen Eindruck machte wie durch die Ruhe in ihren Bewegungen.

Der Herbst u.W. Rückkehr kamen nun immer näher. Vorher ward mir aber noch ein sehr angenehmer Genuß. Schlegel kam auch zurück u. bald nach ihm die gefeirte auch von ihm besungne Unzelmann. Diese gab in Weimar 3 Wochen Vorstellungen u. wir alle, auch Schelling ging mit hinüber, u. wir hatten eine Wonung in der Vorstadt. Mit der Unzelmann waren wir viel. Öfter sah u. sprach man Göthe der begegnent immer stille stand u. sprach. Ich sehe ihn noch, auf uns zu[39] kommend mit seinen gemeßnen Gang u. seinen schönen Auge. Wohl mag mit Wahrheit Wieland von ihm gedichtet haben, wie er ihn einmal in dem Kreise der Herzogin Amalie besungen hat: Ein schöner Heksenmeister es war mit einen blauen Augenpaar, gleich mächtig zu –? u.d. Entzücken war das Ende. Ich habe nur dieß noch in Sinn. Wir waren auch einen Abend mit der Unzelmann zu einen Thee bei Göthe wo alles glänzende u. ausgezeichente der damaligen Zeit war. Der feiste Bötcher nicht zu vergessen, sich fast zu den Füßen der Fr. v. Imhof werfend. Er im gestreiften Seide-Röckchen – u. Consitorialrath. Höchst befriedigt nach Weimar kehrte man nun zurück denn ich hatte auch Gespielinnen dorten im Schauspiel getroffen, u. die Zwischen Acte vergingen im Gespräch schnell. So zwey geb. v. Ziegesar die mir so lieb waren. Eine Enkelin der alten Geheimen Hofräthin Schläger bei der ich zwey Jahre in Gotha war: Dorette Schlichtegroll, die mir weniger angenehm war wieder zu sehen, denn ich habe nie Vertrauen zu ihr gehabt, wie ich neben ihr lebte. Es kam aber auch die liebste Freundin meiner Schwester, die Frau Gotter mit ihren Töchtern nach Weimar. Julie war schon etliche Wochen bei uns gewesen, u. Cecilie war in Weimar um die Zeichenacademie zu besuchen. Allein sie brachten Pauline mit sich, die Freundin von Auguste Böhmer. Die zwey Jahre welche Caroline da verlebte in Gotha ehe wir uns in Braunsch. vereinten, hat sie mit der Gotter wieder näher gebunden. Sie war nie mit ihr auser Briefwechsel. Hier lernte Schelling die Gotter u. Pauline kennen, u. Pauline ist nun seine Gattin.

Ich habe vergessen zu bemerken daß wie Caroline in Gotha war, ich im Frühjahr, wie Dieterich sich mit Janette Fridheim verlobt hatte ich mit Mutter u. der kleinen Lotte in Gotha acht Tage waren, eine sehr angenehme Zeit. Da erneuerte ich auch die Bekanntschaft aus der Kindheit mit Janette die mir immer lieb geblieben. Ach, welch ein Geschick Ihr bevorstände, konnte man so nicht ahnden, bei dem gutherzigen aber grundleichtsinnigen Mann ohne Charakter. –

Anfang October durfte ich W. erwarten u. er kam noch etliche Tage früher. Ich ging eben mit Emma die Treppe hinauf als mich zu ihren Schrecken ein Mann mit Umarmung begrüßte u. sie ihn abwehrte u.[40] mit Geschrei ihn von der Mutter zu entfernen strebte. – Nun verliß ich meine liebe Caroline um sie nie wieder zu sehen, ob sich gleich dazu schon alles gestaltete. Wir bezogen nun wieder mit Mutter die von Harburg kam die alte Wonung an Schweinemarkts Ende wo wir unter einen Dache mit dem Kammerherrn von Bode wohnten der Oberhofmeister der Prinzen von Hessen Darmstadt war. Mit der Frau war ich bekannt, wie wir auch mit ihm schon vorher; denn ich hatte wie er die zwey jüngren Prinzen Emil u. Gustav holte der in Braunsch. später wie wir nicht zusammen wohnten gestorben ist (erst war er mit P. Friederich da) den ganzen Haushalt geordent u. alles gekauft, u. die Bedienten auspacken lassen. Wir lebten, da W. auch Arzt da war, sehr vertraut zusammen, so lange man 4 Jahre zusammen wohnte. Durch ein Zimmer konnten wir uns jeden Augenblick treffen, die Höfe u. sonst alles getrent. Wir hatten auch mit Bodes wie mit Prof. Rosens, Kammerrath Volkmar u. Prof. [Lücke!] der eine Tochter hatte, alle Liebhaber u. Musieker, alle 14 Tage eine Zusammenkunft wozu auch noch sehr oft fremde Künstler kamen, wie denn W. sein besonderes Vergnügen die Musiek u. die Baßgeige waren. Alles Ausgezeichente kam zu uns, wie auch später in Kiel, zulezt nicht mehr. Vater arbeitete wenn er zu Hause aus dem Koleg kam fleißig u. übersetzte, was ihm sehr leicht ward u. damals sehr einträglich. Aber es mehrte sich auch seine Praxis, u. er bekam auch nun die Stelle als Hebammenlehrer des Hof[rats] Sommer. Wie glücklich daß er als er eben von Paris kam, dieß ward. Er war als Arzt u. Freund sehr geachtet und beliebt.

Ich bekam im Jahre 1801 im August meine kleine Minna, zugleich, ich glaube in diesen Jahre oder ob erst in folgenden Wiedemann den Ruf nach Würzburg. Ich wäre gern dahin gegangen denn Caroline war mit Scheling nun vermählt, u. Er da auch angestellt. Ich redete aber nicht zu. Allein der Brief an Caroline von mir, W. wolle kommen war schon geschrieben, wie W. zum Herzog gerufen ward, dieser Ihm eine ansehnliche Zulage gab, die Stelle von Sommer u. ihm die Anatomie abnahm, wo er so gute Zöglinge gebildet hatte.

Wir bliben allso u. im Jahre 1803 habe ich ein klein Mädchen geboren, u. wir zogen in Viewegs neues groses Haus, der eine Tochter[41] von Campe zur Frau hatte, die bekannte Lotte, mit denen wir auch wie mit dem Kammerrath Crahe aus Düsseldorf u. meinem Schwager Gottlieb in wöchentlichen Verkehr waren, u. nur mit Viewegs in täglichen. Der Mutter großes Zimmer war der Verein der Kinder, u. wir ließen [sie] gewöhnlich möchte ich sagen zu Viewegs hinauf bringen, da es für sie schwiriger war, zu uns, da sie auch Gehülfen mit am Tische hatten. Sommer gingen wir auch schon viele Jahre zu Kampens wie Viewegs die auf einem Garten alle zwey[?] Wirthschafteten Abend. Schöne angenehme u. muntere Zeiten wo Scherz u. Heiterkeit waltete u. Vertrauen. Wie viele Fremde lernte man bei Campens nicht kennen. So mußte man auch oft aufgefordert sich einfinden um mit Gutes zu theilen. Gesund scheute man auch den langen Weg von 3/4 Stunde Abend nicht, u.W. hat mich selbst durch Unwetter über Wasser getragen. Die alte Campe wie Lotte waren mir sehr liebe Freundinnen. Später sah man sich noch u. die Campe war mit den damals schwachen Alten auch bei uns in Kiel. Nun sind alle tod und ruhen in Garten wo wir sonst uns erfreuten, u. manches Spiel aufgeführt ward u. mancher Festgesang von W. gedichtet u. Gottlieb vorgetragen – wie Neujahr 1801, so auch damals 1800 Schlegel bei uns sein Gedicht vortrug, schöne u. heitere Tage.

Es ist wahrscheinlich, daß ich mich zuweilen wiederhole da es mir nicht möglich ist, was ich niedergeschrieben wieder durchzulesen. – Wir zogen nun allso ano 1804 in Viewegs[?] neues Haus. Sie kamen auch noch den Winter. Wiedemann mußte nun die Herzogin von Oels endbinden. Es war ein Sohn, der nachher so berüchtigte Herzog Carl. Wie groß war aber der Jubel, wie ward Wiedemann fetirt von Allen, es war den Morgen ordentlich eine Cour von allen Bekannten, selbst von mir persöhnlich Fremden aber Wiedemann bekannt weil er sie ärztlich behandelte. Ich bin auch zwey Male in der Kinderstube gewesen, erst um den Neugebornen zu sehen, wo auch der glückliche Vater kam, u. den Kleinen wecken wolte, was ich nicht zugab, u. ihm die Lehre gab dieß nie zu thun. Er meinte es sei ein Soldaten Kind, u. müsse sich an alles gewöhnen. W. habe er alles zu danken, auch das Kind wie das Leben seiner Frau, der die ganze Nacht nach der Geburt an[42] ihren Bette zugebracht. Da nun der kleine Herzog die Kuhpocken haben sollte, erhielt er sie wie meine kleine Marie, u. ich begleitete sie natürlich da ich sie selbst nährte. Die schöne anmuthige Herzogin wie er der lebhafte kamen selbst u. sahen der Impfung zu. Nach dem kam als Wiedemann krank ward u. ehe Er abreiste er selbst noch. Ich erkante ihn kaum. »Ich fand niemand drausen, so komme ich gerade unangemeldet in ihr Zimmer«.

Wir hatten noch mit Viewegs einen angenehmen Winter, aber nun gingen die [Sorgen wie-?] der an. Wiedemann hatte daß Unglück gehabt – wie ich auch in seinen Leben erwähnt habe – von einer kranken Frau bei der Entbindung angesteckt zu werden. Ich verweise auf sein Leben, es ist mir zu schrecklich, um alles noch zu wiederholen. Und ein großes Glück daß nun die Krankheit erkannt ward, u. ich nicht angestekt werden konnte. Ich nährte damals meine Marie, u. ward auch in Folge von Anstrengungen u. Erkältung wie daß die Zimmer doch noch feucht waren, von einer schreklichen Gicht befallen.

Kurz zuvor kam der Ruf nach Kiel. W. nahm ihn an, weil er glaubte er brauche nun nicht mehr zu praktisieren. Ungern machte ich mich vertraut mit dem Gedanken, Kiel was ich mir in jeder Hinsicht schreklich dachte gegen Braunsch. wo es mir so wohl ging, zu vertauschen, wo auch nun unsere Lage sich noch verbessert hätte. Denn W. durfte nur verlangen was er wünschte. So sollte er auser allen auch noch eine Curie am Großen Stift der Domkirche haben, womit eine Wohnung verbunden, so bald er zur Hebung kam. Öfter hat Wi. gesagt: wäre ich gebliben, so würden wir alles Ungemach eines Krieges gehabt haben. Diß würde auch der Fall gewesen sein wenn wir nach Würzburg übergesidelt, was ja bald aufflog. Doch würde W. auch wie Schelling eine Stellung geworden sein.

Ich erholte mich erst gegen die Abreise im Juni, u.W. war auch kümerlich. Meine Mutter wolte erst nachkommen wenn sie hörte wie es mir gefalle. So reisten wir denn erst 3 Wochen nach Harburg, wo sowohl mein Bruder als Arzt meinen Mann treu besorgte wie auch meine Schwägerin eine sehr liebende Pflegerin Ihm war. Nun nach Hamburg, wo wir noch acht Tage auf dem Garten des Senator Meyer[43] lebten, in grünen Deig[?], wo auch in der Nähe an der Bill W. Bruder u. Schwester Grewes eine Sommerwonung hatten. Meine liebe Freundin mit Mann u. Amalia kamen Sonnabend heraus u. ich sah diese lieben Beiden zum lezten Male. Denn wie, von der Reise zurück gekommen ein Jahr darauf ich bei der M. Meyer in Garten ein paar Tage zubringen sollte, bekam, eben wie ich nach Hamburg fahren wolte ich von H. Meyer die Nachricht sie sei erkrankt am Nervenfieber u. sterbend! Amalie starb später an einen unheilbaren Uebel, dessen Grund Kummer u. Herzeleid war. Sie war ein so liebes gutes Mädchen.

[Am Rande:] Meine kleine Marie verlor ich auch, ich mußte sie wegen meiner Krankheit entwöhnen u. sah sie nur sterbend wieder nach 6 Wochen. Das Kind kannte mich u. schrie laut auf!! Fürchterlich. So nahm ich Emma u. Mina nur mit u. den armen Wiedemann.

Ich habe von da[-damals?] an 1792, bis 1805 mit Mad. Meyer in vertrauten Briefwechsel gestanden, wie mit Amalie. Da aber Vieles in den Briefen was sie anging, habe ich sie vernichtet wie auch die Briefe von Große, weil ich fürchtete im ersten Wochenbette sterben zu können. Briefe von Hoppenstedt brachte mir Wiedemann mit, wie er nach München war, ich hatte sie Caroline gegeben. Nun verbrannte ich sie auch was mir nachdem sehr leid war. In Hamburg verweilten wir ehe wir nach Kiel reisten noch ein paar Tage, wo wir einen Mittag bei Hofmann u. Campens waren, wo wir auch eine fremde Dame mit Tochter aus Kiel fanden. Ich ward von den Alten Hofmann viel geneckt, wie mir erst unsere Wonung gefallen würde u. dann die Wirthin die eine Leihbibl. habe, u. daß ich nun mich nur recht flegen sollte, denn Erdbeeren u. junges Gemüse hätte man nur selten in Kiel. – Dieß war nun nicht ganz ungegründet, denn der Gartenbau hat sich erst durch das Beispiel von Conferenzrath Brandis u. Etatr.[?] Schrader gehoben, die Garten-Anlagen machten, u. die ersten Gärten im kleinen Kiel anlegten.

Es war ein regnigter Tag an welchen wir in Kiel einzogen. 3 Söhne von Brandis kamen uns bis Hamburger Baum entgegen. Es regente stark. Zwey kamen auf den Bock, u. Christel, der mir immer lieb gebliben, im Wagen. Wir waren den Abend bei Brandis. Mir war[44] nicht wohl zu Muthe. Die Herrn hatten viel zu reden. Ich wäre lieber stille für mich gewesen, wie mit der Frau die mir gleich nicht zu sagte. Wohl ist mir die Tochter ihre Stieftochter wie Christel lieb u. werth gewesen.

Es ward gleich ausgemacht daß Wiedemann erst um sich völlig herzustellen, was ja auch auf gewisse Weise der Fall war, doch der kräftige Mann, der jeden Ungemach trotzen konnte ist er nie wieder geworden. Später erst nach dem Achner Bade 1817 ist er kräftiger wieder geworden, daß er reiten u. baden u. schwimmen konnte. Wir reisten nun im Oktober wieder weg, ein Jahr Urlaub. Die Hebammenanstalt war noch nicht eingerichtet. Die Stelle ward bis dahin von einen jungen Arzt verwaltet der Wonung von W. wie 200Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens erhielt. W. behielt seine Besoldung, allein nun mußte ein Opfer gebracht werden. Die Reise hat viel gekostet, auch weil W. viel Bücher mit sich nahm. Über die Reise selbst schreibe ich nichts. Meine Briefe an meine Mutter wie Caroline mögen gelesen werden, welche Eindrücke ich erhielt, u. wie mir oft zu Muthe, ohne Kinder mit einen sterbenden u. siechen Manne. Emma war bei Brandis gebliben u. Christel war ihr ein treuer Lehrer, sie seine erste Schülerin wie Er auch ihr lezter fast[?], wenigstens später als er hier bei Graf Molke war lasen sie schwere Dichter u. sie mußte sie in Prosa erklären – es war 1817. Sie hatte auch da bei der Guvernante engl. Stunde indessen, bis W. wiederkam – u. Minna ließ sich Märchen erzählen.

Im Herbst 1806 zurück gekehrt, richteten wir in Kiel uns ein, bezogen auch das damals eingerichtete Institut, später die Wohnung wo es noch ist, mit Garten u. hübscher Aussicht auf Stadt Wasser u. Feld. Nun gab es viele Bekanntschaften worunter der alte treue Freund Pfaff oben an steht, so wie Niemanns, Schraders, u. Hegewisch mit denen ich auch noch in reger Freundschaft bin. Damals waren es die Alten. Die Kinder sind mir aber lieb u. werth u. der Etatsrath Hegewisch der auch schon 1811 mein Arzt war, ein Freund in Freud u. Leid gebliben auf den ich stets rechnen kann, daß er kömmt, in Leid u. Freud. Dank Ihm[?] Ich werde es nie vergessen, was er mir ano 11 war, u. später. – Da ist auch noch der Graf u. die Gräfin Reventlou zu[45] nennen die uns viel Gutes erzeigt haben, u. wir manchen sehr angenehmen Tag in Emkendorf zu brachten in dieser treflichen Umgebung. [Am Rande: Ich muß auch nicht vergessen daß uns eine sehr angenehme Bekantschaft ward, eine engl. Famille Duglas u. M. Thalm[?], was mir auch daß Engl.[?] sehr erleichterte was ich schon wußte, u. besonders im Sprechen förderte, wie in Fr[anzösischen] später der Aufenthalt in Frankreich. Nun aber lese ich noch, aber mit dem sprechen würde ich auser Gewohnheit sein.]

Nachdem wir ein Jahr zurück waren bekam ich noch eine Tochter Zoe, wo auch meine gute Freundin die Dr. Hensler Pathe zu war, u. mir auch in der herben Stunde des Todes eine treue Freundin. – Nun sind wir beide alt u. sehen uns selten, allein gewiß sie vergißt mich nicht wie ich sie nicht.

Der Kronprinz mit Gemalin waren in Kiel [beim] Bombardement von Kop[enhagen]. W. war bei der Niederkunft der Kronprinzessin. Leider kein Sohn! Wir bezogen nun die neue Wonung, und ich bekam die Zweite Zoe im neuen Hause 1809. Die Gesundheit von W. verlangte eine Reise zur völligen Herstellung. Er reiste im Jahre 11 nach Italien. Wie ich die erste Zoe geboren hatte starb auch meine gute Mutter die länger kränkelte. Gicht, aber besonders wohl Unterleib. Sie war noch lange so alt nicht wie ich jezt, u. hat doch immer sich keiner großen Anstrengung hingeben dürfen, wie auch ein Leben ohne bedeutende Verluste gehabt. Aber sie hatte kein heitres frohes Gemüth, obwohl sie ruhig war. Sie fand als sie nach uns her kam hier auch einen angenehmen Umgang, u. besonders erfreulich war ihr der alte Dr. Kleucker der früher im väterlichen Haus Lehrer war, u. eben bei einen Knaben, welchen sie überaus liebte. Er begleitete auch die Mutter zu Grabe. – Diß Wochenbette mit der ersten Zoe griff mich sehr an, so daß ich selbst nachdem ich 3 Wochen aus den Wochen war, meine Mutter nur noch einmal sah. Ich war so angegriffen daß ich nicht wieder zu ihr durfte. Sie glaubte wie sie mich erblickte ich sei eine Erscheinung aus einer andern Welt. Nun daß ergreifende des Todes der kleinen Zoe, die eben wie der Knabe August schnell starb an Verschränkung der Eingeweide. – – – – –[46]

Wiedemann reiste nun allso abermals! was auch machte daß man nichts zurück legen konnte. Später hat Er wenigstens mein Eingebrachtes wieder erspart, bei den großen Einnahmen die er hatte, aber auch bei den Ausgaben für so mancherlei Liebhabereien wie Mineralien, Bücher u. Kunstsachen. Für alles diß ist nur ein geringes wieder herraus gekommen u. villeicht, ich weiß es noch nicht, bei dem Brande von Hamburg, der schrecklich war, die Oehlgemälde die da zum Verkauf waren ein Raub der Flammen geworden. Die Insekten hatte er früher da er nicht mehr dafür sorgen konnte dem H.v. Winthem in Hamburg für 300Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens verkauft und nun nach seinen sterben schon bei Lebzeiten dem König Christ. VIII die Mineralien-Sammlung für 300Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens. Der Erlöß der Bücher war nahe 1000Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens aber der Abzug groß.

Wie W. abreiste erwartete ich in Winter eine neue Entbindung. Ich war mit Emma, Minna u. der lieben kleinen Zoe allein u. hatte diese Erwartung. Eine schwere Aufgabe. Brandis waren 1809 von Kiel der Königin gefolgt. Ich hatte nun besonders Anna Schleiden, u. Hegewisch, die Töchter. Vater wie Mutter waren gestorben, wenn ich nicht irre. Vater war Vormund der Töchter. Der Vater starb doch wohl erst als er zurück kam. Allein der Sohn war mein Arzt u. leistete mich oft Gesellschaft. Er kam oft auf kurze Zeit. Ich genaß eines Sohnes. Die Briefe zeigen wie Wiedemann erfreut war. Anna Schleiden endete meinen Brief u. gab ihm über mein Befinden, was gut war Nachricht. Der Winter ging stille aber schnell vorüber. – Im Früh-Sommer sollte ich Wiedemann aus Harburg holen. Ich reiste dahin, u. wir alle fanden daß er sich sehr erholt hatte, u. rüstiger u. lebenslustig wieder sich zeigte. Es ward verabredet daß meine Schwägerin ein eben hier eingerichtetes Seebad nehmen solle. Wir schickten einen Wagen nach Hamburg sie zu holen. Allein er kam leer zurück, nur ein Bekannter, Dr. Schmeißer war darauf, u. brachte die höchstbetrübte Nachricht daß mein Bruder an der Ruhr sehr krank sei. Daß war ein Donnerschlag für mich. Er war eben im Mannesalter u. die große Famille! Wiedemann solle hinkommen. Allein Hegewisch war sehr dagegen. Es seien Ärzte aus Hamburg dagewesen u. noch, helfen könne er villeicht nicht mehr, nur sich selbst schaden u. den Hinterbliebenen[47] eine Stütze rauben u. uns auch den Vater. Es war eine in Harburg ausgebrochne Epidemie die auch einen Sohn wegraffte. Leider bekamen wir die schreckliche Nachricht mein Bruder sei gestorben. Die Amme von Zoe sagte daß habe sie gewußt. Denn Morgens bei Tages Anbruch habe sie Vaters Thür öffnen hören. Er sei gewiß zu ihm sich in Gedanken versetzt, um Vater die Kinder zu empfehlen. Ach das brauchte nicht so der Fall zu sein. Vater hatte keine Erscheinung gegehabt, u. ich auch nicht. Aber unser erstes war Adolph zu uns zu nehmen, u. mein zweites auch Eduard nicht von ihm zu trennen. Vater überlegte sich dieß in Stillen u. als sie Michaelis kamen, war Eduard auch da u. Vater überraschte mich mit ihm. Ich bin auch da Tante sagte er! Adolph Michaelis hat mir nur Freude gemacht, u. ich kann nichts sagen als daß er sich immer als ein Sohn genommen hat. Er macht dem Namen der Michaelis Ehre u. auch Wiedemann, indem er nun seine Stelle als Hebammenlehrer hat, u. Wiedemann sich freute sie einen so würdigen Nachfolger zu übergeben. Eduard hatte viel Leichtsinn aber auch viel Liebenswürdigkeit u. Gefälligkeit, u. die ihn gekannt haben werden ihn immer in Liebe gedenken.

Durch die beiden Knaben hatte sich unsere Hausgenossenschaft vermehrt. Adolph M.u. meine Emma waren die Heranwachsenden, u. ich bekam in Jahre 12 noch eine kleine Theone, das Nestquackelche wie Göthe sagt. Die Gesundheit von W. hatte sich gestärkt, allein doch später erst so, daß er sich jeder Lust wieder aussetzen konnte u. reiten wie schwimmen. – Nun kam das verhängnißvolle Jahr 13, u. der kalte Winter. Dann die Schweden. Uns ward die Einquartirung wegen der Mehrzahl der Gemeinen sehr lästig. Die Liebenswürdigkeit des Grafen Pucke der 6 Wochen bei uns wohnte, ein Franzoß den Herzog v. Bery zugethan, belästigte uns nicht, so wie zwey vortrefliche Schweden. Besonders gehörte der Graf Pucke ganz zu uns, u. er hat uns später wieder besucht u. ist immer mit Freundschaft der Famille zugethan gewesen, u. nahm Theil an Allen. So viel Ungemach man auch hatte so ward doch auch viel angenehmes dabei. August Wilhelm Schlegel mein Schwager war mit den Kronprinzens hier u. Mad. Schleiden eine geb. Nuys die er auch noch wie ich aus Braunsch. kannte versammelte[48] uns oft in ihren Zimmer welches sie wegen einen Wochenbette nicht verlassen konnte. Schlegel hat uns manchen Abend mit vorlesen erfreud, so aus den Nibelungen wie aus Schäcksp. Noch gab es manche ergözliche wie angenehme Erscheinung. Auch waren die Hamburger noch von Jahre 13 in Kiel wo uns besonders die Famillen Schwarz u. Poppe liebe Bekannte waren u. geblieben sind fürs Leben. Der Krieg brachte manches, auch früher. So die Braunsch.[weiger?], welche in Jahre 6 flüchteten mit dem Brausch. Hauß[?]. Dann in Jahr 7 meine liebe Dorothea Schlözer mit ihren Töchtern u.H. von Villers welcher Brandis sehr befreundet war. Die Schrecknisse in Lübeck hatten ihre Gesundheit besonders ihre Nerven zerrüttet so daß sie ohne sich schwach zu fühlen nicht über diese Tage zu sprechen vermochte, die sonst starke auf die selbst der Bankerott des Mannes nicht so wirkte. U. sie sagte als man es ihr in Göttingen wo sie zum Besuch war beizubringen suchte auf die zarteste Weise: daß habe ich mir immer gedacht u. bin vorbereitet. Sie schränkte sich nun ein u. lebte mit Mann u. Kind in Göttingen. U. wie vortreflich nahm sie sich, wie pflegte sie den Alten Mann, wie ist sie Mutter der Kinder gewesen. Zwey gingen ihr voran, die lezte folgte ihr, u. so stirbt alles liebe auch mir voraus, woran mein Herz hing.

Im Frühjahr verließ uns Eduard, da er sich dem Militär zuwendete, u. eine dem angemeßne Ausbildung in Hannover zu erhalten. Auch hatte er eine Stelle in der eng. deut. Legion erhalten, u. zog die damit verknüpften 340Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens eng. Sold halbe ob wohl er nicht mit in Waterloo war. Emma reiste mit ihm bis Hamburg wo sie ein paar Monathe bei Freunden verweilte bei To der Horst, u. bei Lehmann Zeichenunterricht [nahm]. Sie kam zurück u. ward aber vorher mit Ad. Michaelis confirmirt. Nun war sie in die Welt gekommen, u. nachdem sie schon einen Freier zurück gescheucht hatte weil sie ihn nicht mochte – – – so fand sich in dem aus Gießen hergerufenen Professor Welker ein neuer, u. geliebterer. Leider blieben sie nicht in Kiel. Kaum war die Hochzeit den 12. Mai gewesen, als auch W. nach Hamburg mußte mit G.v. Reventlow zur Übernahme von Lauenburg. Als später sie ihm folgte nach Ratzeburg, u. nun kam der Ruf nach Heidelberg, u. sie kamen nur wieder um uns zu verlassen. Eine schwere Trennung. Emma ging[49] mit leichten Herzen u. froh die Welt kennen zu lernen. Es schien ihr alles leicht an der Hand des Mannes ihrer Wahl. Allein man kann die Verhältnisse u. Verhengnisse nicht voraus sehen, u. es ist ihr viel gutes aber auch viel schweres in Leben geworden. Sie hat viel erfahren u. Gott mag die gute, starke Emma nicht verlassen wenn ihr das Leben noch schwer werden könnte, was bei der Stellung ihres Mannes nicht ohne [Wahrscheinlichkeit?] ist. Seine Liebe ist noch groß, u. seine Achtung hat er noch als er hier war bei unsern Gastmahl laut gegen die Freunde ausgesprochen, was für mich ein Balsam auf alle Wunden war.

Nun war Minna auch herran gewachsen. Sie machte Vater viel Freude da er sich an den Fortschritten die sie am Fortepiano machte erfreute. Michaelis verliß uns u. ging nach Göttingen. Minna hatte wie Emma auch eine Freundin Fanny Rantzau, wie Emma Louise u. Nancy. Diß war ein sehr angenehmer u. inniger Umgang. So blieb auch Julie Hegwisch verheirathet mit Dahlmann, immer die treue, mir liebe junge Freundin die sich in meinen Haus verlobte mit Dahlmann, eben vor der Abreise von Welker u. Emma. Dahlmann ist Jahre lang mein Kostgänger gewesen, u. hat manchen ganzen Tag mit uns verweilt, wenn er unwohl zum Arbeiten war. Man schreibt daß nieder weil es erfreulich ist daran zu denken, u. an die Stunden wo er unß vorlaß alles was es schönes u. herrliges gab, die Antigone u. so w. Später auch wie Julie bei mir im Haus war, u. ich ihrer Gegen Liebe mit Dahlmann mich freute u. endlich der Erklärung am 12en Sep. meinen Geburtstag.

Wiedemann reiste in Sommer 1817 nach Achen. Diß Bad stärkte ihn sehr. Von da machte er auch einen Besuch nach Heidelberg zu Emma. Ein Jahr später 18. reiste Minna mit Welkers die zum Besuch in Kiel waren dahin. In H. genoß Minna den schönsten[?] Singunterricht bei Thibaut dessen Singverein sie benutzen durfte, u. was ihr viel Nutzen brachte. Ihre Stimme war auch ausgezeigent schön u. verbunden mit ihren guten Spiel dem Vater zur Freude. Es kam auch ein [kein?] ausgezeichenter Musiker nach Kiel der nicht Zutritt bei uns hatte, u. wenn Minna in den Concerten der beiden Romberg, die uns auch Freund waren sang, u. ihrer Zurechtweisung sich erfreuen durfte[50] so war diß zu ihren Fortschritten eine große Hilfe, wie auch Kulau, Weber u. mehrere andere Ausgezeichente Männer deren Kompositionen sie dann sang.

Welker hatte nun einen Ruf nach Bonn auf die neu gegründe Hochschule – er nahm ihn an, weil er glaubte die zugige Luft in Heidelberg sei seiner Gesundheit nicht zuträglich. Minna machte den Umzug mit. Zuvor machte sie aber mit Emma einen Besuch in Ofleiden bei den Schwiegereltern von Emma. Dort lernte sie Ernst kennen, u. diese Bekanntschaft hatte gleich einen entscheidenden Einfluß in ihre Zukunft.

Ich reiste in Sommer 1819 mit der kleinen Theone nach Bonn um Minna wieder abzuholen, welche dann da Emma noch keine Kinder hatte wenn sie wolte wozu sie große Lust hatte bleiben sollte. Aber mit einmal als wir auf den hohen Zoll am Rhein waren kam ihr eine solche Sehnsucht villeicht nach dem Meer daß sie sich weinend an Minna schloß, u. sagte ich bleibe nicht in Bonn, u. dabei verblieb sie auch, u. sie hatte eine solche Angst daß man sie zurück lassen würde, daß sie die Nacht nicht schlafen konnte obwohl es ihr so gut in Bonn ging, u. sie an der Prof. Kastner die in Hause wohnte eine große Gönnerin u. an deren Sohn einen Spielcameraden hatte, u. wir unß oft über die Geduld der leidenden Frau wanderten wenn wir das Gelaufe über uns hörten. Der Prof. Gottlieb Welker wohnte auch im Hauß am Münsterplaz, u. dieser aß auch bei uns, u. er ist mir ein besonders angenehmer Umgang gewesen, u. die Verbindung hat auch bei besonderen Ereignissen des Lebens noch schriftlich sich gezeigt. Ich werde seiner stets mit Achtung u. Liebe gedenken. Von Emma hält er besonders viel. In der Zeit war auch als ich in Bonn sonst so angenehme Tage hatte u. so viele ausgezeichente Dinge sah, u. Gegenden wie Menschen kennen lernte, viel erfreuliches für mich, die Beschlagnahme von Welkers Schriften u. Büchern. Ja selbst auf meine Briefe erstreckte sich diß, u. nur meines Schwagers Schlegels wie Prof. Mittermaiers[?] Verwendung schaften sie mir wieder. Emmas Geist zeigte sich auch hier als ein starker, u. Herr v. Walther bewunderte die Frau, sie wie die Arnd bei der Gelegenheit. Wie unnütz, u. unwürdig das Verfahren war, hat Welker in seiner Ausführlichen Vertheidigung gezeigt, u. ich habe auch alles Ausführlich in meinen[51] Briefen an Vater erzählt, die aber wohl nicht bei meinen Briefen an Ihn aufbewahrt sind. Man lernte aber die Freunde recht bei dieser Gelegenheit kennen. So auch Schlegel nahm sich vortreflich, u. es zeigte seine fortwährende Liebe für die Famille seiner Frau, meiner Schwester der[!] obwohl getrennt er achtete u. in uns noch ehrte wie er diß auch wie ich später mit Theone, Valentiner, u. Minna in Bonn war zeigte. Er sagte gleich mir zum Trost – denn wer konnte wissen so sehr ich auch von der Unschuld von W. überzeugt war was man noch finden wollte – daß wenn sich irgend etwas ereigente, u.W. Freiheit in Gefahr komme, Er Schlegel sich Emmas als Onkel annehmen würde u. in dem Fall das man W. von Bonn nehme, Emma gleich zu Ihn kommen sollte. Was konnte ich mehr erwarten, u. ich konnte ruhig von Bonn abreisen die nicht leere Worte gewesen sein werden. Emma reiste mit mir u. Minna u. Theone bis Ofleiden. Prof. G. Welker begleitete uns bis Koblenz, u. wir hatten viel ergözliches zusammen auf dieser kleinen Fahrt. Wir brachten auch in Neudiedendorf einige Stunden zu, um uns mit der Gemeine der Herrnhuter bekannt zu machen u. deren Einrichtungen zu betrachten. In Ofleiden ward mir die Neigung von Ernst u. Minna bekannter, u. ich fand, da sie einen sehr guten Heiraths Antrag des Prof. B. in Bonn ganz ablehnte so sehr er auch in sie drang u. er wolte sie sollte sich erst in Kiel entscheiden, daß wenn die Sache sich anders stellte, u. Ernst eine Stelle erhielte sie nur die seine werden würde. Zur Erklärung kam es in Ofleiden nicht. Ich glaubte auch es sei besser Minna bedenke sich noch, obwohl ich sie nicht überreden wollte, u. ich auch mit Wiedemann doch reden wollte, ehe etwas Entscheidendes geantwortet würde. Es kam aber zu einer Erklärung von Ernst, der Minna nicht missen wolte u. mit seinen Vater redete der ihm antwortete daß wenn Gottlieb sie haben wolle Er sehr sich freuen würde, allein ein Mädchen wie Minna für die Stadt erzogen passe sich für einen Landprediger nicht. Allein es hat sich gezeigt wie treflich sich alles macht, u. wie Minna ihren Haushalt versteht. Ernstens Ausdauer bei dem Vater hat gesiegt u. als sie mit ihm zog war Er erst den Vater zur Hülfe gestellt, u. sie hat noch länger ehe der Alte abging u. Ernst des Vaters Stelle erhielt, glüklich u. froh mit den beiden Alten gelebt u. dann die[52] Wirthschaft selbst geführt, u. den Alten treu geflegt, u. mit der Mutter an seinen schweren Lager ihm die Augen zugedrückt, u. ward sehr von ihm geliebt. Die Mutter starb später. – – – – –

Minna verheirath u. Zoe die süße Zoe in Herranwachsen, der Sohn Rudolph auf der Schule in Ratzeburg reisten wir in Jahre 22 nach Ofleiden aber erst nach Bonn, Vater auch Zoe Theone u. ich. Eine schöne Reise, über Ofleiden zurück, wo wir bis zur Geburt eines Töchterchen warteten: Emma am 6ten November. Auch Michaelis kam dahin von Paris u. da er gewandert war zu Fuß, so war er der alten Frau Welker verfallen die ihn nun bestrickte. Es gab eine lustige Kindtaufe, wovon ich aber nur von ferne hörte, denn ich blieb oben bei Minna. Dann zwey Tage darauf reisten wir ab, u. nahmen auch Michaelis mit uns, u. fuhren schnell auf den gefrornen Wiesen nach Schweinsberg ohne erst uns stoßen zu lassen auf den schlechten Steinpflaster. – Über Braunsch. Freunde u. Bekannte u. Verwante begrüsend, reisten wir über Ratzeburg um auch Rudolph zu besuchen, der die Zeit bei Prof. Beckers[?] zubrachte bis er zum Studium nach Kiel kam. Freilich wurden besonders die großen Ferien u. Weihnachten benutzt um uns zu besuchen aber es ist doch schwer auf so viele Jahre ein Kind von sich zu geben. Doch war es so besser. Oft fürchtete ich diese Abwesenheit könne ihn uns entfremden u. erkalten. Allein er ist ein so liebender Sohn, ein so anhänglicher daß man immer neue Freude darüber hat, u. weil er denn auch das der Kinder ist, die am wenigsten bei uns, will ich noch die lezten Jahre meines Lebens bei ihm bleiben, u. er soll wie ich die Freude haben daß seine treue Mutter bei ihm stirbt u. von ihm geflegt werde. Ihm ward es nicht so gut immer bei uns zu sein, u. wie manche Freude hätte er getheilt, u. so abwesend – wie betrübend für eine Mutter u. die Geschwister.

Was ich nun niederschreiben kann, ist, da meine Kinder mit mir gelebt haben, auch durch die Briefliche Mittheilung nichts fremde geblieben, mit weniger Worten zu sagen. Zoe u. Theone die ich nun allein bei mir hatte, wuchsen nun herran. Es kamen Reisen vor von Wiedemann nach Kopenhagen wie Hamburg, was aber für das Leben nichts Bemerkungswerthes hatte, nur für sein Herz daß Er 3 Male in[53] Schwarzenbeck war um der Gräfin Louise Criminil geb. Rantzau die Freundin von Emma, Minna, u. auch nun da die Jahre sich gegleicht haben auch Theone, sehr zugethan. Er rettete sie drey Male von Tode u. ist von ihr geliebt u. geachtet wie ein zweiter Vater so wie Wiedemann sie zärtlich liebte wie eine Tochter. Michaelis ließ sich nun in Kiel nieder. Sein Bruder Rudolph kam hier zu Ihm u. besuchte die Schule. So kam auch auf ein Jahr Adolph Oth, der Sohn von Wiedemanns Schwester Lotte in Bern verheirathet. Adolph Oth geliebt von allen die ihn kannten, ein Künstler, Arzt, Botaniker u. Naturforscher. Er hat der Welt ein Andenken hinterlassen in seinen Lithografien von Algier. Leider starb er ein paar Jahre später als sein Streben ihn nach Sirien u. Jerusalem brachte um gleiche Zeichnungen zu machen einen zu frühen Tod. Er starb in Jerusalem an der Pest. Die Seinen haben noch werthvolle Zeichnungen allein er selbst wolte sie lithografiren u. so bleiben sie nun der Welt unbekannt.

Michaelis brachte auch seinen Freund den Pros. Olshausen zu uns. Dieser ward nun auch unser Tischgenosse wie wir Michaelis, Oth, u. Rudolf als solche hatten, u. Vater diese 3 wie seine Söhne betrachtete. Zoe durch ihre Eigentümlichkeit zog Olshausen, eben aus den Kinderjahren, unbezwingbar an. Sie war eben das Jahr confirmirt, wie in seinen Herzen sich die Liebe regte. Sie war ihm unbewußt zugethan, u. viele von den beigefügten Gasell öffneten ihr wohl im Gemüth das Verständniß, allein vor der Welt zeigend nicht. Sie glaubte wohl nicht an die Möglichkeit geliebt zu sein. Olshausen reiste nach Paris ohne sich ihr zu erklären allein es blieb nicht dabei. Briefe Gedichte u. so w. gaben es daß Er nun um sie warb aus der Ferne, u. sie sich mit dem vollen Bewußtsein ihrer Zuneigung sich ihm gab. Nun kam ein Briefwechsel, u. da Ols. noch länger in Paris wegen Arbeiten bleiben mußte, ward verabredet, daß da[?] Wiedemann uns nach Freiburg in Breisgau führen wolte wohin Welker einen Ruf angenommen hatte, da man in Bonn ihm keine Satisfaktion gab. Wir reisten allso dahin, u. fanden schon in Göttingen Prof. Olshausen. Zoe wußte daß sie da ihn schon treffen sollte. Welch Wiedersehen! Allein [für] die zarte Gesundheit, die sie hatte war die Erschütterung geistig wie körperlich wohl zu stark u. wenn früher sich[54] Uebel zeigten, auf der Reise mehr. Indessen wenn diese Anfälle von einer Art Lähmung in Fuß vorüber u. Mangel an Luft, so war sie die erste, heiterste u. lebenslustigste.

Welche schöne Wochen in Freiburg! In Offenburg trennte man sich von Olshausen. Wiedemann war von Ofleiden wo wir zuvor waren, allein den Wissenschaften zu lieb vorann geeilt, u. wir reisten etwas später u. nahmen Minna als eine unerwartete erfreuliche Gabe Emma mit. Die Reise war sehr angenehm dahin, da wir sie ganz nach Belieben einrichteten u. Vater der gerne eilte u. vieles schon kannte was wir nicht, uns in der Anwendung unserer Zeit nicht hinderlich war u. wir genossen alles schönen ohne getrieben zu werden. Er eilte durch Heidelberg u. ließ sagen als wir eben bei J[ustizrat] Thibau[t] im Singvereine waren, ob wir nach Freiburg zu bestellen hätten. Olshausen ging hin, u. Vater reiste weiter, was ihn recht Charakteresirt, der so gewohnt war mit wenig Bedürfnissen allein durch die Welt zu streifen, zu Fuß wie zu Wagen, früh auf, u. immer wohl auf.

In Braunsch. traten wir bei meinen Schwager Eberhard Wiedeman ab, wo wir meinen Sohn fanden, der uns [da] eben Ferien waren in Br. abzuholen die Erlaubniß hatte. Leider zeigte sich auch unterwegens das Uebel was ihn noch plagt: Astmah, u. ich hatte viele Sorge für ihn. Wir reisten wieder über Ratzeburg u. brachten ihn zurück. Bei der Heimkunft hatten wir nun viel zu thun um Zoes Aussteuer zu besorgen. Olshausen kam in Feb. den 11. zurück. Die Hochzeit war in Aprill. Aber kurz schon [nach?] Pfingsten fing die liebe Zoe an sich unwohler zu fühlen. Sie bekam öfter diese Lähmung in linken Fuß wie auch den Winter viel[?] ein einschlafen der Seite. Ich weiß nicht was man damals glaubte, aber später sprach man aus, es sei ein Herzübel u. so welkte diese schöne Blume. [Am Rande: Beilage der Gasell an Zoe von Olshausen.] Sie war oft heiter – ach u. glaubte wohl nicht daß sie ihr liebstes auf der Welt so balde verlassen müßte. Sie hatte Olshausen unendlich lieb u. lebte nur in ihm, obwohl sie gerne ausging u. mit Freundinnen sich ergözte u. Pläne[?] machte. In November fing es an schlimmer zu werden. Endlich konnte sie das Haus nicht mehr verlassen. Die Lähmung nahm zu, ihr Geist immer frei.[55] Ach sagte sie einmal wie werde ich je Olshausen alle die Liebe die er für mich hat, danken können. »Durch deine Liebe«. Er thut so viel. Ich liebe ihn so. Aber mit der größten Liebe schien sie sich arm an Liebe, um ihm ihren Dank beweisen zu können, u. Er war doch nur ihr einziger Gedanke. [Sie] fragte ob er auch erhielte was er wünschte. Abschied haben sie eigentlich nicht genommen in Worten, nur in Blicken. Er kam vor ihr Lager u. sah sie an. Sie schüttelte mit dem Kopf als wolle sie sagen mit mir ist's aus. Sie verstanden sich ohne Worte. Wie sie ins Bette gelegt ward, kam ein neuer Brustkrampf. Er lief um den Arzt zu holen. Sie sah immer nach der Thür, u. wie er wieder kam, traf ihr lezter Blick ihn. Es war der 12. Feb. Abend in der zehnten Stunde. Halb 9 Uhr war ich noch da, die Nacht sagte Michaelis sei keine Gefahr, u. um 10 Uhr hörte ich seine Schritte. Es war vorbei. Wie man u. was man trug, Gott gab Stärke u. wenn man aber so daran denkt fließen Thränen wieder u. der Schmerz ist derselbe. Ich hatte Zoe so lieb – so lieb! Wie angenehm wie ausgezeichent war sie nicht, unbeschreibbar Anmuthig ohne alle Anmasung. Sie dachte nicht daran gefallen zu wollen, hörte gerne ernste Gespräche, u. führte sie eben mit ihren Geliebten auch über Leben u. Tod u. jenes Leben, so wie Alles was ihm Freude brachte sie mit ihm besprach, jede Art von Forschung. Sie starb eben 20 Jahre.

Im Jahre ehe wir 1827 in Freiburg waren hatten wir den sehr lieben Besuch von Emma ihren Mann den Enkel Adolph, Otto u. die Bertha u. sahen uns da sehr balde wieder, wie wir durch die Güte von Wiedemann öfters die Freude hatten. So kam Minna 1827 mit Tante Sophie, Klosterfrau in Braunsch., uns zu besuchen, wie auch kam Onkel Eberhard Wiedemann in Spät Herbst, wie er stets schon zwanzig Jahre uns Jährlich mit einen Besuche erfreute, der erst in den lezten Jahre von den Leben Wiedemanns aufhörte, da die Geschäfte ihn nicht mehr zu reisen nöthigten. Es war immer eine schöne Zeit da es denn viel Unterhaltung gab, u. alle seine Gesangliebenden Freunde u. Verwanten sich darauf freuten, da er einen sehr schönen Bas sang u. Vortrag hatte u. sehr munter war. Er hat seinen Bruder nur ein Jahr überlebt, er starb in Jahr 1842.[56]

Zoe ward damals wie Onkel wegreiste, 1827 Olshausen verlobt; u. Minna nahm auch die Kinder der Liebe schon mit. Die viel versprechende Bertha starb 1837 an der Grippe die damals herrschend war. Wie viele Verluste! Denn auch Minna hatte 3 Kinder verloren, wie es auch alles genau in meiner Bibel verzeichent ist. Wie traurig solche Erfahrungen zu machen! Gott erhalte ihr was sie hat u. Gottes Seegen über Sie Alle.

Wir reisten auch auf 12 Tage zur Versamlung der Naturforscher wo wir bei unsern theuren Freunden Senator v. Schwarz waren. Theone befreundete sich von da an mit den Töchtern. Der Vater, Wiedemann[s] vieljähriger Freund, starb zuvor. 2 Junge Mädchen von 14 Jahren u. nun die uns so liebe Fanny die glückliche Frau u. Mutter. Jenny Theones liebe Freundin ist nach Halifar verheirathet.

Nun gab es wieder einen angenehmen Besuch – u. eine Verlobung. Wiedemann ließ sich Minna kommen, u. Theone verlobte sich mit den nunmehrigen Pastor Valentiner u. es ward eine glückliche Verbindung aus Liebe u. Achtung geschlossen. Und wir reisten, Valentiner Theone u. ich, zu Minna auch noch vor der Vermählung u. nahmen diese auch wieder mit nach Freiburg. Ich war krank gewesen an Gicht. Soll ich u. muß ich es Podagra nennen? Wiedemann war aber nicht allein. Aber selbst mit reisen konnte er nicht mehr. Er hatte die Reise nach Berlin zur Gesellschaft der Naturforscher mit zu vieler Eile gemacht, u. hatte dort sich mit Arbeiten wie mit Beiwohnen der Vergnügungen zu sehr angestrengt eben wie die schnelle zu Hause Reise, da er wußte daß sein Freund Himly u. Frau in Kiel wie sein Bruder Eberhard. In Folge dessen bekam er einen Anfall von Schog, der wieder sich gab, allein nie hat er wieder sich so geistig kräftig gefühlt, u. ward immer mehr angegriffen. Wie traurig einen Mann von den Geistes Gaben, dem Arbeiten so leicht ward, der ein so liebenswürdiger Gesellschafter war, immer mehr von Kräften kommen zu sehen! Gewiß für mich besonders schwer u. fühlbar da er sich auch zu keinen Geschäft mehr selbst tüchtig fühlte, u. sich selbst bewußt wie die Abnahme war.

Rudolph hatte indessen auch ein Jahr hier studirt, ging nun auf andere Universitäten, Göttingen u. Halle, kam wieder um Dr. zu werden u. reiste dann. Wir hatten die große Freude, daß nach langer Verlobung[57] Valentiner hier an die Nikolai Kirche den 14 Sep. 1838 gewählt ward, u. wir unsere Theone auch bei uns behielten. Welche Freude! Rudolph hatte sich indessen in Eckernförde festgesetzt, u. wird da bleiben u. er hofft u. es ist zu erwarten daß seine Praxis zunehme, u. ist auch zu wünschen, da er sich nun nach dem Tode seines Vaters mit Cornelie Pechmöller verbunden hat, die er hat herran wachsen sehen.

Theone hat uns indessen auch einen Enkel geschenkt, an dem der Grosvater noch viele Freude hatte. Wie rührend wenn er segnent seine Hand auf ihn legte, den lieben Wilhelm, bei welchen er selbst auch Gevatter gestanden. Theone hatte ein schweres Wochenbette, u. es war eine schwere Zeit. Schwer denn auch ich litt nach kleinen Zwischenräumen an der Gicht so daß ich gar nicht aus dem Hause ging schon Jahre lang. Dieß hatte eine solche Gewohnheit gemacht, daß ich auch kein Verlangen darnach hatte so lange ich noch Wasser u. Bäume sehen konnte. Allein wie ich schon in Vaters Leben geschrieben habe, Er verließ seine Wonung, zog sich zurück im Gefühl nicht mehr leisten zu können wie ehedem. Nun zogen wir in das Grubesche Haus. Auch da hatte ich Bäume u. Wasser noch, aber auch [da?] ging ich nur selten auf eine Stunde zu Theone, u. ich konnte auch nicht; denn Wiedemann, so gewöhnt mich immer um sich zu haben, obwohl wir nicht [?] nur selten mit einander redeten, da er es nicht mochte, nicht acht gab, war doch meine Gegenwart ihm ein Bedürfniß u. es ist mir nur je einmal schwer geworden nicht auszugehen. Mehr daß ich fast immer allein war, da alle Bekante fühlten daß es Wiedemann nicht angenehm war Menschen auser die Kinder um sich zu haben die uns denn fast täglich besuchten. Theone u. der Kleine, so Michaelis kam uns zu sehen, u. der liebe gute Olshausen, der uns ein treuer Sohn geblieben ist obwohl Zoe nicht mehr auf Erden. Marie indessen macht ihn so glücklich wie nach einen solchen Verlust es möglich, u. Er hat liebe Kinder, die Zoe sehr lieben würde!

Vater ward immer schwächer, u. wünschte eine Auflösung, allein nie hat er es gegen uns aber wohl gegen Colegen ausgesprochen. Dazu kam daß er glaubte noch immer etwas wirken zu müssen u. an eine gewisse Unentbehrlichkeit glaubte. Es ist eine betrübte Zeit eine solche, u. betrübter wie auszudrücken, diß so täglich zu erleben, nicht helfen, ja[58] nicht flegen zu können wozu ich selbst nicht mehr taugte, u. er sich nicht denken konnte auch ich sei 71 Jahre alt wie er, wenn ich selbst nicht zu helfen vermochte. Ich erkrankte nun auch, u. litt unbegreiflich.

Vater W. kam noch zu mir, u. wie er das lezte Mal kam, blieb er vor mir am Bette stehen. Ich mochte ihm nicht sagen setze dich, denn ich fürchtete er könne fallen wenn er von dem leichten Stuhl sich heben würde. So stand er, u. es war zum lezten Male daß ich ihn sprach. Ich fragte wie es ihm bei Essen gewesen. Meine Enkelin Emma aus Ofleiden sagte mir Gros Vater hat nichts gegessen. Ich fragte weiter u. höre er sei ganz aufs Sopha gesunken. Ich schickte gleich zu Michaelis. Er ward zu Bette gebracht, bekam heftig Fieber, fragte oft nach mir.

Ich lag mit den heftigsten Schmerzen, die Nacht wie er starb, u. schlief aus Ermüdung ein wie die Schmerzen sich legten. –

Nun war ich allein, auch die Nacht. Ich konnte klagen [?] Wie gerne [?] hätte ich mich vor ihn geworfen, ihn noch zu bitten mir alle meine Schuld zu vergeben. Er hat bis auf die lezt viel von mir gehalten, u. mich geliebt u. war so gütig, erfreute so gerne. Wenn er so da auf dem Sopha saß hatte ich alter Zeiten gedenkend, mich oft an seine Brust werfen mögen, aber ich hielt mich zurück denn diese Aufregung hätte so Ihn wie mich zu sehr angegriffen u. jezt wünsche ich die Zeit zurück um es thun zu können. Ich konnte nun wieder wie ich auch gesund ward zu Menschen gehen. Aber ich bleibe doch lieber zu Hause. Sonst war mirs als ob ich ein liebes Kind zu Haus [hätte] daß ich nicht verlassen konnte u. mochte u. nun zieht es mich doch zu Haus wo ich auch sei. Den 31 Decb. 1840 werde ich nie nie vergessen. Er ruht in Frieden.

Ich erholte mich langsam, u. die mancherlei Geschäfte nach dem Tode Wiedemanns machten mir viel Sorge, da sie mit mancherlei unerwarteten begleitet waren was sich indessen später alles zu meiner Zufriedenheit lößte, u. ich so die Aussicht habe Sorgenfrei mein Leben zu beschließen. Bei der großen Einnahme ist doch kein Vermögen gesammelt wie bei der Spaarsamkeit weil Wiedemann viel Geld auf Bücher verwendete u. eben auch auf manche Kunstsachen welche nicht das Viertel von dem[59] ersezt haben beim Verkauf. Indessen habe ich doch mein Eingebrachtes was sich auf 5000Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens beträgt [!] u. noch 1000Selbstbiographische Aufzeichnungen Luisens darüber an Capital was einst unter meine 4 Kinder getheilt wird. Ich habe nun stille in Kiel u. zurückgezogen gelebt, u. nur bin ich in den beinahe 2 Jahren ein paar Male aus dem Hause gewesen. Ein Besuch von Welker aus Freiburg erfreute mich im vorigen Herbst, u. ich erhielt das Versprechen daß wenn ich noch eine Reise nach Ofleiden machte Er mir Emma senden würde. Theone, ihr Mann u. ihr liebes Bübeli Wilhelm haben mich täglich durch ihren Besuch beglükt, so daß ich meine Einsamkeit an welche ich auch so gewohnt bin nicht gefühlt habe, da mir still leben ein Bedürfniß ist, ich auch von Gesellschaften wenig gut halte, u. lieber lese, was ich noch ohne Brille thue, da es mir doch schwer wird die Menschen zu verstehn, so angenehm mir eine Unterhaltung mit ein paar Menschen, Männer wie Frauen, ist. Ich kann mich doch auch freuen das meine Jungen wie Alten Freunde mich nicht ganz vergessen haben, worunter ich so Etr. [Etatsrat] Hegewisch, wie Falck zu rechnen habe, so wie Olshausen mir wie Michaelis treu geblieben sind.

Ich ward 1842 wieder von einer Grippe u. Fieber befallen, u. ich glaubte nicht daß es möglich sein würde, den lang gehegten Plan einer Reise auszuführen. Aber da mir fahren immer heilsam ist, u. ich es ohne Gefahr glaubte unternehmen zu können machte ich mich den 10 Juni auf, u. die Reise die ich so bequem wie möglich aber auch so schnell wie es mit einen Haudrer zu thun war, mit einen Mädchen unternahm hat mir nicht geschadet, u. ich kam wohlbehalten bei meiner lieben Minna an, u. erfreue mich nun bei ihr u. betrachte aus meinen Fenster Berg u. Fluhr mit rechter Dankbarkeit, wie auch ihre Kinder. Und nun erwarte ich auch Emma, mit Ottilie, Mathilde u. Emma, u. so werde ich bis Ende August wohl hier verweilen, u. kehre dann nach Kiel zurück um bei meinen Sohn in Eckernförde mein Leben zu enden. Ist mir Gott noch ein gnädiger Gott so habe ich die Freude daß Valentiner als Prediger in meiner Nähe gewählt wird am 29 Juni u. ich auch Theone noch besuchen kann in ein paar Stunden, u. sie bei mir haben in den lezten Stunden des Lebens u. meinen Kopf an ihre Brust drücken. Oft denke ich daß ich in Ofleiden begraben werde. Nun dann auch gut.


Winter 1843. In einsamen Stunden.
Abgerißne Errinrungen.

[60] Wenn ich Nachts nicht schlafen kann, so sind so manche Errinrungen aus der Kindheit u. Jugend, welche ich durcharbeite, u. mir ist als habe ich mancherlei in meinen Leben erwähnt was doch nicht der Fall ist, da ich es so eigentlich nur aus den Groben gearbeitet habe, u. vieles was mir nicht merkwürdig genug schien nicht erwähnt, u. was doch vieleicht in spätren Zeiten ergözt hätte, aus der alten Zeit u. ihren Treiben zu wissen.

Ja wohl war mein Vater ein Feind der Lüge: daß habe auch ich einmal in der Kindheit gefühlt, nicht körperlich aber gemüthlich. Es war Weihnachts Abend. Es war ihm eine Quitung gebracht, die er, es war bei Tische, gleich nachher vermißte. Sie war aber nicht zu finden, u. auf mich fiel der Verdacht sie in kindischer Spielerei zerrissen zu haben. Allein meiner Ueberzeugung nach hatte ich sie wohl bringen sehen aber nicht in Händen gehabt. Ich ward bedroht keinen Weihnachten zu erhalten wenn ich nicht gestände. Ich habe nicht leicht mehr Thränen vergossen. Und was war die Folge davon? Eine Art Eingeständniß. Ich log nun, da ich vorher mit Ueberzeugung sagte, ich wisse nicht daß ich den Frefel verübet. Ich erhielt den Weihnachten, hatte aber verweinte Augen, u. innre Betrübniß u. ich muß sagen, nie in Leben [habe ich] einen Weihnachten erlebt, ohne diesen nicht zu gedenken. Ich möchte sagen ich habe mein reines Gefühl an der Freude dieses Tages verloren.

Mein Vater kam immer vor dem Coleg von 9–10 erst zur Mutter ins Zimmer, um ihr guten Morgen zu sagen. So lange ich errinnre schlif er oben u. sie mit uns unten. Vater frühstückte Kaffee für sich allein, rauchte eine Pfeife dabei, u. sah noch seine Vorlesung durch, wie er auch des Abends that. Mutter trank allein Kaffee, u. so auch ich oder mit Meiner Schwester, wenn sie in Göttingen war. Allso immer ein jedes eine besondere Wirtschaft wie auch Zimmer wo in unsern Zimmer auch zu Abend u. Mittag gegessen wurde. Früh von 9 Uhr fanden wir uns aber auch bei der Mutter ein, und man arbeitete gemeinsam, indessen[61] man sich auch für sich setzen konnte um zu lesen oder mehr noch zu schreiben. Lotte hat auch öfters vorgelesen was noch mehr der Fall war ehe Caroline heirathete. Damals waren die Räuber von Schiller eben herraus u. ich weiß, es hieß Caroline habe Fieber beim lesen bekommen. Die Mutter war über diese Lectüre sehr aufgebracht. Eben so durfte man später kaum die Götter Griechenlands als unchristlich u.s.w. lesen. Desto eifriger [wurden sie] verschlungen u. auswendig gelernt, wie so manches andere Gedicht. Meine Schwester Lotte machte sich alles mit abschreiben zu eigen. Amalie Böhmer, nachherige Meyer, war dann immer da, u. theilte jeden der Art Genuß da sie auch sticken lernte bei meiner Mutter. Die Familienglieder waren auch so verbunden. Die Gärten, die enge Gasse dazwischen verband uns alle u. es war jede Tageszeit gleich wo man sich zu einander fand, obwohl die Mütter nahe verwand sich doch selten besuchten, eigentlich fast nie.

Die Frau des Consistorialrath Leß, aus Strasburg, war eine sehr genaue Freundin meiner Mutter eine ausgezeichente Frau, die auch uns freundlich war. Bei ihr logirte auch Lavater u. ich kann mir ihn noch lebhaft vorstellen. –

Schlözers gehörten auch mit zu denen mit welchen ein ofter Verkehr war. So auch die Väter, u. mit dem ist es eben das auch Vater über den Marquis Grosse Graf Vargas geredet hat, u. dieser schrieb mir auch über seine Aufnahme [?] u. man glaubte Grosse suche alles auf um Schlözer zu schaden, u. ihm auf der Straße nachzustellen Abends, was ich doch nie glauben kann. Mein Vater hat auch über Grosse nur zwey Male mit mir geredet, wie er seine Werbung annahm, u. wie er mir sagte, ich solle jeden Verkehr mit Grosse aufgeben. Ich weiß auch nicht wie u. durch wen mein Vater mit Grosse verhandelt hat. Diese Art von Schweigsamkeit gegenseitig ist mir unerklärbar, da Offenherzigkeit von beiden Seiten nur Gutes gebracht hätte. Ein Räthsel bleibt es mir auch daß wenn Grosse mich nie geliebt welchen Zweck für seine Ehrsucht diese Intrigue haben konnte. Bekannt wolte er ja unsere Verbindung nicht wissen, u. dennoch kannte er das Geschwätze der Menschen sehr wohl, unbegreiflich. U. es ist nur zu gewiß, daß dieser Mann derselbe, der jezt in Kopenhagen lebt, u. mit dem König nach Norwegen.[62] Nach der Beschreibung dieselbe Gestalt – das Maltheserkreuz – u. wie Prof. Olshausen über Wiedemann mit Ihm geredet welchen er einmal in Kiel besuchte. Denn Grosse war auch Naturforscher, u. diß brachte ihn eben in Göttingen Prof. Blumenbach nahe. Leider war ich nicht zu Hause, obwohl mich dieses Wiedersehen sehr erschüttert haben würde so habe ich doch den Wunsch gehabt zu Hause gewesen zu sein. Vargas sagte aber Olshausen er kenne Wiedemann nicht u. gleich darauf sagte Er, die Etatsräthin ist auf einer Reise nach Deutschland, wo Grosse, oder Vargas sagte »Sie nicht aber Ihn«. Von einer Bekantschaft mit meinen Bruder in Göttingen wolte er nicht wissen.

Die Handschrift würde mich gleich dahin bringen daß ich wüste, ob der Marquis Grosse Graf von Vargas mit den in Kopenhagen derselbe sei. Leider hat wie ich schon geschrieben habe meine Schwägerin die Briefe von Grosse an meinen Bruder vernichtet, aus welchen die Gründe seiner Handelsweise hätten clar werden müssen. Sie habe meinen Nahmen gefunden. Ja gewiß, allein so Gott weiß habe ich mir nichts vorzuwerfen, wie das ich Ihm mehr vertraute wie allen den Meinen. Aber eben zu wissen warum er mir die Meinen herrabsetzen wolle ist mir u. wird es bleiben unergründlich, u. ich habe noch immer Lust an diesen Grafen Vargas zu schreiben. Ich habe Wiedemann nie über mein Verhältniß gesprochen weil ich fürchtete er könne unvorsichtig sein, nur daß ich glaubte Er sei ein Freund von Michaelis gewesen. Zuerst bin ich auf Ihn aufmerksam geworden, als ich Gräfin Rantzau über Ihn reden hörte, wo er eine ähnliche Geschichte in Kopenhagen hatte, mit der Tochter von Bischof Münter. Damals war er doch schon ein Mann über 40, u. sie ein jung Mädchen eben so umgarnt wie ich.

Es ist wohl auffallend daß diese Begebenheit noch jezt in meinen hohen Alter mich bewegt, ich glaube nicht daß es die damals gehegte Neigung war, aber der Einfluß aufs ganze Leben, es hat Mißtraun in mir geweckt, auch leichtsinnig gemacht, bethört. Aber es ist eben das Geheimniß was noch über der Geschichte schwebt über das Warum des Betrugs u. der Werbung, dabei diese Umstrickung. Wie er wegreiste sagte oder schrieb er mir auch, er schreibe jezt Memoiren des Marquis G.u. darin würde ich mehr über ihn finden. Ich habe sie gelesen, was[63] ich aber fand war Verspottung der Meinen. Ich habe dieses Buch nie wieder zu erhalten gewust, u. es ist wohl ganz verschollen. Es kam herraus in den Jahr 91, ich würde jezt wohl klüger daraus werden, u. wohl merken, daß auch ich schlecht weg kam. Ich will nur Gott danken, daß es nicht in seine Pläne paßte mich mit sich u. ins Verderben gezogen zu haben. Dann hätte mich Philip rächen [?] können, denn Er hat doch den Schlüssel von allen gehabt. Das ich auch nie den Muth hatte später mit ihm zu reden.

Caroline wuste so wenig wie ich über Grosse, denn ich fragte sie wie sie in München lebte. Viele Menschen sein ihr wieder vorgekommen aber Grosse nie. Übrigens glaubt Prof. Olshausen Grosse Vargas in Göttingen sei derselbe wie Grosse Vargas in Kopenhagen, er sei ihm nie wieder wo begegnet, u. [habe] keinen Gegenbesuch erhalten.

Angenehme Nachmitage waren es stets wenn Mariane Heyne kam oder wir Lotte u. ich nachher zu ihr gingen. Sie ehrte u. liebte meine Mutter sehr. Leider war sie bei allen ihren Verstande Launenhaft u. konnte herzlos scheinen. Einer Stiefmutter übergeben u. einer alten unverheiratheten Tante, Schwester von dieser, kam sie als 13jähriges Mädchen in strenge Zucht bis die lezte an Blumenbach vermählt wurde u. dem der Professor als Mitgieft wurde. Sie ist immer untadelich gewesen u. hat so viel ich weiß den Mann nicht unglücklich gemacht u. geachtet ist sie auch später von Marianne. Die Mutter zeigte aber wohl Blösen, u. so war öftrer Wechsel in den Verhältnissen, u. eine Entfernung die man sich kaum vorstellen kann, unter sonst trefflichen Frauen. Marianne sagte auch nie meine Mutter, immer Madame Heyne, u. das Verhältniß mit den Schwestern blieb stets locker, das mit dem Vater u. der Tochter immer sehr gut. Der Alte Herr mußte um in sein Coleg zu kommen, immer durch der Tochter Zimmer. Wie oft ist der alte Herr noch bei uns geblieben. Sonderbar war es auch daß Marianne für sich allein Herrn Besuch annahm u. öfter blieb dann auch der Vater ein Weilchen da. Die Mutter sah man nur höchst selten, allein meine Mutter besuchte sie zum Kaffee der Sitte gemäß, dann ward der Tochter angesagt. Später habe ich mit der Mutter über alle diese Sonderbarkeiten gesprochen. Schuld waren beide, u. ein gutes[64] Vernehmen sehr wandelbar. Gewöhnlich fuhr Marianne auch mit uns zum Ball.

Meine Mutter begleitete uns zu allen öffentlichen Bällen, dann hatte mein Vater immer den Abend einen Freund zum essen, H[ofrat] Schlözer, meistens aber Prof. Tychsen, der viel zu Vater kam auch oft mit ihm ausfuhr. Wir wären wohl gerne eimal mit gefahren allein dann würde H.P. Tychsen sich mehr an uns gewendet haben besonders an meine Schwester Lotte, allein davon hätten wir wenig Freude, u. mein Vater die gewünschte Unterhaltung nicht gehabt. Wie öfter sagte mein Vater wer von Euch will nun Prof. Tychsen, er legt es mir immer so nahe, u. erwartet wohl daß ich ihm meine Töchter antrage. Er mahlte meine Schwester. Ich habe das Miniaturgemälde wieder von Dieterichs erhalten. Allein der gute Mann hat das Original für sich behalten, was weit schöner war. Ich habe es später bei seiner Frau gesehen, die eine Kaufmannstochter in Kiel war, ihm Vermögen zubrachte, u. später zwey sehr hübsche Töchter mit denen sie auf den Bällen noch in [die] Wette tanzte. Die eine ist von einen Dichter Schulze geliebt u. besungen. Gedicht die bezauberte Rose. Sie starb. Die zweite vermählt an einen natürlichen Sohn des Herrn von Berlebsch, Gemahl der berühmten Emilie geb. v. Opel. Durch einen wunderbaren Zufall hatte die Prof. Tychsen viele Briefe meiner Schwester an Dieterich erhalten. Sie waren ihr von Schulze gegeben der sie in einen Schreibtisch gefunden, in einen geheimen Fach, welchen er bekam da er in Dieterichsen Hause wohnte, der meinen Schwager gehört hatte. Oft hatte dieser die Briefe vermißt, aber natürlich nicht gefunden. Unfein war es sie nicht gleich abzugeben. Ich erfuhr es durch ein ohngefähr, u. habe die Briefe der Frau Tychsen durch meine Freundin die Hofräthin Hymly abfordern lassen u. sie meinen Schwager wieder gegeben, wo die Töchter sie auch nebst den Bildchen im Nachlaß fanden.

Ein fleißiger Besucher meines Vaters war der Prof. Sartorius ein großer Satiriker, der Vater gar mancherlei erzählte, u. wir immer merken konnten wenn Er bei Ihm gewesen war. Ein Schweizer Stapfer, der in unserm Hause wohnte kam auch in den Jahren von 86–88 viel zu Vater. Es sind auch immer viele Studirende bei uns vorgestellt worden,[65] u. diese machten dann gegen Abend Besuch auf ein oder 2 Stunden. Mein Vater kam nie herrunter. Er ließ aber wohl fragen wer da sei. Um 8 Uhr wuste jeder daß man zu Tische ging. Daß dieß nur steife Besuche waren versteht sich, auser besonders ausgezeigente, wie Schlegel, auch v. Humbold u. solche. Die Masse langweilte doch eigentlich. Etwas freier wurden diese Besuche wie Caroline im Hause war u. annahm. Frei in der Weise daß man sich mehr mittheilte, die Unterhaltung auch geistreicher ward, besonders interessant da zu Anfang der fr. Revolution auch studierende aus Paris da waren, ein Herr v. Launnay, kein Verwanter dessen der bei der Stürmung der Bastille genannt worden, ein gescheuter aber ebenso langweiliger Mensch der eigentlich kein fr. Blut hatte, öfter melankolisch, auch zulezt in Geldverlegenheit, da er sich wegen einer Vorhersagung er würde eines nicht natürlichen Todes sterben, nicht wieder nach Frankreich wagte. Später fand ich ihn bei Buchhändler Fauche in Hamburg unveränderlich – peinlich mit ihm zu sein. Doch erhielt er in Göttingen sehr interessante Briefe von einer Nichte von einen der Minister, ich möchte glauben Colbert die er immer mittheilte. Auch hatten wir damals da meine Schwester in Göttingen war, das man zusammen etwas gelesen, jeder eigentlich etwas über die Liebe schrieb, nach Art der Liebeshöfe Urtheil gefällt wurde, ein Scherz den man natürlich geheim hielt. Es waren nur wir 3 Schwestern, A.W. Schlegel, ein H.v. Folkersahm Liefländer ein eben so gescheuter wie liebenswürdiger, feiner, aber auch wohl sehr ausschweifender Mensch welchen Schlegel damals besang allein diß Gedicht nicht mit in der Sammlung seiner Gedichte hat aufgenommen, wahrscheinlich weil er sich nachher in ihm geteuscht fand, oder sein Lob zu hoch gestellt. Bürger, wie Schlegel u. Fölkersahm, u. dieser Herr v. Launnay der eben da war konnte nicht ausgeschlossen werden. Folkesahm war nemlich der Anbeter von Dorothea Schlötzer, u. nun euserte man ein eigentlich Gelehrtes Frauenzimmer könne nicht lieben, ja geliebt werden. Folkersahm ward aufgegeben dieß zu vertheidigen u. diß gab die Veranlassung zu der kleinen Gesellschaft, die geheim gehalten werden mußte. Schlegel gab die Antwort – schriftlich. Bürger laß sein Gedicht an die Auserwählte vor, u. sogar ich gab mein Scherflein, Lotte besonders.[66]

Wir hatten manchen Spas davon, zumal da einst wie wir vorlesen wolten ich weiß nicht welchen Aufsatz, Herr v. Demidof kam, um dessentwillen man nicht aufgeben wolte vorzutragen, u. ihm gesagt ward diß sei eine geheime Gesellschaft ein Liebeshof, u. nun er da wäre sagte Schlegel müsse er auf sein Schwerd den Eid ablegen, steten Schweigens. Er kam nie wieder in unsere kleine Gesellschaft. Es traf sich eben so dieß ist der nachher viel besprochne H. v. Demidof, der in Paris, ich glaube als Gesanter war u. seiner Gemahlin von einer Freundin, einer Generalin v. Schwigel Diamanten gestohlen wurden. Eine strenge Strafe mußte diese verführte Frau dulden, verführt Gott weiß durch welchen Demon. Sie hätte die Steine ja nie tragen dürfen. Ein Blick nach dem Kamin wo sie die Diamanten in Scheidewasser hatte um das Silber zu lösen verrieth sie. Sie war in der Gräfin D. Kabinet u. schickte die Jungfer um ihr ein Glas Wasser zu holen weg, u. diese ward nun beschuldigt leugente u. sagte nur die F.v.S. sei bei ihr in Zimmer gewesen. Später nach der Strafe will man die Unglückliche Frau in Mainz gesehen haben am Fenster. Man ging zu ihr, u. sie bekam ihre Pension wieder. Ihr Gemahl war General, sie eine geb. v. Bothmer. – – Selbst Tatter war nicht in den Geheimniß dieser kleinen Gesellschaft. Man scheute wohl eine Mißbiligung obwohl ohne Grund es war ein Scherz sehr unschuldig.

Wie viele nachher berühmte junge Leute hat man gekannt, man hat sie mehr oder weniger gesprochen, über sie reden hören. Wenn sie mich auch vergessen haben, so ist ihr Nahme in den Zeitungen mir doch aufgefallen, u. man hat darüber gesprochen was aus ihnen nachher geworden ist, u. ob sie die Erwartungen die man sich machen durfte erfüllten. So die beiden Humbolde gewiß. Aus früher Kindheit sind mir auch die Grafen Stadion sehr lebhaft vor Augen. Der jüngste von dem Bettina schreibt, u. ich kann sein Eußeres nur mit den Jugendbilde von Göthe vergleichen denn wie ich diß sah fiel der Graf mir ein. Der Aelteste schien ein ernster junger Mann zu sein. Man bedauerte den jüngsten immer daß er zum Geistlichen bestimmt sei.

Nun schon eine Reihe Jahre nehme ich fast keine Zeitung in die Hand, daß ich [nicht] den Tod von meiner Jugend Bekanten Einen[67] angezeigt finde, u. ich oft sage den habe ich auch gekannt – wenn kennen auch nur heist er war einer von denen mit welchen man tanzte, oder in den Concerten sich mit unterhielt, denn die wenigsten von diesen kamen doch in unser Haus. Man mochte diese Gunst doch nicht zu weit ausbreiten, u. eine Gunst blieb doch immer die Vorstellung. Die jungen Leute blieben damals auch fast immer wenigstens zwey Jahre, u. so ging die Bekantschaft von einen Winter zu dem andern über, u. ich möchte sagen Auszeichnung oder wie man sagte Cour machen, u. es war eine gewisse Treue darin. Der Sommer ging öfter hin u. man sprach sich nur ein paar Male, u. der Winter eröffente die Bekantschaft wieder, u. das Bestreben zu gefallen. Damals u. jezt ist ein ganz ander Verhältniß. Man hörte nicht so viel von getrenten Verlobungen die Jahre lang dauerten, u. in welcher Zeit erst die Entwickelung der jungen Leute kam. Ehelige Versprechungen gab es eigentlich nur wenige, obwohl auch einige meiner Bekanten sich mit Studenten verlobten die ihnen treu geblieben. So Herr v. Hänlein jeziger Gesante mit einer M[ademoiselle] Eyering u. deren Schwester an einen H. Haane, u. auch eine Luther. Die Verhältnisse waren aber in strengsten Geheimniß. Sich mit einen Studirenden zu versprechen würde auch sehr waglich gewesen sein, weil derlei Versprechungen nicht gültig waren gesetzlich, ohne Väterliche oder Vormundschaftliche Einwilligung. Daher war mir auch später die Verlobung mit einen Studenten etwas ganz absonderliches, u. ich erstaunte über die vielen, von denen auch manche aufflogen.

Flüchtige Neigungen bei dem Cour machen waren es freilich immer, nur jugendliche Bestrebungen zu gefallen, nicht zu binden auch nicht zu verführen; denn zu etwas mehr wie eine Fensterbegrüßung, ein Vorübergehen in dieser oder jener Straße mehr, ein verneigen [?] nach den Tänzen, ein zu Hause führen aus dem Concert, eine Unterhaltung daselbst, diß war Cour machen. Es reizte die Eitelkeit u. gab einen falschen Dünkel, u. die bevorzugten wurden beklatscht und man hatte recht, sich über die Mädchen aufzuhalten. Ich bin noch meinen Freund Tatter dankbar mich gewarnt zu haben, u. einer seiner Briefe von Ihm ist mir sehr werth u. ich möchte ihn jeden jungen Mädchen in einer ähnlichen Lage auf einer Universität geben. Allein wie es damals in Göttingen[68] war, kann u. wird es nie wieder werden, dazu sind die häuslichen Verhältnisse u. die der Töchter gegen die Mütter vertrauliger, man lebt auch mehr miteinander.

Ob nun ein Mädchen sich ruhig in Inneren erhalten kann, bei diesen flüchtigen Neigungen – denn ganz ohne eine gewisse Vorliebe geht es doch nicht ab – oder bei einen ernstern Verhältniß, u. das gestört wird durch Schicksal oder Untreue, ob das Gemüth verschroben wird bei dem Ersten oder bei den Zweiten zerrüttet geistige u. körperliche Kräfte, Gott weiß es. Lezteres habe ich bei meiner Schwester Lotte erlebt – man kann aus beiden sich retten – u. wie Tatter auch schreibt Sie sind zur Häuslichkeit bestimmt; ich habe hoffentlich erfüllt, wenigstens zu erfüllen gesucht, was er mir voraussagte. Aber es geschah nicht aus Pflicht es war die Natur welche mich zur guten häuslichen Frau, u. sorgsamen Mutter machte – u. wer weiß was ich unter andern Verhältniß villeicht geworden. Darum sagte auch Caroline ich solle mich wohl bedenken, ohne Neigung u. ohne die Achtung die ich haben müßte, u. könnte, Buterwek meine Hand zu geben, so jung bei der Gefahr drohenden Umgebung, u. ich danke es ihr noch. Die Romanhafte Liebe u. Vergötterung von seiner Seite würde in eheligen Leben verflogen sein, u. ich würde in derselben mehr u. mehr das hervor haben treten sehn was ich an ihm Schwäche nennen mußte. Er ist nachher wohl glücklich gewesen, ich habe nie über die häuslichen Verhältnisse gehört. Er machte sich einen Nahmen auch in der gelehrten Welt. Aber er ward ein tauber Ehemann. Seine Frau starb früher wie Er. Sie war eine geb. Westfeld. Ihr Vater war Amtmann in Wehnde bei Göttingen. Sonderbar daß er sie wählte, denn ich glaube nicht daß wir irgend eine Gleichheit hatten. Aber sie ist einen Tag meine Rivalin gewesen an 50jährigen Jubiläum in Göttingen, wo Prinz Adolph H.v. Cambritch sie u. nicht mich zu Tische führte, daß einzige Mal in der ganzen Zeit, daß Er in Göttingen war u. wir zusammen in Gesellschaft, an diesen Tage war es mir kränkend. Dagegen war ich villeicht selbst schuld daran, weil ein H.v. den Busche, der mich den Winter zuvor beleidigte, weil ich da ich ihm schon einen dritten Tanz versprochen, diesen nicht ihm lassen wolte, weil meine Schwester Lotte mir diß als höchst[69] unschicklich verboten hatte. Es war der erste Winter wo ich von Gotha zurück war, ich hätte klüger gethan, dießmal ihn zu lassen aber nicht mehr mit einen Herrn 3 Tänze zu geben. Öfter mit dem Prinzen tanzte man auch 2 Tänze, fast immer. Dieser kam nun gerade den Jubiläums Tag, u. söhnte sich aus. Ich ging nun mit ihm wie mit seinen Onkel dem Kurator v. dem Busche zur Tafel wo aber nur die Prinzen u. dieser Herr sich setzten, der junge mir natürlich als Unterhalter diente. Dieser ist nie als zum Abschied in unser Haus gekommen, u. es ward ein Verhältniß das sich zu einen daurenden hätte ausbilden können. Man verstand sich, ohne sich allein zu sprechen. Die Art von Chevalerie ist auch aus der Mode gekommen.

Ist die junge Welt nun moralisch besser geworden? Sind die Mädchen bescheidener, häuslicher, arbeitsamer – glücklicher, ruhiger, machen sie weniger Ansprüche, gewähren sie weniger, sind sie tugendhafter –? Wer beantwortet diese Fragen? Ich möchte nicht daß Eine meiner Töchter in eine Lage käme wie meine Stellung war. Ich hätte mir mehr Offenheit gewünscht auch zu sprechen was man wolte u. sollte, weniger Scheu sich mitzutheilen. Der gute alte General Malortie hatte auch viel liebevolles gegen mich. Ich weiß noch daß er mich fragte Kind was lasen sie? Er hatte mich in meinen Zimmer sehen können. Ich sagte ihn die Wahrheit: La nouvelle Eloise. Kind haben Sie die Vorrede gelesen? Legen Sie das Buch weg, daß ist nicht für ein junges Mädchen. Nehmen Sie Campens Rath an seine Tochter. Nun das war auch nichts, ich verlangte mehr, u. es wurde freilich mancherlei vorgenommen. Besonders erhielt man viel von Prof. Meyer der bei der Bib[liothek] angestellt ward, der Meyer der Verehrer der Huber damals Forster war, Therese Heyne. Nachher ist er in Bramstett gestorben. Er war ein Freund von dem Schauspieler Schröder, u. gab auch sein Leben herraus. Ein sehr gescheuter satirischer Mann. Er hat vortreflich vorgelesen. Er war meiner Schwester Lotte sehr befreundet, u. sie laasen immer Sonabends bei der alten Böhmer wie noch daß erste Jahr wie ich aus Gotha kam. Luise Böhmer nachherige Meister, war da noch zu Haus, nun Lottens Freundin – wie früher meine Cameratin. Sie war in Alter zwischen uns. Philipine war in Hannover bei ihrer Schwester Nieper, u. kam[70] dann zu Haus um die Alten zu flegen, u. war auch mir befreundet geblieben. Ich wolte ich hätte Vertraun zu ihr gehabt. Allein man mochte nie sprechen über das was einen am nächsten lag. – Meyer versorgte mit Bücher, engl. wie franz. besonders alte Romane, u. ich habe da fast alle Memoire gelesen die später auch Schiller übersezt hat, aber auch manches was ich hätte ungelesen lassen sollen.

Ich hätte das 100jährige Jubileum wieder mitmachen können, dem ich 50 Jahre vorher mit beigewohnt hatte. Ich fühlte mich aber auch körperlich dazu nicht fähig. Ich kam mit Theone wie ihren Verlobten von einer Reise nach Freiburg u. Ofleiden zurück u. es hatte nur von uns abgehangen ein paar Tage früher einzutreffen. Es war auch eine Schwierigkeit dabei, daß den Dieterichs ihre Zimmer versagt waren, irgend wo unterzukommen. Doch hätte man diß sehr wohl gekonnt, ohne sehr viele Kosten zu haben. Manche alte Bekannte würde ich freilich getroffen haben, viele deren Namen mir jezt selbst entfallen. Besonders hätte ich den König von Hanover gesehen, aber nicht gesprochen. Aber wohl Alexander v. Humbold. Es war aber so viel besser wie wir es machten. Wir kamen ein paar Tage später wie die eigentliche Feier, welche auch nicht erfreulich aber sehr unordentlich u. Mangelhaft war, da vor 50 Jahren keine Art von Störung obwaltete, wenn es nicht war: ein 30 junge Leute, worunter auch Herr von Arenswald, der nunmehrige Curator, u. der Neffe des andern, H.v. Busch, nicht mit in Zuge waren – wegen Trennung der Meinung u. des gewählten Anführers. Zu Ball u. andern Festlichkeiten waren sie aber Theilnehmer, u. hatten sich meines Vaters Auditorium erbethen, um von da aus den Zug zu betrachten. Die Prof. hatten damals ihre alte 4farbige Kleidung noch, daß heist jede Fakultät die ihrige, u. der Zug ging in die helle schöne Universitätskirche, in welcher man der ganzen Feierlichkeit, die der Promotionen Reden u.s.w., beiwohnte, wenn auch nichts verstehen konnte doch sah, plauderte u. gesehen wurde. Damals war der Ball im großen Saale des Rathhauses, u. es war über dem Markt nach dem Kaufhause, wo gegessen ward, ein Weg mit Bretter belegt gemacht, über dem ein Baldachin befestigt u. neben bei Männer standen mit Faklen. Es war auch keine Art von Unordnung u. ich ging ruhig mit[71] meinen Begleiter über die Straße u. oben in Saal war auch keine Art von Anordnung wie Plünderung der Tafel wie nun nach 50 Jahren. Wir waren alle eben so vergnügt wie geschmückt. En großer Comers in den damaligen Comödienhause: der alten Augustinerkirche, kümmerlich genug, war möglichst gut aber das beste alle Menschen wieder vereinet zu sehen. Doch war es nicht überfüllt, da der Preis sehr hoch war. Wir u. Schlözers hatten Bekannte, die Lifländer von Grote u. ihr Vetter Blankenhagen u. die Hofmeister. Diese hatten die eine Loge gemithet – es waren nur zwey – u. so konnten wir alles recht begänglich [?] betrachten. Man erheiterte sich noch lange mit der Erinnerung an diese Zeiten. Meine Schwester war bei uns zum Besuch mit ihren Manne dem Dr. Böhmer – im nächsten Winter starb er ja wohl. Die Jahreszahlen zu vergleichen ist mir immer bei meinen Erzählungen das schwierigste. Ich könnte es wohl aber ich mag mir keine Mühe geben.

So kam ja auch ein paar Jahre später das Jubilaeum des alten Böhmer, wo auch große Herrn Tafel, u. ein Ball war, wo Marianne Heyne u. ich ihn zur Tafel führten selbst geführt von Prinz August, u. ich von Adolph – u. der alte Mann sehr munter war. Dieß war in den Herbst wo Grosse Graf Vargas in Göttingen zum zweiten Male war als Marquis Grosse G. Vargas – ich werde jezt keinen aus der damaligen Zeit mehr sprechen. Ich glaube Graf Molke u. Rantzau war[?] auch schon abgegangen.

Bei unseren Aufenthalt in Göttingen war noch alles beim Alten, obwohl schon manches zu fürchten war, von den neuen König, aber das Feuer glimmte wie die Bangigkeit noch unter der Asche, u. in Herzen die Furcht. Ich hatte da noch ein paar sehr angenehme Tage – zwar auch lag mein Schwager Dieterich schwer erkrankt u. sterbend – die Freude vieler alten Bekannten Wiedersehen. Die Anstrengung hatte ihn überwältigt, u. er starb wenige Wochen nachher, nach einen bewegten Leben. Er hätte mit weniger Leichtsinn bei seiner Lebhaftigkeit u. Verstande viel werden können, wie er auf der entgegengesetzten Seite – wirkend u. lebend, den Seinen viel Kummer machte, u. seiner sehr klugen wie wackren Frau ein frühes Ende durch seine Handlungen. In diesen Momente in dem Hause zu sein war mir peinlich, zumal da ich mich scheute er würde[72] mich sprechen wollen. Es war mir sehr lieb daß er mich durch seine Töchter Hulda u. die Prof. Kraut nur begrüßte. – Wir hatten bei Prof. Kraut wie bei Dahlmanns sehr angenehme Gesellschaft u. manche der Fremden waren noch da, wie die Webers aus Leipzig, u. der Archivar Peerz, bei dem ich das Glück hatte bei Tische zu sitzen. Er war ein Bekannter von Olshausen, was uns schon in Unterhaltung brachte zusammen. Dann war ihm mein Freund der Legationsrath Tatter nicht unbekannt, da die alte Gräfin Platen geb. Münster sehr viel von Tatter hielt, u. Peerz viel über ihn wuste, u. so konnte ich nochmals mit einen Mann reden der meinen Freund schätzte.

Von der Zeit hat sich alles in Göttingen gewendet, u. kaum waren wir heimgekehrt, so kam alles Uebel über meine Vaterstadt. Die 7 standen auf. Dahlmann wurde ich möchte sagen geächtet – aber habe ich noch die Freude doch erlebt, daß Er wieder angestellt ist u. Er u. die Seinen einer ruhigen Zukunft dürfen entgegen sehen. Herrman wie Dorothe mir lieb da ihre erste Mutter meine liebe Julie Hegwisch war die aus meinen Hause in das des geliebten Mannes kam, bei mir den 12 Sept. an meinen Geburtstage sich verlobte, von allen geliebt welche sie kannten u. von ihren Bruder gehalten wie eine [die] sich immer zum Tode vorbereitete. Denn er sagte mir wie er den Morgen nach ihren Hinscheiden bei mir war – ich war selbst an einer Gicht sehr krank, die Nachricht des Todes meiner jungen Freundin bewegte mich sehr, u. meine Nerven waren sehr angegriffen – Nun Hegwisch sagte, es sei wohl keine junge Frau in Kiel welche so vorbereitet zum Tode gewesen – gewiß keine heuchlerisch pralende Frömmigkeit, die hatte sie nicht. Bei aller sprudelenden Heiterkeit u. Lustigkeit war sie wieder ernst u. ihren Pflichten getreu, dabei fest, liebevoll, u. auch heftig. Darin paßte ihr Gemüth villeicht auch nicht so zu Dahlmann wie daß der zweiten Frau. Eine zweite Frau meinte Hegewisch, habe es immer besser wie die Erste, u. so viel gesprochen würde Dahlmann liebe die zweite mehr so glaube Er nicht daran. Aber eine andere Liebe ist es freilich, u. durch der Frau kränkelndes Wesen ist Er weicher geworden, u. hat gelernt zu helfen u. thun wo ehemals Julie jede Art von hausväterlicher Sorge ihn abnahm. Sie holte u. packte ihn jedes Buch wieder weg. Jezt hat Er[73] oft der Frau den Thee bereitet, u. würde schrecklich gelacht haben hätte man Ihn diß vorhergesagt. Diese Frau hat aber wohl ihn diese schweren Jahre durch ihr Gemüth sehr tragen helfen. Julien würde dies nach ihren Charakter schwer geworden sein. Allein sie würde ihn darin erleichtert haben zu leben, da Julie sehr Sparsam war, u. selbst wenig bedurfte, u. viel leistete. Ihre Freundin Emma Welker wird bei der Erinnerung an die liebe Julie gewiß eine Thräne in Auge haben, u. so alle meine Töchter, denn allen war sie liebend ergeben u. wie sie herran wuchsen, Freundin. Zoe liebte sie sehr, u. es betrübte u. ergrif sie sehr wie Dahlmann wieder heirathete. Justus würde das nicht thun. Hätte sie recht bedacht wie ein Mann einer Frau bedarf, sie würde gesagt haben möge Dahlmann wieder heirathen, aber vergesse Er seine Julie nie – die Ihm auch in Herzen geblieben ist, wie Justus seine Zoe, daß fühle ich – u. es ist mein Trost, daß Er ihr treu geblieben ist – u. sie selbst in Frau u. Kind noch liebt die Liebe seiner Jugend – seine Zoe –

Welche merkwürdige Jahre hat man nicht durchlebt – die Geschichte dieses 18 Jahrhundert – den siebenjährigen Krieg freilich nicht mehr. Aber welche Furcht hatte das Kind nicht, wie der Baiersche Krieg ausbrach. Man hörte bei Tische von den Zurüstungen erzählen, u. was sich alles begeben würde, daß man in Ängsten sich unter die Bettdecke verkrog. Nachher habe ich in Kinderfreund von Weiße gelesen, daß es den Louischen eben so erging. – Nun kam eine Reihe von ruhigen Jahren. Da ward von Amerika geredet, u. das Interesse war auch besonders dahin geleitet, da der Bruder als Staabsmedicus mit den Hessen dahin war. Alle 4 Wochen kamen Briefe. Einmal war Er an Nervenfieber erkrankt u. der Vater hatte viele Sorge. Er war ein schöner, lebhafter, u. Leidenschaftlicher heftig[er] Mann u. dann wieder so liebenswürdig auch gegen die Frauen. Seine Diener hatten aber einen Comödienhaften Herrn u. wurden öfter geschickt. – Was Er über den Krieg dachte, wie über die Freiheit über die Rechtmäßigkeit, über die Unterdrückung, das weiß ich nicht. Er selbst war gewiß ein Mann der Freiheit zu schätzen wuste u. gewiß lieber Hammer wie Ambos –

Fußnoten

1 [am Rand:] wenn dieser vermuthen könnte, wir verständen uns, u. wechselten Briefe die sein Diener alle Abende brachte u. wodurch er mich immer mehr von den Meinen entferne.


Quelle:
Wiedemann, Luise: Erinnerungen von Luise Wiedemann, geborene Michaelis, der Schwester Carolinens. Nebst Lebensabrissen ihrer Geschwister und Briefen Schellings und anderer, zum ersten Mal herausgegeben von Julius Steinberger, Göttingen 1929, S. 74.
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