Einladungen.

[366] Wünscht man bei besonderen Anlässen oder auch ohne solche Gäste um sich zu versammeln, werden dazu schriftliche Einladungen erforderlich sein, die in nächsten Freundeskreisen auch durch mündliche ersetzt werden können, falls es sich nicht um feierliche Gelegenheiten handelt. Zu Hochzeiten zum Beispiel sind auch die nächsten Angehörigen mit formellen Einladungen und zwar zu gehöriger Zeit zu bedenken. Besonders zu genannter feierlicher Handlung, der fast stets eine Festlichkeit folgt, sind die Einladungen möglichst früh – etwa drei Wochen vor dem bestimmten Termin – an die Empfänger zu senden. Für Bälle genügt, wenn sie vierzehn Tage, bei Abendgesellschaften sechs oder acht, bei Festessen vier bis sechs Tage vorher zugestellt werden. Bei großen Festlichkeiten sind dieselben an den Hausvorstand zu richten, bei kleineren wendet man sich wohl an die Dame des Hauses. Auch junge Mädchen können einander zu Familienfestlichkeiten einladen. Man thut dies meist vermittelst gedruckter Karten, die überall vorrätig und[366] denen nur die Namen der Einladenden, der Geladenen sowie Zeit und Ort der Festlichkeit beizufügen sind. In Militärkreisen wird meist noch ein Vermerk bezüglich der Uniform hinzugesetzt. Heißt es da: Helm, Waffenrock, so bedeutet dies für die Damen zugleich: Große Toilette, während: Interimsrock – unseren Militärlexika fehlt eben noch Excellenz Stephan! – die betreffenden Offiziersgattinnen unterrichtet, daß sie einfacheren Anzug und vor allem schleppenloses Kleid anzulegen haben.

Man wählt die Einladungskarten jetzt – allerdings je nach Art der Festlichkeit, – möglichst groß, auf starkem Papier, aber ohne Goldschnitt oder sonstige Verzierung. Letzteres gilt auch hierbei, ganz wie bei Besuchskarten, nicht für sein. Bezüglich des Wortlautes ist folgende Fassung am gebräuchlichsten:


»Herr und Frau von S. geben sich die Ehre, Herrn Major R. nebst Frau Gemahlin und Fräulein Tochter zu einem am 17. d. M. abends 9 Uhr angesetzten Hausball ganz ergebenst einzuladen.«


Oder auch:


»Herrn Professor M. und Frau Gemahlin zu einem am 20. d. M. nachmittags 5 Uhr stattfindenden Mittagsessen ganz ergebenst einzuladen, beehren sich


Baurat O. und Frau.«


Berlin W., 5. 7. 93.[367]

Jedenfalls ist auch für Einladungen kürzeste Fassung durchaus zu empfehlen, die trotzdem höflichste Form einschließen kann. Zu höflich kann man eben hierbei niemals sein. Aber auch der Vermerk unten links in der Ecke: U. A. w. g. (Um Antwort wird gebeten) darf nicht fehlen, da er den Geladenen an die Pflicht erinnert, sein Erscheinen zuzusagen oder umgekehrt eine Verhinderung mitzuteilen. Auch dies hat schriftlich und zwar sofort zu geschehen; ein Zögern würde Schwanken, ob die Einladung anzunehmen oder vielleicht die Absicht andeuten, abzulehnen, falls sich nachträglich besseres für denselben Tag sich bietet. Es gilt als Pflicht der Wohlanständigkeit, stets die erste Einladung auch zuerst zu berücksichtigen. Nur sehr gewichtige Gründe können ein Außerachtlassen der Reihenfolge entschuldigen und wo solche nicht vorliegen, kann der hinter andere zurückgesetzte Gastgeber dies mit vollem Recht als Beleidigung auffassen.

Eine Absage an sich gilt allerdings nicht als solche, auch wenn sie nicht weiter begründet ist. Aber der Eingeladene darf in solchem Falle nicht versäumen, durch gelegentlichen Besuch für dieselbe zu danken, was auch schriftlich geschehen kann. Folgt aber beides der Ablehnung einer Einladung nicht, wird man schon sehr zu überlegen haben, ob dieselbe zu wiederholen ist; entschließt sich der Gastgeber dennoch dazu, so wird ihm das gleiche Verhalten des Geladenen auch bei der zweiten Einladung die Gewißheit geben,[368] daß von der anderen Seite ein geselliger Verkehr nicht gewünscht wird. Auch dies braucht übrigens durchaus nicht eine kränkende Absicht einzuschließen. Mancher mag eben seinen Verkehrskreis nicht erweitern oder den gesellschaftlichen Verpflichtungen neue hinzufügen. Viele machen überhaupt kein Haus – wie es z.B. häufig bei jung verheirateten Leuten oder einzelnen Damen der Fall ist. Deshalb ihrerseits keine Einladung anzunehmen, wäre falsch, denn kein anständig gesinnter Mensch wird doch nur Gäste laden, um wieder eingeladen zu werden.

Jeder Eingeladene sollte soviel Selbstbewußtsein besitzen von vornherein anzunehmen, die Einladung gelte eben seiner Persönlichkeit allein und durch ein Erscheinen werde die Liebenswürdigkeit des Gastgebers ausgeglichen. Nur kleinliche Menschen werden ängstlich berechnen, ob sie jedes Glas Wein und jede Mahlzeit, die sie bei anderen eingenommen, auch gewissenhaft wiedergegeben haben. Wer zu stolz ist Gastlichkeit anzunehmen, ohne sie erwiedern zu können – und ein solcher Stolz ist nur zu ehren – mag nicht vergessen, daß es ja ungezählte Gelegenheiten giebt, empfangene Freundlichkeiten zu erwiedern, ohne daß man genau mit gleicher Münze zahlt. Wem beschränkte Mittel verbieten größere Gesellschaften zu geben, wird immer noch ermöglichen können, ein paar Freunde zum Thee oder Kaffee bei sich zu sehen und auch ohne reichbesetzten Tisch wird man genußreiche Stunden miteinander verleben können. Wo aber[369] auch dies fortfallen muß, thuts eine Blume zum Geburtstag oder – falls die ohne Erwiederung Geladene eine Dame – eine kleine Handarbeit auch! Der Gastgeber hingegen wird – oder sollte wenigstens! – es als Freude und Ehre empfinden, die Geladenen bei sich zu sehen und ihre Anwesenheit als Bevorzugung, nicht als verzinsliches Darlehen auf später zu empfangende Gastfreundschaft ansehen.

Da es im Winter zur Hochflut der Gesellschaften meist recht schwer hält, für einen bestimmten Abend einen bestimmten Kreis zusammenzubringen, sollte man die Einladungen so früh als möglich senden. Das Umlegen einer geplanten Gesellschaft auf einen anderen Tag, wenn gerade zum vorgesehenen verschiedene Gäste am Erscheinen verhindert sind, ist nicht zu raten, da an diesem sicherlich wieder so und soviele andere absagen werden. Ganz vollzählig ist fast nie eine Gesellschaft, oft sind – ohne jede kränkende Absicht der Fernbleibenden – nur ein drittel der Geladenen anwesend und damit mögen sich alle trösten, die geneigt sind, mehrere Absagen für ein persönliches Mißgeschick anzusehen.

Leute, die ein großes Haus machen, setzen gewöhnlich gleich bei Beginn des Winters ihre großen Gesellschaften fest und laden auch gleich für alle ein. Eine solche Einladung würde etwa lauten:


»Freiherr und Freifrau von W. beehren sich, die ergebene Mitteilung zu machen, daß sie für diesen Winter angesetzt haben:
[370]

Eine Abendgesellschaft für den 20. November (9 Uhr),

Ein Mittagsessen für den 8. Januar (4 Uhr),

Ein Maskenfest für den 21. Februar (10 Uhr)


zu welchen Festlichkeiten Frau von S. ergebenst um die Ehre ihres Erscheinens gebeten wird.«


Oder aber:


»Sanitätsrat K. und Frau beehren sich mitzuteilen, daß sie vom Oktober bis April am 15. jeden Monats abends von 8–12 Uhr empfangen und auf die Ehre rechnen, Herrn von M. und Gemahlin an diesen Tagen bei sich zu sehen.«


Für den ständigen wöchentlichen Empfangstag genügt die Übersendung einer Besuchskarte mit folgender Beifügung:


»Dienstag von 4–7 Uhr.«


Der Empfänger solcher Karte weiß ohne weitere Einladung, daß sein Erscheinen an diesem Tage angenehm und erwünscht ist.

Die gegebenen Andeutungen dürften genügen. Nur das sei noch hinzugefügt, daß man möglichst vermeiden oder sich doch nur bei nächsten Freunden und zu vertraulicher Geselligkeit gestatten sollte, Einladungen auf offener Postkarte zu senden. Es macht dies stets einen schlechten Eindruck und erscheint zum mindesten wenig verbindlich.


Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 366-371.
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