Berliner Sammler

[191] Um diese Zeit begannen auch einige Freunde alter Kunst in Berlin unter meiner Beihilfe zu sammeln, während ich bis dahin nur auswärtigen Bekannten, z.B.H. Vieweg in Braunschweig, Joh. Wesselhoeft in Hamburg, A. Thieme in Leipzig hatte behilflich sein können. In der Tat besaß Berlin während der siebziger Jahre keinen ernsten Sammler alter Kunst. Die Galerien von Graf Redern, Graf Blankensee, Graf W. Pourtalès, Graf Raczynski waren Jahrzehnte früher entstanden, ihre Besitzer[191] sammelten nicht weiter. Der erste, der mit großem Eifer und künstlerischem Sinn wieder zu sammeln begann, war Oskar Hainauer. Er hatte zunächst moderne Bilder gekauft und dazu eine reiche Sammlung von Urbiner Majoliken und späteren Buchsarbeiten als Ganzes erworben. Im Hause des Barons Gustave Rothschild in Paris, als dessen Vertreter er Berlin besuchte, war ihm aber Freude und Verständnis für echte Kunst aufgegangen. Unter diesem Einfluß gewann er auch Geschmack an schöner Anordnung der Kunstwerke. Als erster in Berlin gab er dafür wirklich höhere Preise aus. Gleichzeitig sammelte der leider früh verstorbene Wilhelm Itzinger neben französischen Bildern der Schule von Fontainebleau Medaillen der Renaissancezeit und, durch ihn angeregt, verlegte sich Wilhelm Gumprecht anfangs gleichfalls auf Medaillen und altes Porzellan, später auch auf holländische Bilder. Dieser bat mich, ihm dabei zu mäßigen Preisen behilflich zu sein, da er höchstens ein- oder zweitausend Mark für ein Bild bezahlen könne, wogegen er sich verpflichtete, die Bilder den Museen zu vermachen. Nachdem ich ihm u.a. ein köstliches kleineres Porträt von Frans Hals aus dessen späterer Zeit um ca. 2650 Mark gekauft hatte, eine Erwerbung, zu der ich ihn fast hatte zwingen müssen, erklärte er mir später, er müsse von seinem Versprechen im Interesse seiner Erben zurücktreten. Für den Frans Hals waren ihm nämlich bis zu 80000 Mark geboten worden.

Etwa im Jahre 1880 lernte ich einen anderen leidenschaftlichen Kunstsammler kennen, den Berliner Makler Ad. Thiem, der damals gerade eine kleine Anzahl gewählter feiner Bilder der Barbizon-Schule vorteilhaft verkauft hatte und in San Remo, wo er eine Villa besaß, Renaissancekunst zu sammeln anfing. Er zeigte mir seine ersten Erwerbungen, es war ein Tondo von einem schlechten Nachahmer Ghirlandajos und ein ähnliches Stück unter Botticellis Namen sowie »die zwei schönsten Majoliken der Welt, Alt-Urbino«, wie Herr Thiem meinte: die Entdeckung von Amerika in Form eines Schiffes mit den albernsten Theaterfiguren und als Pendant die Eroberung[192] von Mexiko! Schon nach wenigen Jahren hatte sich Thiem, der einen ebenso feinen angeborenen Kunstsinn besaß wie O. Hainauer, so weit in die alte Kunst hineingelebt, daß er eine gewählte Sammlung von Niederländern und als Dekoration treffliche Delfter Vasen, italienische Majoliken und Bronzen besaß. Leider war bei ihm die Freude am Besitz kleiner als die Freude am Sammeln und Handeln. Wie er in den neunziger Jahren seine schöne Sammlung Menzelscher Bilder und Pastelle verkaufte, so hat er uns 1904 kurz vor der Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums die Auswahl seiner niederländischen Gemälde des XV. und XVI. Jahrhunderts überlassen, hat gleichzeitig seine schönen alten Teppiche dem Amerikaner Yerkes verkauft und die seither wieder zusammengebrachte Sammlung älterer italienischer und niederländischer Gemälde 1911 im englischen Handel veräußert.

Der Berliner Sammler, mit dem wir zuerst in Beziehung getreten waren und der allein ein gewisses Verständnis für die wissenschaftliche Bedeutung der Kunst und unsere Museumssammlungen hatte, Adolf von Beckerath, begann damals unter unserem Einfluß statt unbedeutender Kleinigkeiten aller Art allmählich gute alte Zeichnungen und kleinere italienische Bildwerke der Renaissance, freilich immer nur zu niedrigen Preisen, zu sammeln. Wir glaubten allen Grund zu haben, ihm darin behilflich zu sein und sogar manches Stück, das wir für die Museen bestimmt hatten, ihm überlassen zu dürfen, weil er uns stets in Aussicht stellte, daß er seine Sammlung den Museen vererben würde. In dieser Hoffnung ließen wir uns durch Jahrzehnte die schlechten Manieren und Ungezogenheiten des absonderlichen Junggesellen gefallen und erlaubten ihm eine Stellung an den Museen, als ob er zu ihrer Verwaltung gehöre. Ein Brief vom August 1881, der vor mir liegt, beweist, daß sein Benehmen damals schon genau so unerquicklich war wie später und ebenso von mir beurteilt wurde. Ich sage darin: »Schade, daß wir zu Herrn von Beckerath in keinem erfreulichen Verhältnis stehen, namentlich Lippmann und Meyer, gegen die er, noch mehr als gegen mich, in den Kommissionen[193] seine Hofmeistermanieren und oft selbst einen feindlichen Ton annimmt. Er hat leider kein angenehmes Wesen, so daß man ihm nie wirklich nahekommt. Was er von uns gelernt hat, sieht er als eigene, mühsam erworbene Erkenntnis an, und von dem so errungenen Kothurn blickt er auf uns herab. Ich selbst komme, obgleich dies Verhältnis schon zwei bis drei Jahre besteht, noch leidlich mit ihm aus, besser sogar als früher; aber einen freundschaftlichen Ton haben wir nicht mehr.«

So wenig direkten Vorteil wir auf die Dauer von diesen ersten Sammlern alter Kunst in Berlin gehabt haben, so sehr die Hoffnungen enttäuscht wurden, die wir auf sie setzten, hatten wir doch wenigstens den Nutzen davon, daß das Interesse für alte Kunst und für unsere Museen in Berliner Kreisen mehr und mehr geweckt und daß für Berlin tüchtige alte Kunstwerke gewonnen wurden, von denen auf die Dauer manche in unsere Sammlungen übergehen sollten, wenn auch in anderer Weise, als wir hatten erwarten dürfen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 191-194.
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