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[39] Anfang März machte ich noch rasch einen Besuch in der kurz vorher für den Staat erworbenen Esterhazy-Galerie in Budapest, die mich wieder eine Reihe mir noch unbekannter Künstler, namentlich treffliche Spanier, kennenlehrte. Inzwischen hatte Conze von der österreichischen Regierung den Auftrag erhalten, Dalmatien auf seine römischen Altertümer zu untersuchen. Auf seine Einladung entschloß ich mich rasch, ihn auf der Ausreise nach Italien dahin zu begleiten, zumal damals die Gelegenheit, das malerische Land mit seinen reichen Kunstdenkmälern kennenzulernen, noch eine sehr seltene, die Gelegenheit, es unter so kompetenter Führung und in so lieber Gesellschaft zu besuchen, eine ganz einzige war.
Ein kleiner Lloyddampfer führte uns von Triest nach Spalato. Hier hatte Conze längere Zeit zu tun, um für ein Museum antiker Kunst in Dalmatien den Boden zu ebnen. Ich benutzte die Zeit, um neben den großartigen Resten der Bauten Diocletians die reichen Ein- und Umbauten und Kirchenmöbel aus romanischer Zeit, namentlich die merkwürdigen Chorstühle zu studieren und zu zeichnen. Von Spalato fuhren wir im Wagen nach Trau, dessen Dom eines der schönsten Monumente romanischer Zeit ist, dann nach Se benico, wo der Dom und seine interessanten Monumente aus der Übergangszeit der Gotik zur Renaissance mir den Vorgeschmack von der Kunst Venedigs aus dieser Zeit, wenn auch in provinzieller Umgestaltung, boten. Ein mehrtägiger Ausflug über die Kerkafälle nach Benkovac und in die Bukovina lehrte uns die großartige Natur Dalmatiens wieder von anderer[39] Seite kennen. Freilich hatten wir zugleich die Tücke des Aprilwetters zu empfinden, da uns unterwegs ein furchtbarer Schneesturm überraschte, der jedes Fortkommen auf der öden, steinigen Hochebene für einen vollen Tag unmöglich machte. Wir statteten noch Zara einen flüchtigen Besuch ab, dann ging es nach Pola, Capo d'Istria und Parenzo, wo mich Conze verließ. Am 4. April führte mich ein Dampfer von Triest nach Venedig. Hier betrat ich bei strömendem Regen zum erstenmal den italienischen Boden.
Mein Aufenthalt in Italien war für ein ganzes Jahr geplant. Mit Empfehlungen und Geld hatte ich mich für alle Hauptorte versehen lassen, hatte mir für den Winter ein Zimmer im Deutschen Archäologischen Institut in Rom gesichert, aber der Sommer, der spät und mit unerträglicher, anhaltender Hitze einsetzte, brachte schließlich mein Migräneleiden wieder zum Ausbruch und zwang mich im Herbst zur Rückkehr. Ich habe damals wenigstens den größten Teil von Ober- und Mittelitalien so gut kennengelernt, wie es bei einem ersten Besuch und bei den mangelhaften damaligen Hilfsmitteln möglich war. Ich reiste allein, wenn ich auch in Venedig und Florenz eine Zeitlang Bekannte fand oder Bekanntschaften machte, die mir für meine Studien nach der einen oder anderen Seite nützlich waren. In dieser Vereinsamung war ich auf ein um so intensiveres Studium hingewiesen, dem ich an der Hand von Burckhardts »Cicerone« mit aller Begeisterung und allem Ernst meiner Jahre und meines selbstgewählten, in hartem Kampf errungenen Berufes nachging.