»Geschichte der deutschen Plastik«

[16] Wichtiger waren Beziehungen, die ich auf der Rückfahrt und namentlich auf einer Studienreise im Sommer in Mittel- und Süddeutschland für die deutsche Abteilung unserer Sammlung christlicher Bildwerke anknüpfen konnte. Ich erklärte mich, bald nach Fertigstellung meiner »Studien zur holländischen Malerei«, auf Drängen meiner Kollegen bereit, für eine Geschichte der deutschen Kunst, welche die G. Grotesche Verlagsbuchhandlung in Angriff genommen hatte, die Entwicklung der deutschen Plastik darzustellen. Da ich fühlte, wie wenig ich dafür vorbereitet war und daß Vorarbeiten nur nach wenigen Richtungen gemacht waren, suchte ich mir vor allem die Kenntnis der wichtigeren Monumente zu verschaffen. Wie namentlich in München, so konnte ich bei mehreren Reisen, die ich zu dem Zwecke unternahm, auch in Nürnberg und Würzburg Beziehungen zu den Händlern anknüpfen, die Gelegenheit zur langsamen Erweiterung unserer Sammlung der deutschen Plastik boten. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der deutschen Plastik wurde mir zu einem großen Genuß, obgleich die Verlagsbuchhandlung alles tat, um mir die Arbeit zu verleiden. Der damalige junge Geschäftsführer von Müller-Grote, ein ebenso fleißiger wie nervöser, unverträglicher Mann namens Baumgärtel, dem jede künstlerische Empfindung abging, war nicht davon abzubringen, die Abbildungen in nüchternem, zudem sehr kostspieligem Holzschnitt ausführen zu lassen, während ich neben Hochätzungen Zeichnungen nach den Originalen durch meinen Freund Peter Halm (von denen einige wenige als Proben den Band zieren) vorgeschlagen hatte.

Die Publikation erschien in Lieferungen, zu denen uns Baumgärtel förmlich mit der Hetzpeitsche anzutreiben suchte. Obgleich ich zuletzt aufgefordert war, wurde ich mit meinem Bande als erster, im Jahre 1885, fertig. Aus Dankbarkeit dafür drohte der Verleger mit einer Klage, weil ich den Termin nicht eingehalten hätte! Er hatte eine kleine Auflage zugesagt, so daß wir sofort nach dem Erscheinen an[17] eine zweite Auflage und dabei an eine gründliche Durcharbeitung unseres Themas würden gehen können. Dies hatte mich schließlich bewogen, seinem steten Drängen auf rasche Lieferung nachzugeben, obgleich ich mir wohl bewußt war, daß ich die Literatur nur nach wenigen Richtungen genügend durchgearbeitet und mich mit den Denkmälern noch nicht eingehend genug beschäftigt hatte. Schließlich war die »kleine« Auflage in 7000 Exemplaren gedruckt, eine weit größere Zahl, als der Markt bei solch einem teueren, fünfbändigen Werk überhaupt aufnehmen konnte, und das ganze Honorar deckte nicht einmal die Unkosten der dafür unternommenen Reisen!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 16-18.
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