Die Museen in Magdeburg und Frankfurt

[93] Die erfolgreiche Beihilfe, die ich verschiedenen deutschen Städten, namentlich Straßburg und Köln, bei der Begründung neuer Museen und dem Ausbau der Sammlungen hatte leisten können, veranlaßte gerade in diesen Jahren die Bürgermeister auch anderer Städte, sich mit ähnlichen Wünschen an mich zu wenden, die ich stets mit größter Bereitwilligkeit zu erfüllen bestrebt gewesen bin. Im Winter 1891–92 bat mich der Oberbürgermeister von Magdeburg, Boetticher, einen Plan zu einem[93] Museum für Kunst und Kunstgewerbe aufzustellen und ersuchte mich dann auf Grund desselben mit den Erwerbungen dafür einen Anfang zu machen. Magdeburg besitzt heute noch ein mittelalterliches Museum ersten Ranges in den Kunstschätzen seines Domes. Sonst hat aber Tillys Belagerung und Erstürmung dem alten Charakter der Stadt und ihrer Kunst dort ein grausames Ende bereitet.

Im Einverständnis mit dem Oberbürgermeister hatte ich daher die Anlage der Sammlungen auf der Basis der deutschen und besonders der niedersächsischen Kunst und Kultur angestrebt. Eine günstige Gelegenheit bot sich gleich anfangs in Goslar, wo in der (sonst sehr minderwertigen, von Fälschungen wimmelnden) Sammlung Fenkner architektonische Reste, Paramente und kirchliche Geräte des alten Domes von Goslar erhalten waren und sich ein großer, interessanter und gut erhaltener, bezeichneter Altar eines Braunschweiger Bildschnitzers aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts befand. Ich hatte diese Stücke für 11000 Mark auseghandelt, als – ganz ohne Wissen des Oberbürgermeisters – ein junger Hilfsarbeiter des Germanischen Museums, Dr. Vollbehr, zum Direktor des in Aussicht genommenen Museums von Magdeburg ernannt wurde. Er dokumentierte sofort seine eigenen Pläne dadurch, daß er die von mir bei Fenkner getroffene Auswahl verwarf und statt dessen einige geringe oder imitierte Möbel und chinesische Porzellane wählte, die hoffentlich inzwischen aus dem Museum wieder verschwunden sind. Die Anfänge einer Kunstgewerbesammlung, namentlich von Eisen und Möbeln, die ich mit Rücksicht auf die Hauptindustrien Magdeburgs in Deutschland und Italien erworben hatte, wurde von Vollbehr später in sein europäisches Kulturmuseum hineingearbeitet, zu dem er das neue Magdeburger Museum in eigentümlich schematischer Weise ausgestaltet hat.

Auch der nach Miquels Abgang in Frankfurt gewählte Oberbürgermeister Dr. Adickes nahm mich anfangs in Anspruch. Da sich die alten Patrizierfamilien der Stadt, die damals auch das Staedelsche Institut tyrannisch verwalteten, seinen[94] künstlerischen Bestre bungen gegenüber ablehnend verhielten, suchte er sich dabei auf die aufkommenden reichen jüdischen Familien zu stützen. Auch sein Bestreben ging auf die Hebung des Kunstgewerbes und als Grundlage dafür auf die Bildung eines Kunstgewerbemuseums, für das er sich nach Stiftern umsah. Eine günstige Gelegenheit schien sich ihm in einer Sammlung von Möbeln und Antiquitäten eines Herrn Linel zu bieten, der die Abtretung der Sammlung gegen Zahlung einer jährlichen Rente von – soviel ich mich erinnere – 10000 Mark anbot. Ich riet dringend ab von der Erwerbung, weil mir die meisten Stücke zu gering oder Kopien zu sein schienen. Da ich mich aber dafür nicht als hinreichend kompetent ansah, empfahl ich ihm den Direktor des Kölner Kunstgewerbemuseums A. Pabst zum Begutachten. Dieser riet zu meinem Erstaunen ganz entschieden zu – wie sich nach kurzer Zeit herausstellte, weil seine geistige Umnachtung, der er bald darauf erlag, damals schon im Beginn war. Die Sammlung wurde also erworben und Adickes hatte das Glück, daß der Besitzer bereits nach wenigen Wochen starb, so daß die Rente nur einmal ausgezahlt zu werden brauchte. Aus der gewählten Sammlung, die der bald darauf zum Direktor berufene Hilfsarbeiter an meiner Abteilung der Berliner Museen, Dr. von Trenkwald, mit der Zeit zusammengebracht hat, sind diese Kopien der Linelschen Sammlung längst verschwunden.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 93-95.
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