Sammlung und Villa Borghese

[95] Auf einem meiner alljährlichen Besuche Italiens in dieser Zeit – im Herbst 1892, wenn ich mich recht erinnere – machte ich im Auftrag der Familie Borghese auf das Gebot der italienischen Regierung eine Gegenschätzung ihrer Kunstsammlungen. Ich kam auf den Wert von etwa 71/2 Millionen francs. Die Regierung hat dann schließlich nur etwa 31/2 Millionen für die Sammlungen, einschließlich der herrlichen Villa, bewilligt, deren Zahlung in 49 Jahren ratenweise zu geschehen habe. Wenige Jahre vorher hatte Alphonse Rothschild für Tizians »Irdische und himmlische Liebe« allein 3 Millionen[95] francs geboten. Die Familie Borghese wollte darauf nicht eingehen, sondern forderte 4 Millionen und erklärte sich bereit, dafür drei weitere Bilder nach freier Wahl des Käufers abzutreten. Es ist selbst für die damalige Zeit unverständlich, wie ein solches Gebot abgelehnt werden konnte. Statt dessen erstand Baron Alphonse das Bildnis des sogenannten Cesare Borgia, angeblich von Raphael, um 700000 francs, ein mäßiges Bild von einem Künstler in der Art des Pontormo, das erst etwa zwanzig Jahre nach Cesares Tode gemalt sein kann und damals im Handel kaum 20000 francs erzielt haben würde. An diesem sehr ungeschickten Kauf war der bedenkliche Unterhändler, M. Gauchez, schuld, der von italienischer Kunst keine Ahnung hatte. In seinen Erwerbungen niederländischer wie französischer und englischer Bilder ist Alphonse Rothschild sonst meist sehr glücklich gewesen.

In diesen offiziösen Unterhandlungen mit der Familie Borghese und der italienischen Regierung wurde mir nahegelegt, daß die Regierung, die damals auf stürmisches Verlangen der Römer unseren Botschaftspalast auf dem alten Kapitol erwerben wollte, bereit sein würde, die Villa Borghese mit ihren Kunstschätzen im Tausch mit dem Palazzo Caffarelli herzugeben, wenn die Gemäldesammlung nicht vom Platz genommen würde. Ich gewann Baron Holstein für den Plan, der die Zustimmung des Fürsten Bismarck erwirkte, jedoch unter der Bedingung, daß der damalige deutsche Botschafter, Graf Solms, sich damit einverstanden erkläre. Als ich diesem davon sprach, geriet er in nicht geringe Entrüstung; niemals würde er in die Villa ziehen, wo schon wiederholt Leute an der Malaria gestorben seien. So wurde der Plan nicht weiter verfolgt!

Bald darauf, im Frühjahr 1893, rüstete unser junges Kaiserpaar zu einem Besuch am Königlichen Hofe in Rom. Die Kaiserin wünschte vorher noch eine kurze Übersicht über die hauptsächlichsten Kunstwerke in Rom zu erhalten und ließ mich darum ersuchen, ihr in einigen Stunden an der Hand verwandter Kunstwerke in unseren Sammlungen soweit einen[96] Überblick zu geben, daß sie mit größerem Genuß die Stadt und ihre Sammlungen besuchen könne. Als Grimm davon erfuhr, setzte er im Ministerium durch, daß wenigstens einige dieser Stunden seinem Schützling Frey übertragen wurden. Besonders glücklich war die Wahl nicht, da weder ich noch Frey Meister des Vortrags sind und daher beide nicht imstande waren, der hohen Frau wahre Begeisterung für die Kunst einzuflößen.

Im Frühjahr 1892 veranstalteten wir in der Alten Akademie wieder eine Ausstellung alter Kunstwerke aus Berliner Privatbesitz. Diesmal hatte der junge Dr. Seidel, der durch den Kaiser zum Direktor der Sammlungen des Königlichen Hauses ernannt war, die Schätze aus den Schlössern gewählt, und Geheimrat Lüders hatte das Porzellan herbeigeschafft. Die Aufstellung, die einen besonders glücklichen, heiteren Eindruck machte und allgemeine Bewunderung hervorrief, machten wir gemeinsam. Eine größere Publikation, die wir im Anschluß daran verfaßten, hält die gelungene Veranstaltung fest.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 95-97.
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