Hausbau. Schwerer Verlust

[22] Die angestrengte Tätigkeit gerade in diesen Wintermonaten des Jahres 1884/85 war mir ein Bedürfnis, um mich von schweren Sorgen in meiner Familie abzuziehen. Ich hatte im Sommer ein Grundstück in Charlottenburg gekauft auf Anraten meines dort angesessenen Freundes Conze. Dieser Vorort bildete damals den äußersten Westen Berlins. Bis zum Grunewald, den man in der Ferne sah, lagen nur ein paar ältere Gartenhäuser. Einen jungen talentvollen Architekten, Hans Grisebach, der mir von seinem Elternhaus in Göttingen bekannt war, hatte ich um den Plan einer kleinen Villa auf diesem Grundstück gebeten. Mir schwebte als Vorbild eine bescheidene Florentiner Renaissance-Villa vor. Grisebach ging anscheinend darauf ein, als er mir aber den fertigen Plan zeigte, war ein deutscher Renaissancebau daraus geworden. Der Plan war in der Disposition so glücklich, die Innenräume wirkten so behaglich, und das farbige Äußere nahm sich in dem kleinen Garten, in dessen Grunde die Villa liegen sollte, so gut aus, daß wir unseren italienischen Plan aufgaben und Grisebach die Ausführung seines Planes übertrugen.

An der Fertigstellung, namentlich am inneren Ausbau konnte ich mich aber wenig beteiligen. Jahrelang sind sogar einzelne Räume nur halb eingerichtet gewesen, da mich unerwartet schwere Sorgen um die Gesundheit meiner Frau nicht daran denken ließen. Von Haus aus eine außerordentlich starke Natur, hatte sie sich, wohl durch Überanstrengung in häuslichen Arbeiten, schon vor Jahren ein Gallenleiden und durch eine unsinnige Kur dagegen schließlich ein Unterleibsleiden zugezogen. Dies wurde erst erkannt, nachdem wir verheiratet waren und den ersten Frauenarzt Berlins, Dr. Schröder, konsultiert hatten. In seiner Behandlung besserte sich das lokale Übel rasch und, wie es schien,[22] auch gründlich, aber eine Komplikation trat bei der Schwangerschaft ein, die infolge des Leidens selbst von Schröder erst in einem sehr vorgeschrittenen Stadium erkannt wurde. Ihr Alter und die innere Geschwulst machten die Geburt außerordentlich gefährlich, zumal sie sich lange hinauszögerte und schließlich nur durch gewaltsamen Eingriff möglich war. Trotzdem ging anscheinend alles glücklich. Das Kind, eine Tochter, konnte gerettet werden, und meine Frau erholte sich verhältnismäßig rasch. Erst nach Wochen, als sie bereits aufgestanden war, traten plötzlich Blutungen ein, die sich immer stärker wiederholten und am 10. März zu einem qualvollen Ende führten.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 22-23.
Lizenz:
Kategorien: