Innengestaltung

Des Kaiser-Friedrich-Museums

[131] War ich in Gastein durch den fiebrigen Zustand lange noch sehr angegriffen gewesen, so konnte ich in den drei Konstanzer Monaten um so fleißiger arbeiten. Für den »Pan« schrieb ich einen Nachruf auf meinen verehrten Lehrer Jakob Burckhardt,[131] sowie einen Aufsatz über die primitiven Florentiner Majoliken in pastosem Blaudekor, aus dem mehr als ein Jahrzehnt später die Publikation der »Anfänge der Majolikakunst in Toskana« entstanden ist. Hauptsächlich beschäftigte mich aber die Frage der Innengestaltung des Kaiser-Friedrich-Museums und der Aufstellung der Kunstwerke. Dies war zunächst nur für das Obergeschoß möglich, da im Erdgeschoß, welches nach dem ursprünglichen Plan für die Masse der Skulpturen und Abgüsse bestimmt war, bis kurz vor Eröffnung des Museums, auf Anordnung des Generaldirektors, wiederholt der Platz für andere Sammlungen gesucht wurde. Dies geschah teils mit teils ohne Erfolg, wie ich früher schon angedeutet habe. Auch im oberen Stockwerk wurden durch die Verlegung der Haupttreppe und die Anbringung einer großen Kuppel über diesem vorderen Treppenhause noch einige Änderungen (leider Einschränkungen) nötig, aber im wesentli chen konnte in der Gemäldegalerie die Anordnung, wie ich sie damals in Konstanz entwarf, innegehalten werden, wenn auch die Durchführung noch lange auf sich warten ließ.

Die Verteilung der einzelnen Schulen über die infolge der ungünstigen Konfiguration des Bauplatzes keineswegs sehr klar disponierten Räume und die Anordnung der Gemälde der einzelnen Meister in den Räumen, so, daß die historische Abfolge gewahrt bleibt und die Werke der zusammengehörigen Meister auch zusammen in denselben Zimmern aufgestellt werden, war keine leichte Aufgabe. Es war auch zu bedenken, daß jede Wand und der Raum als Ganzes in Färbung und Abmessung der Bilder einen gefälligen Eindruck machten, daß die Räume gefüllt und doch nicht überfüllt werden, daß jedes einzelne Bild für die Betrachtung durch die Nachbarbilder nicht gestört, sondern womöglich noch gehoben wird. Alle diese Erfordernisse mit dem gegebenen Material nicht nur an Bildern sondern auch an Skulpturen und Möbeln in geschmackvoller Weise zu lösen, machte viel Kopfzerbrechen. Da der Innenbau noch nicht fertig abgeschlossen war, galt es freilich, zunächst nur die allgemeine Disposition zu entwerfen,[132] die aber auch schon viel Zeit und Mühe in Anspruch nahm. Sie gelang mir, obgleich ich nicht in Berlin war, doch so gut, daß wir, als es zur Ausführung kam, nur wenig davon abzuweichen brauchten.

Nach diesem langen Krankenlager bedurfte ich Monate, ja Jahre der Rekonvaleszenz, um so mehr, als mir die Arbeiten im Museum, namentlich die Beaufsichtigung des Neubaues, der inzwischen unter Dach gekommen war, stets neue Sorgen brachten. Änderungen wie die nachträgliche Errichtung der großen Kuppel an der Eingangsseite und die Willkürlichkeit und Gleichgültigkeit des ausführenden Architekten, Baurat Hasak, beunruhigten mich aufs höchste, und fast nach jedem längeren Besuche, nach jeder Bausitzung bekam ich mehr oder weniger leichte Rückfälle.

An eine Vermehrung der Sammlungen konnten wir damals nicht denken, da wir namentlich durch den Ankauf der Hope-Bilder eine beträchtliche Schuldenlast auf uns geladen hatten, die durch jährliche Zahlung aus den laufenden Fonds nur teilweise gedeckt werden konnte. Die Beseitigung dieser drückenden Schuld und die Aussicht auf wertvolle neue Ankäufe bot sich erst durch die Bewilligung eines Extraordinariums für das Jahr 1901/02. Die wenigen Bilder und Skulpturen, die wir in diesen Jahren erwarben, verdankten wir dem Eintreten des Vereins und Geschenken von Museumsfreunden – ersterem namentlich Terborchs »Junges Pärchen beim Wein« und die beiden Guardi, während die acht historisch hervorragend wertvollen Tafeln von Multscher als Geschenk Sir Ju lius Wernhers an die Galerie kamen. Eine Skizze des Francisco Goya stiftete Phil. Goldschmidt dem Museum. Sie stellt eine »Sitzung der Philippinenkompagnie unter Vorsitz König Ferdinands VII.« dar. Schon ein paar Jahre früher war sie uns von Herrn Goldschmidt als Geschenk angeboten worden. Da ich abwesend war, hatte mein Assistent, Dr. von Tschudi, mir gar nichts davon gesagt, sondern hatte das Bild auch als Geschenk abgelehnt, da es zu schlecht für unsere Galerie wäre. Als ich später Tschudis[133] Nachfolger, Dr. Friedländer, gelegentlich meine Verwunderung darüber ausdrückte, daß Herr Goldschmidt, dem wir beim Sammeln mehrfach behilflich gewesen waren, auffallend unfreundlich gegen mich sei, erfuhr ich zu meinem Erstaunen den Grund. Ich ließ mir das Bild sofort zeigen und nahm das Geschenk mit Dank an. Einige Zeit darauf forderte Tschudi das Gemälde für die Nationalgalerie, da es eine hervorragende Arbeit Goyas sei und zum Verständnis der französischen Impressionisten in der Nationalgalerie wesentlich beitragen würde. Sein Geschmack hatte sich demnach in wenigen Jahren gründlich geändert!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 131-134.
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