Das Florentiner Kunsthistorische Institut und das Germanische Museum in Nürnberg

[134] Um diese Zeit machte ich die Bekanntschaft von zwei Forschern, die verhältnismäßig spät zum Studium der Kunstgeschichte gekommen waren, die aber beide mehr geleistet haben für die Kenntnis der italienischen Renaissancekunst als die meisten Fachgenossen: Cornel von Fabriczy und Gustav Ludwig. Beide sind mir seither wissenschaftlich nahegetreten, da sie dasselbe Gebiet der Kunstgeschichte, die italienische Renaissance, bearbeiteten, der auch ich einen wesentlichen Teil meiner Studien und Arbeiten gewidmet habe. Beide waren Männer von unbestechlicher Sachlichkeit und Gründlichkeit, voll jugendlichem Feuereifer und Fleiß, der eine wie der andere lange und schwer leidend und dadurch schon auf rein wissenschaftliche Beschäftigung hingewiesen. Fabriczy wie Ludwig kamen zu ihren kritischen Kunststudien durch die Archivforschung, in der sie Großes geleistet haben, der eine namentlich für die Architektur und Plastik von Florenz, der andere für Kunst und Kultur in Venedig. Fabriczy konnte ich für die Mitarbeit an Burckhardts »Cicerone« gewinnen, in dessen letzten Auflagen er namentlich die Architektur und zum Teil auch die Skulptur gründlich bearbeitet hat. Beide For scher habe ich für unser Florentiner Institut interessiert,[134] in deren Vorstand sie gewählt wurden, Ludwig leider erst kurz vor seinem frühzeitigen Tode.

Dieses Florentiner Kunsthistorische Institut war namentlich auf Bayersdorfers Betreiben in Aussicht genommen und vorbereitet worden und wurde dann dem Professor Heinrich Brockhaus übergeben, der seiner Gesundheit wegen in Florenz lebte und seine ganze Tätigkeit dem Institut widmete. Bei der Gewinnung von Mitgliedern für den Verein zur Erhaltung des Instituts konnte ich erfolgreich mithelfen. Ich verwandte mich für die Reichsunterstützung und suchte tüchtige Mitarbeiter zu gewinnen. Aber das Gedeihen eines solchen Instituts liegt schließlich in der Hand des Leiters, und H. Brockhaus fehlte die nötige Menschenkenntnis, Beweglichkeit und Vielseitigkeit, um unser Florentiner Institut zu einer wirklich gedeihlichen Unterstützung der Studien und Studierenden in Italien und zugleich zu einem Mittelpunkt deutscher Geisteswissenschaften im Ausland zu machen. Nach Brockhaus' kürzlichem Rücktritt hat Dr. von der Gabelentz die Leitung des Instituts übernommen, während ich selbst zum Vorsitzenden des Ausschusses gewählt wurde.

Dem Ausschuß eines anderen Kunstinstituts, des Germanischen Museums in Nürnberg, gehörte ich bereits seit etwa 1888 an. Als ich eintrat, stand ein sehr energischer Mann, der Architekt August Essenwein, als Direktor an der Spitze dieses Instituts. So zielbewußt und eifrig er war, hat er die Sammlungen doch nicht so gefördert, wie er es in den langen Jahren seines Direktorats bei den für damalige Verhältnisse reichen Mitteln und den noch niedrigen Preisen hätte tun können. Den weitaus größten Teil der Gelder, die er sich mit großem Geschick zu verschaffen wußte, verwandte er auf die Bauten. Essenwein war in erster Linie Architekt. Sein Streben zielte darauf, die alte Kartause, in deren Resten das Germanische Museum einquartiert war, in ihrem ursprünglichen großen Umfange wiederherzustellen, nicht wie sie gewesen war sondern in der phantastischen Gotik, die ihm als Ideal vorschwebte. In diese Bauten, die zur Aufstellung von Kunstwerken[135] höchst ungünstig sind, müssen nahezu zwei Millionen Mark verbaut worden sein, für die in jenen Jahren so ziemlich alles, was von deutscher Kunst in den Handel kam, hätte erworben werden können. Und das wenige Licht, das diese Räume besaßen, ist einer Reihe derselben durch die kostspieligen modernen Glasfenster, die sich Essenwein von den regierenden Fürsten und dem hohen Adel Deutschlands stiften ließ, noch genommen. Am ungünstigsten und dabei äußerst gefährdet – durch die Hitze im Sommer wie durch Feuersgefahr – sind gerade die wertvollsten Teile der Sammlungen, die Ge mälde und die Kleinplastik untergebracht, nämlich in schlechten, aus Holz gezimmerten Oberlichtsälen unter dem Dache. Erst jetzt ist ein Neubau, der allen museumstechnischen Anforderungen entsprechen soll, in Vorbereitung. Hier werden die eigentlichen Kunstsachen endlich eine sichere und würdige Aufstellung finden, während die Kultursammlungen in den alten Räumen bleiben sollen.

Im Ausschuß haben wir wiederholt fast einstimmig Einspruch gegen Essenweins Bauten erhoben, regelmäßig vergebens, da sich Essenwein die Gelder dafür anderweitig verschaffte. Auch die unerfreulichste Zeit in der Verwaltung des Museums hat Essenwein noch herbeigeführt, indem er seinen Rechnungsführer Boesch als zweiten Direktor in Vorschlag brachte und schließlich durchsetzte gegen das Versprechen, daß dieser nie die eigentliche Leitung übernehmen oder Ankäufe machen dürfe. Aber kaum war Essenwein infolge zunehmenden schweren Leidens zurückgetreten und bald darauf verstorben, so bemächtigte sich Boesch der ganzen Leitung, und auch nach der Wahl von Dr. von Bezold zum ersten Direktor konnte dieser gegen die rücksichtslose Art seines untergebenen zweiten Direktors nicht aufkommen. Für den Ausschuß waren diese Verhältnisse, an denen er wenig ändern konnte, ganz besonders unerfreulich. Teils durch Krankheit, teils durch gleichzeitige Reisen für unsere Sammlung blieb mir die Teilnahme an diesen Sitzungen in Nürnberg erspart.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 134-136.
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