Rücktritt des Generaldirektors Schoene

[171] Schoene schob auch andere wichtige Angelegenheiten meiner Abteilung hinaus und besprach sie an den Tagen, an denen ich nicht im Museum war, mit dem bei der Eröffnung zum zweiten Direktor der Gemäldegalerie ernannten Dr. Friedländer. Im Sommer 1905 bat ich deshalb um eine Audienz bei unserem Minister von Studt, um ihm die schwierige Situation, in der ich mich schon seit einem halben Jahre befände, zu schildern. Ich erfuhr von ihm vertraulich, daß eine Entscheidung bald erfolgen müsse, da Schoene schon seit längerer Zeit seinen Abschied gefordert habe und auf Unterhandlungen nicht eingehen wolle; ich möge mich nur noch etwas gedulden.[171]

Einige Zeit darauf wurde mir der Minister im Museum angemeldet. Er kam, um mich zu bitten, selbst die Generalverwaltung zu übernehmen, nachdem die Demission Schoenes vom Könige angenommen sei. Ich erklärte die Übernahme schon aus Rücksicht auf mein Venenleiden für völlig ausgeschlossen und antwortete deshalb auch auf eine wiederholte Aufforderung ablehnend. Meine Ärzte, namentlich Geheimrat Schweninger, würden mir das bestätigen können. Bald darauf kam der mir damals noch völlig unbekannte Geheimrat Schmidt, der das Kunstreferat hatte, um mir mitzuteilen, daß er sich an Schweninger sowohl wie an unseren Hausarzt Dr. Eisenberg gewandt habe. Beide hätten erklärt, daß mein Befinden die Übernahme der Generalverwaltung sehr wohl gestatte, ja, daß sie bei nötiger Schonung für meine Gesundheit sogar förderlich sein würde. Er machte mich zugleich darauf aufmerksam, daß ich zudem nicht nur den Museen im allgemeinen, sondern auch den mir unterstellten Abteilungen sehr schaden würde, wenn ich die Übernahme ablehne, da die Generaldirektion dann in Hände kommen würde, die derselben nicht gewachsen seien. Mir wurde für diesen Fall als Kandidat Geheimrat von Kekule genannt. Daß zuerst an Graf Seckendorff gedacht und dieser sogar durch den Kaiser direkt dazu aufgefordert war, aber definitiv, weil er sich der Stellung nicht gewachsen fühle, abgelehnt habe, erfuhr ich erst später durch Herrn von Valentini.

Schließlich gab ich meine Zustimmung zur provisorischen Übernahme unter der Bedingung, daß mir die Direktion der mir bisher unterstellten Sammlungen daneben belassen würde und für die reinen Verwaltungsgeschäfte ein Verwaltungsdirektor an Stelle des bisherigen Justitiars der Museen ernannt würde. Ich gab diese Erklärung an Geheimrat Schmidt ab, der mich im Museum aufgesucht hatte und mich bat, doch gleich von dort aus zum Minister zu gehen, um ihm persönlich meine Zusage zu bestätigen. Als ich eine Stunde später im Ministerium erschien, erfuhr ich, daß der Generaldirektor Schoene eben dort gewesen war,[172] um auf das dringendste davor zu warnen, mich zu seinem Nachfolger zu ernennen. Lieber möge man Herrn von Kekule oder einen anderen Archäologen nehmen. Einen unglücklicheren Vorschlag konnte er nicht machen. Kekule wäre der Letzte gewesen, an den man im Ministerium gedacht hätte, und einen Archäologen wollte man überhaupt nicht, da Althoff eine ganz besondere Abneigung gegen alle Archäologen hatte.

Was Schoene zu der abfälligen Beurteilung meiner Person bewogen haben mag, ist mir nie klar geworden. Persönliche Erbitterung über mein Vorgehen in der letzten Zeit, das nur in der Erkenntnis der Rückständigkeit unserer Museen nach verschiedenen Richtungen seinen Grund hatte, konnte ich ihm nicht zutrauen, da er stets sachliche Gründe gelten ließ, und da er mir für die Unterstützung seiner Pläne durch ein Menschenalter und dafür, daß ich ihn wiederholt vor dem Rücktritt bewahrt hatte, dankbar sein mußte. Schoene wird also wohl überzeugt gewesen sein, daß ich als Generaldirektor zu einseitig die Interessen der mir unterstellten Abteilungen verfolgen würde, und daß ich eine zu impulsive Natur sei und gegen die mir unterstellten Beamten, mit deren Tätigkeit ich nicht einverstanden wäre, rücksichtslos vorgehen würde. Wie wenig er mich in den langen Jahren gemeinsamer Arbeit kennengelernt hatte!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 171-173.
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