Tätigkeit für andere öffentliche Sammlungen

[31] In ähnlicher Weise wie die italienische Abteilung konnte ich gleichzeitig auch die erst seit wenigen Jahren mit Überweisung der wenigen Kunstkammerskulpturen begonnene Abteilung der deutschen Plastik bereichern. Von Riemenschneider und den ihm nahestehenden niederfränkischen Künstlern habe ich seit 1882 in Würzburg und Tauberbischofsheim etwa ein halbes[31] Dutzend Madonnen und Heiligenfiguren erworben, zu denen 1887 vier eigenhändige, frühe Meisterwerke, die Evangelisten, durch einen glücklichen Ankauf in Wien (zusammen für 1500 Mark) hinzukamen. Die Kolossalfigur der Maria als Mutter des Erbarmens aus Kaisheim, die dem Gregor Erhart zugeschrieben wird, fand ich 1886 im Kunsthandel in Augsburg. Gleichzeitig vermittelte mir Alexander Günther, der mir schon 1882 zum Ankauf der beiden schönen oberrheinischen Gruppen der Gregorsmesse und des Martyriums der Hl. Katharina von Gedon verholfen hatte, mehrere treffliche deutsche Renaissancearbeiten, die er selbst besessen und deren Abtretung er mir früher zugesagt, die er aber inzwischen mit seiner ganzen Sammlung an Baron von Heyl in Darmstadt verkauft hatte. Es waren die schwäbische Gruppe der Anbetung der Könige, ein intakter kleiner Altar, wahrscheinlich von hessischer Arbeit, und vier Flachreliefs von Solnhofer Stein mit Szenen aus dem Leben Christi. Für die letzteren entdeckte ich gleich darauf das große Mittelstück mit der Auferstehung Christi in einer Ausstellung in Augsburg, wo ich es gleichfalls billig erwerben konnte. Bei näherem Studium fand ich, daß der Meister des Altares Hans Daucher war, dessen künstlerische Persönlichkeit und reichhaltiges Werk ich bei dieser Gelegenheit zuerst aufstellen konnte.

Besondere Freude machte mir die Beihilfe beim Sammeln und gelegentlich auch bei der Aufstellung der Pläne für andere Museen Deutschlands, um die ich damals mehr und mehr gebeten wurde. In meiner Heimatstadt Braunschweig war gerade mir bei dem verschlossenen Wesen und dem geringen künstlerischen Verständnis des dortigen Direktors H. Riegel eine Einflußnahme anfangs kaum möglich. Nur mit Mühe konnte ich ihn allmählich dazu bestimmen, eine Sammlung des Porzellans der Braunschweiger Fabrik Fürstenberg anzulegen, von dem vor dreißig Jahren selbst die besten Stücke nur sehr mäßige Preise erreichten. In Berlin, in Süddeutschland, auch in Braunschweig selbst konnte ich ihm zu einem ansehnlichen Anfang der Sammlung verhelfen, die heute schon an tausend[32] verschiedene Stücke umfaßt, die – wie wenige andere Sammlungen der Art – den Geschmack und die Phantasie der Handwerker und Künstler selbst in einer so abgelegenen Fabrik bekundet. In Kassel war ich Otto Eisenmann, in Frankfurt Henry Thode, der 1887 auf meinen Vorschlag zum Inspektor am Städel-Museum ernannt war, in Schwerin dem neuen Direktor Friedrich Schlie in verschiedener Weise behilflich. Nach Schwerin wurde ich zur Bestimmung der Bilder behufs Anfertigung des Kataloges berufen. Für Frankfurt besorgte ich eine kleine Sammlung farbiger Florentiner Stucchi und Tonreliefs.

In Gotha nahm mich Herzog Ernst in Rat wegen eines großen Porträts unter dem Namen A. van Dycks, das in der Galerie hing, das er aber für sein Privateigentum hielt und deshalb bei seinen ewigen Finanznöten verkaufen wollte. Meine Empfindung war, es müsse ein Werk des Cornelis de Vos sein. Ich fühlte mich aber nicht sicher genug, um die alte Bezeichnung van Dyck abzulehnen. Mein Schrecken war nicht gering, als ich kurz darauf mit dem Komturkreuz des Ernestinischen Hausordens belohnt wurde. Ich war nun sicher überzeugt, daß das Bild nicht von van Dyck sei, und spätere Besichtigungen haben mir in der Tat keinen Zweifel mehr gelassen, daß Cornelis de Vos der Künstler ist. Ich schämte mich so, daß ich den Orden nie getragen habe, mit einer Ausnahme: als Pate bei der Taufe von Oskar Hainauers vier Töchtern, wo der Vater vollen Ordensschmuck von mir wie von dem zweiten Paten, Baron v. Holstein, verlangt hatte. Amüsant war mir, das Wesen des so viel genannten Herzogs in den beiden Tagen, die ich in Gotha war (Anfang 1888), etwas näher kennenzulernen. In seiner eitlen Lebendigkeit bemächtigte er sich jedes Themas, dozierte und phantasierte, ohne daran zu denken, daß etwa einer seiner Zuhörer ihn kontrollieren könne. So fragte er mich u.a. nach den englischen Privatsammlungen auf dem Lande, die ich gesehen hätte, und sobald ich eine nannte, fiel er sofort ein, um mir zu erklären, daß auch er dort gewesen sei und welcher Bilder er sich noch entsänne. Aus dem, was er[33] sagte, konnte ich schließen, daß er entweder überhaupt nicht dagewesen war oder sich die Bilder nicht angesehen hatte.

Auch für die Hamburger Kunsthalle konnte ich mehrere Jahre lang die Bemühungen Lichtwarks um den Ausbau der älteren Hamburger Schule erfolgreich unterstützen, nachdem ich schon bei der Erwerbung der Wesselhoeftschen Sammlung holländischer Bilder geholfen hatte. Daß eine Hamburger Schule im engen Anschluß an die holländische Schule während des 17. und 18. Jahrhunderts bestand, und daß sie eine Reihe recht achtbarer Meister aufzuweisen hatte, darauf hatte ich in meiner Publikation über die Schweriner Galerie hingewiesen. Auf meinen Appell an die Hamburger, nach dieser Richtung zu sammeln, ging der junge Direktor, der vom Berliner Museum kurz vorher an die Kunsthalle berufen war, mit großem Eifer ein und erweiterte das Thema noch auf die ältesten Meister, die in Hamburg im 14. und 15. Jahrhundert tätig waren. Aus der Kasseler Galerie, aus den Sammlungen von Freunden und Verwandten wie aus Kirchenbesitz in Mecklenburg und in der Provinz Hannover und aus dem Kunsthandel konnte ich die ansehnliche und interessante Sammlung lokaler Kunst, die jetzt in der Hamburger Galerie untergebracht ist, zusammenbringen helfen.

Mit besonderer Vorliebe bin ich den Kunstgewerbemuseen beim Sammeln behilflich gewesen. In Berlin zwar wußte mich der Direktor Julius Lessing, seitdem das Kunstgewerbemuseum dem Kultusministerium unterstellt war, weit mehr als früher auszuschalten; um so mehr Gelegenheit bot sich mir damals außerhalb Berlins. In Köln war, auf Betreiben des ausgezeichneten Bürgermeisters Becker, die Begründung eines Kunstgewerbemuseums beschlossen und zunächst aus den Beständen des Wallraf-Richartz-Museums gebildet, zu dessen Direktor der Assistent am Berliner Kunstgewerbemuseum Arthur Pabst berufen wurde. Becker stellte mir eine gewisse Summe zur Verfügung, um namentlich in Italien Erwerbungen zu machen. Ich habe daraus damals italienische Möbel, die reiche Stoffsammlung, Bronzegeräte und dergl., die einen Teil des Bestandes[34] der Sammlung ausmachen, erworben; ebenso die vorderasiatischen Teppiche. Da diese in jener Zeit in Italien geradezu auf der Straße lagen und um Spottpreise zu haben waren, kaufte ich für Sammlungen und Bekannte auf, was ich fand. Zufällig war Dr. Justus Brinckmann gegenwärtig, als eine Sendung solcher Teppiche gerade im Museum ankam. Ich fragte ihn, ob er nicht auch bald mit dem Sammeln orientalischer Teppiche beginnen wolle. Er lehnte dies aber mit der Bemerkung ab, er habe noch zu viele andere Abteilungen seines Museums zu vervollständigen. An eine Sammlung alter Teppiche werde er erst vom 1. April 1900 an (ich nenne ein beliebiges Datum, B. nannte aber genau den Tag) herangehen, zu der Zeit würde er sie in Hülle und Fülle bekommen. Meine Behauptung, daß er dann selbst um teures Geld kaum noch einen guten alten Teppich bekommen könnte, ist nur zu sehr durch die Tatsachen bestätigt worden, da bald darauf das Interesse für alte Teppiche ein allgemeines wurde, namentlich auch in Amerika, wodurch der Preis auf das Zehn- bis Hundertfache stieg und der Vorrat an käuflichen Stücken rasch erschöpft wurde.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 31-35.
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