Betreffend Erweiterungs- und Neubauten bei den königlichen Museen in Berlin Februar 1907

[239] Die Verlegung der ethnologischen und prähistorischen Sammlungen der Berliner Museen aus den Museen am Lustgarten in das Ende 1886 vollendete besondere Museum in der Königgrätzer Straße hatte die Überfüllung sämtlicher Abteilungen der Museen nur auf kurze Zeit beseitigen können. Behufs Abstellung der durch erneute Überfüllung bald wieder entstandenen Mißstände wurde von der Staatsregierung auf Grund älterer Pläne zunächst der Neubau des Renaissance-Museums zur Aufnahme der Gemälde und Skulpturen der christlichen Epochen sowie ein provisorisches Gebäude für den Altar von Pergamon und die antiken Skulpturen in Aussicht genommen und vom Landtage genehmigt.

Diese beiden Bauten sind, letzterer 1901, ersterer 1904, bezogen worden. Das Alte Museum, das ursprünglich für die Erweiterung der Nationalgalerie frei werden sollte, ist inzwischen, um dringenden Ansprüchen der Antikensammlungen zu genügen, ganz für diese hergerichtet worden, und auch der zur Erweiterung der ägyptischen Sammlungen bestimmte erste Stock des Neuen Museums hat den antiken Gipsabgüssen vollständig eingeräumt werden müssen. Dadurch ist die Not in den anderen, seither stetig durch Neuerwerbungen vermehrten Abteilungen noch weiter gestiegen. Zudem sind ganz neue, früher nicht vorgesehene Sammlungsgebiete erschlossen worden: durch den großartigen Erfolg der Ausgrabungen in Mesopotamien das weite Gebiet der vorderasiatischen Kunst, durch die reichen Funde in Baalbek, Milet, Didyma usw. die Erweiterung der antiken Sammlungen nach der Richtung der Architektur und Dekoration, wie durch das Geschenk der M'schatta-Fassade die umfangreiche Kunst des Islams. Neben der Notwendigkeit der Raumbeschaffung für alle diese Bedürfnisse erscheint mir endlich ein neues Museum für ältere deutsche Kunst auch aus nationalen Gründen als eine Pflicht (IV).

Da die Schätze ganzer Abteilungen zur Hälfte oder noch darüber hinaus magaziniert sind, muß jetzt für die ausgiebige, auf absehbare Zeit ausreichende Erweiterung der genannten Sammlungen, wie für[239] die Sammlungen der neu hinzukommenden Gebiete der Platz gesucht werden. Auch müssen bei dem seither wesentlich verstärkten Besuch des Publikums und den neuen Anforderungen, die für die zahlreichen, zur un entbehrlichen Gewohnheit gewordenen wissenschaftlichen und populären Vorträge und Führungen gestellt werden, die Räume zum Teil größer gestaltet werden, als früher vorgesehen war.

Wenn es mir auch bei der schon starken Bebauung der Museumsinsel erwünscht erscheinen würde, für Neubauten soweit als möglich den Platz außerhalb derselben zu suchen, so ist dies doch nur in beschränktem Maße möglich infolge der vor 30 Jahren, als die Frage der Erweiterung der Museen zuerst dringlich wurde, getroffenen Entscheidung, daß alle Sammlungen der großen Kunst ihren Platz auf der Museumsinsel finden sollten, und da auch bei den oben genannten neueren Bauten die Platzfrage aus jener Anschauung heraus entschieden worden ist.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 239-240.
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