Franz Marc 04.04.1912

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Sindelsdorf, 4. IV. 12


Lieber August,


am Montag haben wir mit viel Freude Deine Ausstellung gehängt; es ging schliesslich alles in den einen Saal hinein, ohne Pflasterung. Vier der Aquarelle kamen auf einen Ständer. Der ganze Saal wirkt ungeheuer lebendig und anregend; mir persönlich ist das Bild Am Rhein mit Segelschiff im Grunde das liebste. Wenn es je später unverkauft bleiben sollte, möchte ich es furchtbar gern haben. Famos wirken auch fast ausnahmslos die Tegernseer Sachen, z.B. Zimmerecke (mit Stuhl), dann Zwei Körbe mit der dunkelroten Tischplatte (Tegernsee?), Akt, und vor allem das Porträt von Lisbeth. Dann famos der Schulgang.

Mit den zwei grossen bin ich, aufrichtig gestanden, nicht sehr einverstanden; manches scheint mir von ihnen, vor allem in den Farbquantitäten direkt unrichtig; sie wirken sehr zahm, man hat aber nicht das Gefühl, dass sie zahm gedacht sind. In der Erinnerung scheinen mir die Skizzenbuchzeichnungen, die Du im Herbst in Sindelsdorf gemacht hast, viel stärker. Sei nicht bös, dass ich das offen schreibe, vielleicht hab ich auch Unrecht. Maria mochte sie anfangs sehr und sah sich dann an ihnen ab, während z.B. das grosse Blumen und Blüten immer stärker wirkt und anzieht, je länger und öfter man es sieht.

Kandinsky hat vieles sehr gern, wie er sagte, z.B. Schulgang, das Tegernseer Hausbild mit den runden Baumformen und zwei Figuren, – ich weiss nicht mehr, wie[115] Du's betitelt hast, auch die grossen neuen Kompositionen. Münter kam nicht in unsrer Gegenwart in die Ausstellung, Gott sei Dank! Beiliegenden ›Brief‹ an mich, den man mir in Kandinsky's Wohnung zartfühlend zustecke, will ich Dir nicht vorenthalten; ich hab viel Zeug in meinem Leben erlebt, aber eine so dumme, ungebildete Gans, als welche sie sich in diesem Schreiben zeigt, ist mir noch nicht vorgekommen.

Die Berliner Blaue-Reiter-Ausstellung geht von Berlin direkt nach Bremen.

Sonst nicht viel Neues. Seid herzlich gegrüsst von Eurem


treuen Franz

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 114-116.
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