Franz Marc 04.04.1912 [2]

[116]  

BRIEF AUS SINDELSDORF


[nach dem 4.4.1912]


[Zeitungsausschnitt:]

In Brake (Oldenburg) hat sich eine 68jährige Witwe aus Liebesgram (!) erhängt. Ihrem Papagei hatte sie vorher den Hals abgeschnitten.


Lieber August,


ich hab vergeblich versucht, Thannhauser zu eigenhändiger Weitersendung Deiner Kollektion in andere Städte zu bewegen, – wollen wir es nicht selbst besorgen? Ich tu gern, was in meinen Kräften steht, – Mannheim, Frankfurt und eventuell Berlin mit Hilfe Koehlers und der Brücke; hast Du Lust? Desgleichen natürlich Barmen. Thannhauser sagte mir, dass sie momentan in Bonn durch Cohen ausgestellt wird. Wann wird sie frei? Schreib bitte, was Du für Pläne hast, ja?[116]

Hier geht alles gut; ich schicke einen ganzen Haufen zum Sonderbund (hoffentlich bist Du in der Jury ein milder Richter!). Sind die ›Friedfertigen‹ eigentlich aus dem Sonderbund ausgetreten? Wie geht's Euch? Was malst, schnitzt, töpferst, glaserst oder kleisterst Du?

Wir wandern hier auf Primeln und Enzian und frieren dabei wie junge Lämmer.

Campendonk bringt morgen seine Adda nach Sindelsdorf, vivent les femmes!

Seid herzlich umarmt von

Eurem Fz. M.


Bei der Reise durch das Kannibalengebiet stelle ich mir immer Lisbeth vor! Maria ist natürlich ganz jeck darauf. Kann man sich denken!

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 116-117.
Lizenz:
Kategorien: