249 [206] Brief an Elisabeth Macke

Bertschweiler, 7.1.1915


Liebe Lisbeth, Deine freundschaftliche, resignierte und doch so tapfere Karte vom 22. XII. hab ich erst heut erhalten, zugleich mit einigen Briefen von Koehler, der mir von seinem melancholischen Besuche bei Euch erzählte und auch die näheren Umstände von Augusts Tod schilderte. Nun sind wir wirklich allein, ohne unseren August, Du und Koehler und ich; und mit uns viele andere. Wir wollen uns tapfer die Hand geben in seinem Gedächtnis und versuchen, soviel wir nur können, in unser Leben davon umzusetzen, Du mit Deinen Kindern in Dein Leben, ich in meine Malerei. Vielleicht (ich hoffe es so sehr) können wir uns dabei manchmal gegenseitig helfen; Maria und ich Dir, wenn Du zuweilen zu uns kommst und Du wieder bei uns in die Atmosphäre der Malerei rückst, die Dir Deine Familie nicht geben kann, – daß sich in Ried leben läßt, in unserem Häuschen, kannst Du mir schon glauben, vor allem auch für die Kinder. Und von Dir möchte ich noch viel über August hören und erfahren, vor allem über seine Ideen der letzten Zeit. Ich rede[206] schon, als wenn schon bald Friede wäre, und dabei krachen draußen 200 Meter weit unsere Geschütze! Wir sind seit dem 26. Dezember wieder im Gefecht (westlich Mühlhausen). Statt des erhofften Soldatenweihnachten in Mühlhausen verbrachten wir die ganze Weihnachtsnacht am Pferd! – Einmal muß dieser Krieg ja ein Ende nehmen, erst im Osten, dann im Westen. Man vertröstet sich von einer Jahreszeit auf die andere! Von Helmuth hab ich die letzte Nachricht vom 6. Dezember; hoffentlich bewahrt ihn ein gutes Schicksal, freilich ist er sehr gefährdet da oben und als Infanterist doppelt und zehnfach. Willst Du mir einmal eine Freude machen? Schick mir doch eine kleine Photographie von Wolfgang, wenn Du eine hast (am liebsten unaufgezogen), Koehler schreibt, er habe solche Ähnlichkeit mit August. Gib Walterchen und dem Kleinen einen herzhaften Kuß von mir und nimm Du auch einen von Deinem treuen Fr. Marc

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Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 206-207.
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