Chalybs

[285] Chalybs.

Chalybs.

frantzösisch, Acier.

teutsch, Stahl.

Ist Eisen, welches geglühet und wieder abgelöschet, dannenhero viel härter und dichter, geschmeidiger und feiner gemachet worden ist. Wann sie den Stahl zurichten wollen, legen sie das Eisen und geraspelte Klauen von allerhand Thieren, schichtweise, in die Oefen, welche unweit von den Eisengruben ausdrücklich darzu gebauet worden sind: stecken alsdenn Feuer drunter, und wann das Eisen gantz weich worden, so daß es beynahe fliessen will, löschen sie es in kalten Wasser ab, damit die darinn befindlichen pori und Löchlein, welche durch die Gewalt des Feuers noch weiter sind gemacht, sich auf einmahl schliessen mögen. Dieses glühen und wieder ablöschen wird zu unterschiedenen mahlen wiederholet.

Wann die Klauen mit dem Eisen verbrennet worden, bringen sie zweyerley zu wege. Erstlich zerstreuen sie die flüchtigsten, zärtesten und saltzigen Theilgen des Metalls. Vors andere dringet sich ein Theil von dem flüchtigen Saltze, dessen diese Klauen natürlicher Weise gantz voll sind, in die Löchlein des Eisens. Weil nun dieses Saltz durch den Brand alkalisch worden ist, so absorbiret oder verschlucket es, und bricht die Spitzlein des vitriolischen und sauren Saltzes, welches noch in dem Eisen hinterstellig ist[285] verblieben. Dieweil nun solchergestalt die Bewegung dieses Saltzes gehemmet worden, deshalben kan es sich nicht fernerweit ausdehnen, welches dann dem Stahle eine sonderliche Güte verschaffen mag: iedoch thut das ablöschen wol das allermeiste dabey, dafern es zu gebührender Zeit geschiehet. Sie bereiten an vielen Orten in Franckreich Stahl, desgleichen in Italien und Piemont, in Hungarn: der allerbeste aber wird in einer Stadt in Teutschland, Kernent genannt, gemacht, und von den Handwerckleuten corrupte geheissen Acier de Carme, ingleichen Acier à double marque, Stahl mit dem doppelten Marck oder Zeichen. Er wird in Stangen und in Stäben überbracht: und soll klingend seyn, dabey ein feines, weisses Korn haben.

Der hat schier eben solche Wirckungen, als wie der Magnet: es wird auch unterweilen ein vollkommener Magnet daraus. Will einer den Stahl ohne sonderliche Mühe weich machen, der darff nur Menschenkoth drum schlagen, und ihn also erglühen lassen.

Die Feilspäne vom Stahl, oder das Stahlfeiligt, ist gut die Verstopfung zu heben, wider die Gelbsucht und die Miltzbeschwerung. Die dosis ist von einem Scrupel bis auf ein Quintlein. Sie wird auch zum färben gebraucht.

Das Wasser, darinne glühender Stahl ist abgelöschet worden, wird aqua chalybeata, frantzösisch, Eau chalybée, teutsch Stahlwasser, genannt: es hält an und stillet den Durchlauff.

Das Wort Chalybs hat seinen Ursprung von einem gewissen Volcke in Ponto bekommen, welches ehedessen den Nahmen Chalybes geführet, und seine grösseste Bemühung liesse seyn, das Eisen aus der Grube heraus zu fördern, dasselbige zuzurichten und fein zu machen. Virgilius schreibet also davon:

India mittit ebur, molles sua thura Sabæi,

At Chalybes nudi ferrum.

Dieses Volck soll um den Fluß Thermodoon gewohnet haben, und hernach, wie einige vorgeben wollen, Chaidæi genennet worden seyn.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 285-286.
Lizenz:
Faksimiles:
285 | 286
Kategorien: