Colubri

[330] Colubri.

Colubri, Holländisch Colubritje, ist ein überaus kleines Vögelein, das wegen seiner kleinen Gestalt und Schönheit seiner Federn recht sehr Anmerckungswerth. Es fället auf den Inseln von Martinigo, von da her wird es trocken, nach Europa zu uns, überbracht. Insgemein ist es von der Spitze des Schnabels an bis an das Ende seines Schwantzes, so lang als wie der kleine Finger. Der Kopf ist bey nahe so dick, wie eine Erbse, der Schnabel eines Zolles lang, ein wenig krumm, spitzig und scharff. Die Zunge ist lang und knorplicht, gantz dünne und wie eine Nadel spitzig. Der Hals ist einen Querfinger lang: der Leib so dicke, wie eine kleine Nuß. Der Schwantz ist etwan ein Paar Querfinger lang. Die Schenckel sind kurtz und zart: an jedem Beinlein stehen vier graue Zehen, mit kleinen spitzigen Nägeln versehen.[330] Dieses kleine Vögelein ist mit allerhand schönen bunten, asurblauen, glätzenden und spielenden Federlein gantz prächtig ausgeschmücket; die Fittige sind gegen seine gantze Grösse zu rechnen, recht groß. Es sauget den Saft aus den Blumen zu seiner Nahrung, und bauet sein Nest auf die Bäume, als wie andere Vögel.

Es giebet aber zwey Gattungen der Colutbritjen, welche vornemlich durch ihre Grösse von einander unterschieden: dann die einen sind etwas grösser als die andern; und die kleinste Art hat nur eine einfache Zunge, die grössere hingegen hat eine gedoppelte.

Wann der P. Plumier von den Colubris redet, so spricht er, wie daß sie ihrer geringen Grösse unerachtet, sich dannoch andern gar viel grössern Vögeln fürchtig machen können. Ich habe gesehen, meldet er, daß sie eine gewisse Gattung Vögel verfolget haben, Kernbeisser genannt, die noch noch ein wenig grösser, als die Drosseln, haben einen dicken, breiten und spitzigen Schnabel, damit sie gar geschickt die jungen Colubri im Neste wegzuschnappen wissen. Allein, wo Vater und Mutter dazu kommt, so ist das eine ungemeine Vergnügung, wann man siehet wie dieser Grosschnabel (Grosbec) davon streichet und unaufhörlich schreyet, dann der kleine Colubri sitzt ihm auf den Hacken. Kan er ihn erhohlen, so häckelt er sich mit seinen kleinen Waffen unter seine Flügel ein, hacket und sticht ihn mit seinem kleinen Schnabel, der so spitzig ist wie eine Nadel, so lange bis er ihn gantz wehrlos hat gemacht. An dem Gesange des Colubri, fährt P. Plumier fort, habe ich niemahls einige Melodie verspühren können: es lautet nicht anders, als ob einer mit den Zähnen knirschete, und dieses ungemeine scharff. Er flattert beständig von einer Blume bis zur andern, und zwar dermaßen schnell, daß man es mit genauer Noth gewahr kan werden. Eines Tages vernahm ich auf Martinique, so ziemlich in der Ferne ein groß Gesumse, bey nahe wie von einem Bienenschwarm. Das waren wol mehr als fünff hundert solcher kleinen Vögel, die um einen grossen Baum herum flatterten, der über und über mit Blüten bedecket war, aus denen sie den Saft saugeten.

Die Federn von diesen kleinen Vögelein dienen den Indianern zum Schmuck und Zierath.

Man saget, daß die Colubri einen Moschusgeruch bekämen, wann sie getreuget würden: allein ich habe mehr nicht, als einen eintzigen gesehen, der diesen Geruch an sich genommen.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 330-331.
Lizenz:
Faksimiles:
330 | 331
Kategorien: