Hippolithus

[536] Hippolithus.

Hippolithus, der Roßstein, ist ein Stein, der insgemein so dicke ist, als wie ein Ey und gelbe: findet sich in der Gallenblase, oder in den Därmen, oder in der Harnblase eines Pferdes. Er lasset sich blattleinweise oder lagenweise abschelffern, als wie der Bezoar. Führet eine gute Menge Sal volatile und ein wenig Oel.

Er treibet den Schweiß, widerstehet dem Gift, tödtet die Würmer, stillet den Durchfall. Er wird von einem halben Scrupel bis auf zwey gantze auf einmahl gegeben.

Vor einigen Jahren ward ein Mutterpferd von mittelmäßiger Grösse kranck, das ließ sein Herr aufs Land bringen, zu versuchen, ob es nicht durch die Weide möchte wiederum gesund werden: allein, an statt daß es zunehmen solte, wurde es magerer und dermassen schwach, daß es endlich gantz und gar lungenfiech wurde und umfiele. Als es war abgedecket worden, nahm iemand in Acht, wie daß die Blase so groß aufgelauffen, öffnete sie deshalben, und zoge einen Stein heraus, welcher bey nahe die Gestalt und Grösse einer gemeinen Melone hatte, war aber um ein gut Theil runder. Er war wichtig, obenher ungleich und höckerigt, als wie mit einer harten, glatt und gleissenden, braunrothen Haut überzogen, inwendig war er nicht so hart, ließ sich unschwer zerreiben, sahe grau und roche wie Urin, schmecke scharff und bitterlich. Wie dieser Stein vollkommen in der Sonne war getrocknet worden, wuge er 24. Untzen.

Mons. Baudelot, der gelehrte Medaillist bey der königlichen Academie des inscriptions, ließ an 1700 einen Brieff in Druck ausgehen, welchen er an den Herren Lister, bey der königlichen Societät in Londen geschrieben hatte, wegen eines Steines, den er zu Argenteuil, in eines Pferdes Gedärmen gefunden, und der die Ursach gewesen, daß es umfallen müssen, weil er dem Miste den Weg versetzet. Dieses Steins Figur, spricht Baudelot, ist rund, und hält bey nahe vier Zoll im Diameter: er wiegt bey nahe sieben Viertheil Pfund, und ist dem Wesen nach einem gestreifften Marmor oder Kieselsteine nicht unähnlich, von Farbe weiß und grau, in etwas schwärtzlicht. Obenher ist er wol etwas ungleich, doch glatt und gleissend: siehet aus, als ob er aus eitel Schichten und Lagen auf einander zusammen gesetzet wäre, die eine Linie dicke sind. Auf diese Weise hat der Herr Bourdelot diesen Stein beschrieben: er hat zwar wol hinzu gesetzt, wie daß noch kein Scribent, weder alter, noch neuer, von solchen Steinen geschrieben, die in den Pferden wüchsen; alleine, wenn er sich nur in Büchern umgesehen hätte, würde er schon gesehen haben, daß dieser Stein allbereits unter demn Titel Hippolithus nicht nur in meinem Traité Universel des Drogues simples, sondern auch bey vielen andern Scribenten vor mir beschrieben worden sey.

[536] In dem Journal des Sçavans, im April an. 1666. findet sich die Beschreibung eines solchen Steines, welcher aus einem Spanischen Wallachen, so 13. Jahr alt gewesen, ist gezogen worden, welcher in des Herren de Bernardi Reitschule umgefallen. Derselbige hat ein ausserordentlich Gewicht gehabt, die Figur war rund und etwas platt, olivenfarbig und etwas braunlicht, mit einigen rothen Tüpfeln, als wie von geronnenem Geblüt gezeichnet, und voller runder, weiß und schwartzer flammiger Adern. Im übrigen war er dermaßen glatt, daß man auch die davor gehaltenen Dinge darauf ersehen kunte. Er ward in eine Haut, die voller Fett, gewickelt befunden, und diese Haut hunge an zween Enden an dem Rückgrade des Pferdes, um die Gegend der Nieren.

Es werden auch Steine in den Kinnbacken und in andern Gliedern mehr bey den Rossen gezeuget, und würden deren viel mehr gefunden werden, wann curieusere Leute, als die Abdecker, sich die Mühe geben und darnach sehen wollen. Allem Vermuthen nach entstehen die meisten Kranckheiten, worauf sich weder die Roßkämme, noch die Schmiede verstehen von diesen Steinen; dann dieselbigen werden in diesen oder jenem Eingeweide bey dergleichen Thieren gezeuget, verursachen dannenhero Verstopfungen, und verhindern die Natur in ihren Verrichtungen.

Hippolithus kommt von ἵππος, equus, ein Pferd oder Roß, und λίϑος, lapis, ein Stein, als ob man wolte sprechen, ein Pferde- oder Roßstein.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 536-537.
Lizenz:
Faksimiles:
536 | 537
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika