Ladanum

[601] Ladanum.

Ladanum, oder Labdanum, ist ein gummoses oder hartziges Wesen, dessen wir zweyerley Arten zu sehen bekommen; eine dicke und eine dünne oder flüßige. Jene ist wie kleine Rollen, des Fingers dicke, formiret, und auf Art eines Wachsstockes gewunden, schwärtzlich von Farbe, und von ziemlich lieblichen Geruch, wann sie ans Feuer kommt. Sie ist das Ladanum commune, das gemeine Ladanum, welches die Kauffleute Labdanum en tortis, gewunden Ladanum zu nennen pflegen.

Die andere Sorte ist wie ein sehr dicker, schwartz und wolriechender Balsam, in überaus zarten Blasen beschlossen: sie wird Labdanum liquide, Labdanum liquidum, weiches Ladanum, und Baume noir, schwartzer Balsam genennet.

Beyde Arten werden aus Cypern und aus Candien, aus Griechenland und aus Italien uns zugeführet. Sie kommen von den Blättern eines Strauches, Cistus Ledon, auch Cistus ladanifera genannt, der in den warmen Ländern häuffig wächset, und dessen es gar viele Sorten giebt. Dann einige haben breite Blätter, andere schmale und ziemlich lange, sind insgemeine grün oder braun, bisweilen weißlicht, iedoch alle mit einander rauch, sehr klebricht und beständig grüne. Ihre Blumen sind vielblätterig, in Rosenform: drauf folgen, wann sie nun vergangen sind, Früchte, die bey nahe rund und oben spitzig, beschliessen dünne Samen.

Das Ladanum wird auf dreyerley Weise abgenommen. Erstlich durch die Böcke und die Ziegen: dann, wann diese Thiere unter den Cistus Ledon Sträuchern sich geweidet, kehren sie zurück nach ihren Ställen, und haben den Bart voll gummig Wesen, das nehmen ihnen die Bauern mit allem Fleisse, vermittelst höltzerner Kämme ab, die sie ausdrücklich darzu haben verfertiget. Aus dieser Materie machen sie eine Massa oder Klumpen, und weil sich Haare und viel anderer Unrath drunter finden, deshalben nennen sie es Labdanum en barbe, Bartladanum, oder Ladanum naturel, natürlich Ladanum. Vor diesen macheten sie Kuchen draus und schickten uns dieselben zu. Anietzo aber machen sie zwey Sorten draus: lassen es über dem Feuer oder an der Sonne zergehen, lassens durch ein Haarsieb oder durch ein Tuch lauffen und trucken es ein wenig aus, das ist das beste und das flüssige, das Ladanum liquidum, und wird in zarte Blasen geschüttet. Den Uberrest in dem Tuche nehmen sie hernach heraus und machen Rollen davon, so wie wir es zu sehen kriegen, und trocknens an der Sonne. Dieses Ladanum ist trefflich unreine und mit Erde und Sand vermischt, wird dannoch insgemein zu äusserlichen Artzneymitteln und zu Raucherkertzlein genommen.

Die andere Weise ist in Griechenland gebräuchlich. Die Bauersleute schlagen die Cistus-Sträucher mit gewissen Ruthen, die sie mit allem Fleisse darzu binden und Ergastiri nennen: an diese Ruthen henget sich das Ladanum, dasselbe sammlen sie und formens nach belieben: es ist das beste, und das am stärcksten reucht.

[601] Die dritte Art brauchen sie in Spanien; sie nehmen das Laub von eben diesem Cistus, welches in diesem Lande gar breit ist; das lassen sie im Wasser sieden, so sondert sich das Ladanum davon, schwimmet oben auf und wird zusammen gesammlet. Es ist das schlechteste, dann durch das sieden ist ein Theil vom Geruche, oder von dem geistigen Theile weggetrieben worden.

Das Ladanum soll man erwehlen, welches leicht und hartzig ist, darunter auch so wenig Unrath, als nur möglich, welches dunckel ist, und wol riechet, wanns zum Feuer kommt, das auch bald weich wird, anziehend und in etwas bitter schmecket. Es führet viel Oel und Sal essentiale.

Es dienet zum erweichen, zum reinigen, dünne zu machen, zum zertheilen, stärcken, und den Durchfall zu versetzen. Es wird auch zu allerhand Pflastern gebrauchet.

Ladanum liquidum muß gantz dicke seyn, schön schwartz, gagatenfarbig, von lieblich angenehmen Geruch, in etwas als wie Ambra. Dieser Balsam ist das recht und ächte Ladanum, dessen sich die Parfumirer starck bedienen, absonderlich in England.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 601-602.
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