Lamium

Lamium.
Lamium.

[603] Lamium.

Lamium, frantzösisch, Ortie morte, teutsch, taube Nessel, tode Nessel, ist ein Kraut, dessen es fünff Sorten giebet.

Die erste wird genannt

Lamium vulgare, folio subrotundo, flore rubro, Park.

Lamium purpureum fœtidum, folio subrotundo, sive Galeopsis Dioscoridis, C.B. Pit. Tournefort.

Urticamortua, Gesn. Hort.

Lamium rubrum, Ger. Raji Hist.

Galeopsis, sive Urtica iners, folio & flore minore, J.B.

Urtica iners altera, Dod.

Die treibet einen Hauffen lange, viereckigte und hole, ästige Stengel. Die Blätter sind bey nahe so gestalt wie die an der gemeinen Nessel, nur daß sie kleiner und viel kürtzer sind, ohne Haare, und nicht stechen oder brennen, weich und am Rande ausgezackt: sie sitzen auf ziemlich langen Stielen. Die Blüten wachsen oben an den Spitzen der Stengel, stehen rund um denselbigen herum, sind klein und purpurfarbig; wie ein Rachen formiret. Eine iedwede ist ein Röhrlein, das oben in zwey labia zerspaltet ist, und ausgeschweifft wie eine Kehle, so mit einem Flügel oder kleinen Blatt besetzt: sie steht in einem Kelche, der wie ein Hörnlein mit fünff Spitzen sieht. Wann die Blüte vergangen, so folgen ihr vier ziemlich dicke, dreyeckigte, röthlichte und gleissende Samen, die von sich selbst ausfallen, wann sie reiff geworden sind. Die Wurtzel ist dünn und zaserig; das gantze Gewächse stinckt gar sehr.

[603] Die zweyte Sorte heisset

Lamium album, Ger. Raji Hist.

Lamium vulgare album, sive Archangelica flore albo, Park. Pit. Tournef.

Lamium album non fœtens, folio oblongo, C.B.

Galeopsis, sive Urtica iners, floribus albis, J.B.

Die treibet Stengel zu anderthalben Schuh hoch; die sind viereckigt, unten weit dünner und schwächer, als oben, deshalben sie sich auch nicht gar wol aufrecht halten können: sie sind anbey ein wenig rauch, hol und ästig, gegen die Wurtzel zu purpurfarbig. Die Blätter sehen aus wie Nesselblätter, stehen Paar und Paar beysammen, sind rauch und weich, die untersten Stiele, daran sie sitzen, sind viel länger, als die obersten. Die Blüten stehen rund um den Stengel herum, so lang er ist, sind noch so ziemlich groß und weiß, als wie die an der vorhergehenden formiret, und nach ihnen folgen dreyeckigte Samen. Die Wurtzeln sind dünne und zaserig, kriechen überall herum. Diese Art stinckt nicht so sehre, wie die vorige.

Die dritte heist

Lamium alba linea notatum, C.B. Pit. Tournefort.

Lamium Plinii, montanum Columnæ, Park.

Galeopsis maculata, J.B.

Milzadella vulgo, Leucas, Dioscoridis forte, Cæs.

Die treibet einen Hauffen Stengel, die nach der Erde zu gebeuget, viereckigt und röthlicht sind. Ihre Blätter sind der zweyten ihren gleich, iedoch viel kleiner, rauch und weich, gar tieff zerkerbet, und mitten hindurch laufft ein weisser Strich. Die Blüten sehen wie die an der vorigen und weißröthlicht.

Die vierdte heist

Lamium Parietariæ facie, Mor. H.R.B. Pit. Tournefort.

Die ist von denen vorigen darinne unterschieden, das ihre Blätter als wie an der Parietaria aussehen: doch ist diese Sorte rar.

Die fünffte heist

Lamium folio caulem ambiente minus, C.B. Pit. Tournef. Raji Hist.

Alsine Hederula altera,

Galeopsis, sive Urtica iners folio caulem ambiente, J.B.

Die treibet einen Hauffen schwache Stengel, des halben Fusses hoch; die liegen mehrmahls auf dem Boden, bisweilen stehen sie auch aufgerichts, und sind viereckigt. Die untersten Blätter, welche am ersten hervorkommen, sind den Nesselblättern gleich, iedoch viel kleiner, bey nahe gar rund, zackigt und sitzen an Stielen: die obersten aber haben keine Stiele, stehen gleichsam paarweise an dem Stengel und umgeben ihn, sind rund und rauch, gar sehr tieff eingekerbt, krause, schier ohne Geruch, und stincken unter allen andern Sorten am wenigsten. Die Blüten stehen um die Stengel herum, sind wie die vorigen formiret, von Farbe purpurfarbig, zuweilen weiß oder gelb. Die Wurtzel ist schlecht, hart und mit Zasern besetzet.

[604] Die Geschlechte oder tauben Nessel wachsen an den Wegen, und an den Mauern, in den Hecken, auf den Feldern, in den Gärten, um den Morast, und andernjungeschlachten Orten. Zur Artzney werden ihre Blätter und Blüten gebrauchet. Sie führen viel Oel, nicht eben gar viel Saltz.

Sie reinigen und halten an, sind gut zu Stillung des Durchlauffs, zu Vertreibung des weissen Flusses, wann sie abgesotten gebrauchet werden. Sie werden auch zum zertheilen, als ein Umschlag, oder als eine Bähung gebraucht.

Lamium kommt von dem griechischen Worte λαμἵα, das bedeutet einen Kobolt, der auf hebräisch Lilith, genennet wird, damit man die Kinder zu fürchten macht, als ob er sie fressen wolte. Es ist aber die taube Nessel darum Lamium genennet worden, weil ihre Blüte wie eine Larve eines solchen Gespensts aussehen soll: daß also der Ursprung des Namens dieses Krautes nur von einem kindischen Einsalle hergenommen worden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 603-605.
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