Limax

[648] Limax.

Limax seu Cochlea, frantzösisch, Limaçon, Limas, oder Escargot, teutsch, Schnecken, ist ein Gewürm, das lang, und fast des Daumens dicke ist, rund und weich, sehr feuchte, schleimig und leimig, eines sehr kalten Temperamentes, kriechet und beweget sich trefflich langsam, stösset auf iedweder Seite seines Kopfes zwey Hörnlein hervor, die wie mit einem Hütlein oder Mützlein oben auf bedecket, an der Spitze gefleckt, und nach der Länge in ihrer Höle mit einem schwartzen Strich bezeichnet sind. Das Thier bedient sich dererselben an statt der Wegweiser auf allen Seiten, und ziehet sie geschwinde ein. Es giebet einen leimigen und gläntzenden Schleim von sich, und der Unrath gehet ihm zum Halse heraus.

Es giebet allerhand Arten der Schnecken, welche nach der Farbe und nach der Grösse unterschieden werden: dann, einige sind in Schalen und Häuslein beschlossen, welche zugleich mit ihnen gezeuget werden: andere aber kommen ohne Schale und bleiben stets also. Die erstern sind weiß, befinden sich in den Hecken, leben vom Thau und Gras. Die andern sind bald weiß, bald roth, und halten sich in Hölen und in Brunnen auf, oder sonsten an andern feuchten Orten. Diese letztern werden viel grösser, als die mit den Schalen, und leben vom Schlamm. Es giebt auch noch andere, die halten sich an der Sonne auf, und leben von wolriechenden Kräutern, z.E. vom Quendel, vom Poley, oder Wolgemuth: und die sind gut zu essen.

Die Schnecken alle mit einander sind Zwitter. Die mit den weissen oder braunen Schalen begatten sich im Frühjahr und im Herbst, gemeiniglich bey Nacht, oder mit dem frühen Morgen. Dieses begatten[648] geschiehet unten an dem Halse, woselbst sie die Scheide haben, welche zwey Löcher hat, deren das eine nach dem Orte der Empfängniß, das andere nach einem fleischigen oval- und langrunden Cörper zugehet. Wann nun die Schnecken sich zusammen hengen wollen, so kommt aus diesem fleischigen Cörper eine harte, knorplige, oder schier beinharte Nadel oder Spitze heraus, die schiessen sie gegen einander, und treiben sie einander in den Leib, so daß sie vest beysammen hangen bleiben: allem Ansehen nach geschiehet dieses, sie geil zu machen. Doch, ihm sey wie ihm wolle, sie nahen einander stracks darauf, heben die Köpfe in die Höhe, und stossen die Ruthen in die Geburtsglieder. Die Ruthe ist nicht viel dicker, als wie eine Linie, wann man sie aber ziehet, so läst sie sich wol auf drey Zoll ausdehnen: doch gehet sie nur mit der Spitze ein. Wann diese Würmer einmahl sich zusammen gehenget haben, so kan man sie nicht von einander bringen, man müste dann ihre Geburtsglieder zerreissen. Sie bewegen zu der Zeit nichts als die Hörner, und regen dieselbigen nur ein wenig, wann sie einiges Geräusche, unfern von ihnen spüren. Bisweilen findet man an denenjenigen Oertern, allwo sie sich begattet, eine, oder mehr solche Nadeln, die sie von sich geschossen haben, gantz oder zerbrochen, dann sie sind gar zerbrechlich: und müssen diese Cörper einigen Widerstand gefunden haben, als sie sind ausgeschossen worden, und müssen nicht dahinein haben kommen können, wohin sie kommen sollen.

Die Schnecken suchen allemahl einen glatten Ort, wann sie sich gatten wollen, z.E. Baumblätter, und bleiben bey dieser ihrer Verrichtung, bis daß die Sonne auf sie scheinet: alsdann lassen sie gehen. An statt der ausgeschossenen Nadel, welche verlohren gehet, wann sie sich begatten wollen, wächst ihnen binnen vierzehen Tagen eine neue. Jedoch ist ungewiß, ob ihnen diese Nadel zum begatten eben so sehr nöthig sey, sie wiederhohlen ihre Arbeit vielleicht noch eher, dann ihnen eine neue gewachsen. Will man mit recht genauen Fleiß betrachten, wie sie sich begatten, so muß man sie in Eßig werffen, da bleiben sie beysammen hangen, und ist sodann gantz leichte, alle ihre Theile und deren Lager zu betrachten.

Nachdem sich die Schnecken begattet haben, leget so wol die eine wie die andere Eyer, in ziemlich grosser Zahl: die meisten sind gleichsam zusammen geleimet, und iedes ist so groß wie eine Linse, mit einer weissen Schale überzogen. Jedwede Schnecke bleibt auf ihren Eyern einige zeitlang, nachdem sie geleget, gleich ob sie die ausbrüten wolte.

Die Schnecken ohne Schalen, Wegeschnecken, sind gleichfalls Zwitter, und zeugen eben auch, als wie die andern. Von dieser Materie sind die sehr curieusen Discurse des Herrn du Verney, von der Academie der Wissenschaften Mitgliedes, nachzusehen, und in ermeldter Academie ihren Memoires zu befinden.

Alle und iede Schnecken führen viel phlegma und Oel, wenig Saltz und Erde.

Sie erfrischen, lindern, machen dicke oder heilen, benehmen die Flecken auf der Haut: es wird ein Wasser daraus destilliret.

Limax kommt von limo, Leim oder Schleim, dieweil die Schnecken schleimig sind.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 648-649.
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