Myrrha

Mÿrrha.
Mÿrrha.

[764] Myrrha.

Myrrha, frantzösisch, Myrrhe, teutsch, Myrrhe, ist ein hartziges Gummi, welches aus den Rissen tringet, welche in einen stachlichten Baum gemachet werden, der in dem glücklichen Arabien, in Egypten und Ethiopien zu wachsen pfleget, ingleichen in der Abyßiner Lande und bey den Troglodyten, daher dann auch die beste Myrrhe Myrtha Troglodytica genennet wird. Sie muß erwehlet werden, wann sie frisch ist, in schönen hellen, durchsichtigen und leichten Tropfen, von Farbe goldgelb oder röthlicht, als ob sie mit Nägeln zerkratzet wäre, fetticht, von starcken und nicht gar zu angenehmen Geruch, eines bittern und scharffen Geschmacks. Weil aber diese auserlesene Myrrhe gar sehr rar, darum wird sie auch nur zu solchen Artzeneyen angewendet, die eingenommen sollen werden, z.E. zur Hyacinthen-confection, wie auch zum Theriac. Die gemeine schlechte wird zu den Pflastern gebrauchet, zu Salben und zu andern äusserlichen Mitteln. Man muß dieselbige erwehlen, wann sie fein reine ist, und nichts darein gemenget, wann es feine kleine und leichte[764] Klumpen sind, die röthlicht und hoch an der Farbe, deren Geruch und Geschmack der vorhergehenden ihren gleich kommt. Die Myrrhe führet viel Oel und Sal essentiale, wenig phlegma.

Sie treibet durch den Urin, und stopfet den Leib ein wenig, erwecket der Weiber Reinigung, befördert die Geburt, zusamt der Nachgeburt, sie zertreibet, macht dünne, zertheilet, widerstehet der Fäulung, dient zu den Wunden, wie auch zu den Brüchen. Sie wird innerlich und äusserlich gebraucht.

Die Myrrhen, welche die Weisen aus Morgenlande dem Heyland der Welt präsentirten, als er noch in der Krippe lag, ist allem Vermuthen nach, gantz etwas anders, als unsere Myrrhe gewesen; dann, sie wird uns als ein sehr köstliches, würtzhaftiges Räucherwerck beschrieben; dahingegen unsere Myrrhe gantz gemeine ist, die weder lieblichen Geschmack, noch Geruch nicht hat. Einige halten dafür, es sey Stacte oder Myrrha Stacte gewesen, davon an ihrem Orte soll gehandelt werden: andere vermeinen, daß es Storax gewesen: andere aber geben vor, es sey ein Gummi oder Balsam gewesen, von trefflich lieblichen Geruch, und gar sehr rar, der dazumahl den Titel Myrrha geführet, und uns unter demselbigen nicht weiter bekannt ist welches sich iedoch sehr schwerlich läst entscheiden.

Myrrha kommt von μύρω, fluo, ich fliesse, dieweil dieses Gummi von einem Baume rinnet oder fleust. Oder vielleicht von μύρον, unguentum, Salbe, weil dieses Gummi die Materie zu allerhand Salben giebet. Andere sagen, dieser Name sey aus einer Fabel entstanden, vermöge deren die Myrrha, eines Königes in Cypern Tochter, als sie vor dem Grimme ihres Vaters, bey dem sie gelegen, entflohen, in der Wüsten in einen Baum ihres Namens sey verwandelt worden, der dann ihre Fehler annoch beweine, indem er die Myrrhenthränen oder Tropfen vergiesset.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 764-765.
Lizenz:
Faksimiles:
764 | 765
Kategorien: