Sal Marinum

[988] Sal Marinum.

Sal marinum.

Sal commune.

frantzösisch, Sel marin,

teutsch, Seesaltz, Meersaltz.

Ist ein Saltz, welches aus dem Seewasser bereitet wird, wann man dasselbige ausdämpfen und zu Crystallen anschiessen läst. Meines Erachtens bekommt dieses Saltz seinen Ursprung von dem Steinsaltze, gleichwie ich anderwärts erinnert habe, und in diesen Gedancken werde ich durch ein und andre Ursachen bestärcket. Die erste ist, daß das Seesaltz durchaus so siehet wie das Steinsaltz, oder, wie das Saltz, das in Franche-Comte und in Lothringen, aus den Quellen und Brunnen gemachet wird, wie auch aus unterschiedenen Saltzseen in Teutschland und Italien: welches Saltz, wie iederman bekannt, von dem Steinsaltze kommt, das von dem Wasser, welches über die Saltzadern weggelauffen, ist aufgelöset, und an diese Orte geführet worden.

Die andere ist: daß kein Saltz in der Welt in grösserer Menge nicht zu finden ist, wie das Steinsaltz: dann dessen stecken nicht alleine in Europa gantze, und sich weit und breit erstreckende Gebürge voll; sondern es finden sich auch eine unzehlige Menge solcher Gruben in Egypten und in Indien. Ist auch kein Zweiffel nicht, daß ihrer auf dem Grunde in der See soviel als in dem Abgrund in der Erde anzutreffen, und daß es daselbst gantze Berge, Klippen und Gruben voll Saltze geben müsse.

Die dritte Ursach ist: daß die Naturkündiger zu[988] allen Zeiten angemercket haben, wie daß sich die Wasser, welche über die Steinsaltzadern weggelauffen, und mit Saltz angefüllet sind, durch undencklich viel Canäle in die See ergiessen.

Die vierte ist: daß das Saltz unmöglich in der Erde müsse zugerichtet worden seyn, weil einer, der in der Chymie sich nur ein wenig umgesehen, gar bald erkennen wird, daß ein dergleichen fixes, aus saurem und aus Erde bestehendes Saltz unmöglich könne im Seewasser ausgearbeitet, und zu seiner Vollkommenheit gebracht worden seyn. Es gehöret Erde darzu, will man, daß sich ein liquor acidus zu einem Cörper bringen lassen soll, sonst wird er stets ein liquor in fluore, das ist, bey seiner Flüßigkeit verbleiben, und niemahls nicht in einen Cörper gebracht werden mögen. Wird das Seesaltz auf Chymische Art und Weise aufgelöset, so bekommt man eine Menge saueres liquoris oder Wassers, welches, weil es von seiner Erde geschieden ist, nimmermehr die Consistentz und Dicke eines Saltzes wieder wird annehmen können, man bringe es dann auf eine irdische Materie, die ihm für eine Mutter dienen möge. Da nun dieses gantz klar und sicher zu erweisen, so ists auch augenscheinlich wahr, daß das Seesaltz in der Erde seine Ausarbeitung überkommen haben muß, bevor es in das Meer geführet worden. Dieweil wir auch nicht sehen, daß einig ander Saltz, weder unter, noch über der Erde, in solcher Menge, wie das Steinsaltz, anzutreffen, so stehet auch gewiß zu glauben, daß eben von demselbigen die See ihre Saltzigkeit erhalten müsse. Zumahl, da auch das Saltz, das aus der See bereitet wird, dem Steinsaltz, was den Geschmack, die Eigenschaften und principia belanget, so gar sehr gleich und ähnlich ist, wie allbereit erinnert worden.

Allein, ich sehe schon voraus, daß mir gewißlich unterschiedenes will eingeworffen werden. Dann, man wird sprechen, sehr schwerlich möge man begreiffen, wie doch die See, die sich so schrecklich weit erstrecket, alle ihre Saltzigkeit von diesem, dem Steinsaltze, könne überkommen haben: weil zwar dasselbe in sehr grosser Menge in dem Schoos der Erden wachse, doch sey nicht abzusehen, daß es genug seyn könne, so gar viel Wassers zu versaltzen.

Auf diesen Einwurff gebe ich zur Antwort, die Schwerigkeit, und daß man nicht begreiffen möge, wie doch das Steinsaltz, die See saltzig zu machen, hinlänglich könne seyn, rühre blos daher, daß man nicht so viel Saltzadern zu Gesicht bekommt, als wie man siehet, daß die See sich so sehr weit erstrecket. Erwäget man hingegen, wie daß die Erde an viel tausend Orten und Enden mit Steinsaltze, oder solchem Saltze, das dem Steinsaltz ähnlich kommt, gantz angefüllet ist, und daß es sich, seit dem die Welt erschaffen worden, unaufhörlich in die See ergiesse, so wird man wol begreiffen können, wie daß die Erde beständig Saltz genug die See zu saltzen, in sich hat gehalten, und noch in sich hält.

Man möchte fernerweit einwerffen, die See müsse, nach meinen Reden, noch täglich mehr gesaltzen werden, weil sie ohn Unterlaß frisch Saltz bekommt, welches iedoch nicht zu vermercken stehet.

[989] Darauf antworte ich, wie daß wir nicht mögen spüren, daß sich die Saltzigkeit der See vermehren solle. Dann, kommt viel Saltz darein, so dünstet auch desselben eine grosse Menge wiederum hinweg, indem die Wellen so gewaltig und so schnelle an einander schlagen, daß sie nicht eine kleine Menge dieses ihres Saltzes flüchtig machen, welches man aus der gesaltzenen Luft mehr als zu wol abnehmen kan, die man einziehen muß, wann man sich auf der See befindet, und welche, nebst des Schiffes wancken, nicht wenig zum erbrechen hilfft. Wird nun dieses Saltz vom Winde auf das Land getrieben, so dienet es zu dessen Fruchtbarkeit: es kan auch, da es allda gleichsam eine neue Mutter überkommt, daselbst sich sammlen, figiren, und neue Steinsaltzadern machen; hernachmahls kan es wiederum ins Meer gerissen, oder in die Brunnen und stehende Seen geführet werden. Und auf diese Weise mag man leicht begreiffen, wie daß es, seit dem daß die Welt ist Welt gewesen, oder, seit dem dieselbige gestanden hat, beständig, ohne Aufhören, wie in dem Kreise sey herum getrieben worden.

In Normandie bereiten sie das Seesaltz auf solche Weise: sie lassen das Seewasser über dem Feuer, in grossen bleyernen Kesseln, gantz abrauchen, so hinterbleibt das weisse Saltz: allein, es ist nicht also scharff und saltzig, wie das zu Rochelle, weil es ist abgerauchet worden; mag auch wol seyn, daß einige Theilgen von dem Bley sich abgelöset haben, die machen alsdann seine kleinen Spitzlein etwas stumpf. Dieses Saltz wird immer schwächer, ie älter es wird.

Zu Brouage, zu Rochelle, und in vielen andern Ländern mehr, wo es Saltzsümpfe giebet, wird dieses Saltz crystallisiret. Die Saltzsümpfe sind grosse, platte und niedrige Oerter, so von Natur unfern vom Meer entlegen sind. Die werden mit einer lettigen, oder thonigten Erde überzogen, damit sie das Saltzwasser erhalten mögen. Zu Anfang des Winters wird süsses Wasser drein gelassen, damit der Thon nicht dörre werden, reissen und verderben könne. Im Frühjahr aber, wann es wiederum beginnet warm zu werden, wird dieses süsse Wasser ausgeschöpft, und an seine Stelle, nach und nach, soviel, als man nur will, Seewasser drein gelassen, das muß durch unterschiedene Canäle gehen, die also angeleget sind, daß es darinne eine gute Zeit kan gleichsam circuliren, bevor es stille stehen darff. Diese circulation ist dazu nöthig, damit das Seewasser um soviel desto reiner werde, und die Sonne einen Theil von der dabey befindlichen Wäßrigkeit ausziehen möge. Wann nun dieses Wasser einen ziemlich langen Weg gelauffen ist, und allerhand Umschweiffe nehmen müssen, so ergiesset es sich endlich über das schief abgegrabene Land in die Saltzhälter, welches solche Plätze sind, die mit Fleiß darzu ausgegraben, gantz dicht und glatt, platt und breit gemachet seyn, da bleibet es geruhiglich stehen, bis daß es eine Haut bekommt, wozu es durch die linde, kühle Luft gnug zubereitet wird, die insgemeine um den Strand des Abends pflegt zu wehen. Dergestalt wird das Seesaltz dick, und zu Crystallen gemacht, welche eine cubische, oder einem Würffel gleiche Figur haben: die werden aus den[990] Saltzhältern gezogen, und auf das trockne Land in grosse Hauffen gesetzet, daß sie austrieffen und trocken werden mögen. Dieses heisset Sel de Gabelle, Saltz aus dem Saltzhause, das zu Paris von uns verbrauchet wird. Es ist dabey zu mercken, daß sie kein Saltz nicht machen können, ohne wann es im Sommer recht heiß ist: dann, wann es zu der Zeit solte regnen, wann sie das Wasser aus der See also herum führen und sich körnen lassen, so würde es voll Wasser werden, und das Saltz müste nothwendig gar zu sehr zergehen, könte also nicht anschiessen, sondern sie müsten dasselbe Wasser heraus schöpfen und frisches wiederum einlassen, wann es ausgeregnet hat. Das wäre eine Arbeit zum wenigsten von zwölff bis vierzehn Tagen. Solte es nun alle vierzehn Tage regnen, so könten sie gar kein Saltz machen.

Das Saltz von Rochelle siehet grau, weil sie ein wenig Erde mit heraus gerissen, wann sie es aus den Saltzbehältern ziehen. Jedannoch ist es um ein grosses schärffer und viel saltziger, als wie das weisse Saltz aus Normandie, welches durch Abdämpfung des Wassers bereitet worden, doch ist es nicht so scharff als wie das Steinsaltz, weil durch der Wellen heftige Bewegung die zartesten Spitzen an demselbigen etwas gebrochen worden. Es kan so weiß gemachet werden als wie Zucker, wann man es in Wasser zergehen lässet, dasselbige durchgiesset, und alsdann ausdämpfet, bis daß es gantz trocken worden ist. Wiewol nun von dem Saltz, durch diese Reinigung ein Theil der Erden, die es schwächen solte, abgenommen worden, so hat es doch darum nichts nicht an Stärcke zugenommen; es ist vielmehr ein wenig schwächer worden, indem das Feuer einen Theil der zarten Spitzlein weggetrieben oder stumpf gemachet hat.

Das Seesaltz führt viel acidum bey sich, etwas sehr weniges von Schwefel und von Erde.

Es zertreibet, ist durchtringend, trocknet, eröffnet, zertheilet, purgiret. Es wird zum Schlag gebraucht, zum zucken in den Gliedern: es wird auch unter die Clystire und Stulzäpflein gemischet: ingleichen warm in den Nacken geleget, die Flüsse dadurch zu zertheilen und zu zertreiben.

Sal kommt von ἄλς, mare, die See, das Meer, weil das gemeine Saltz aus dem Meere kommt.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 988-991.
Lizenz:
Faksimiles:
988 | 989 | 990 | 991
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Lemery-1721: Reticulum Marinum

Buchempfehlung

Arnim, Bettina von

Märchen

Märchen

Die Ausgabe enthält drei frühe Märchen, die die Autorin 1808 zur Veröffentlichung in Achim von Arnims »Trösteinsamkeit« schrieb. Aus der Publikation wurde gut 100 Jahre lang nichts, aber aus Elisabeth Brentano wurde 1811 Bettina von Arnim. »Der Königssohn« »Hans ohne Bart« »Die blinde Königstochter« Das vierte Märchen schrieb von Arnim 1844-1848, Jahre nach dem Tode ihres Mannes 1831, gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter Gisela. »Das Leben der Hochgräfin Gritta von Rattenzuhausbeiuns«

116 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon