2.

[465] Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, der die Begeist'rung nährt,

Und der, den Edelmuth vermehrend, Vollkommenheit gewährt:

Denn durch die Liebe ward gewaltsam des Herzens ich beraubt,

Und mir an diesen beiden Dingen kein Antheil mehr erlaubt.

Komm, gib mir jenen Goldstaub, Schenke, ihn, der, stets sieggewohnt,

Und mit Cărūn's so reichen Schätzen und Noe's Alter lohnt;

Weil dann vor deinem Angesichte sich unverweilt erschliesst

Die Pforte der ersehnten Wünsche und langer Lebensfrist.

Komm, gib mir jenes Feuer, Schenke, das herrlich strahlt und glüht,

Und das im Erdenschoss zu suchen Sĕrdūscht sich einst gemüht:

Weil nach der Meinung trunk'ner Zecher nicht mehr noch minder gilt

Wer diese Welt und wer das Feuer für eine Gottheit hielt.[465]

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, durch dessen lichten Strahl

In's Land des Nichts hineinzublicken sich rühmte Dschem's Pocal,

Auf dass, durch des Pocales Kräfte, gleich hoch mit Dschem gestellt,

Ich stets erfahre was das Weltall Geheimes in sich hält.

Komm, Schenke, gib mir jenen Becher der Dschem einst eigen war,

Und zögre nicht, und reiche hurtig mir den gefüllten dar!

Dschĕmschīd, der Kron' und Schatz besessen, sprach's ja gar trefflich aus:

»Nicht eines Körnchens Werth besitzet dies dauerlose Haus.«

Komm, Schenke, gib mir jenen Becher, klar wie der Sēlsĕbīl,

Auf dass dem Herzen er ein Führer sei zu des Himmels Ziel:

Denn herrlich tönte, was die Flöte und was die Zither sprach:

»An Werth steht einem Schlückchen Weines Kej's Königskrone nach.«

Komm, Schenke, gib mir die verhüllte, die trunk'ne Jungfrau dort,

Die sich gewählt zum Aufenthalte der Schenke wüsten Ort!

Bin ich doch Willens meinen Namen der Schande nur zu weih'n,

Und wüst durch den Genuss des Weines und durch das Glas zu sein.

Komm, Schenke, gib mir jenes Wasser, das Sorgenbrand man nennt,

Durch das der Löwe, wenn er's trinket, die Wälder niederbrennt:

Auf dass ich löwenkühn erstürme des Himmels hohes Zelt,

Und alle Fallen niederreisse vom alten Wolf gestellt.[467]

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, der von der Hurischaar

Mit reinem Ambrastoff der Engel durchwürzt wird immerdar:

Auf dass ich, ihn auf's Feuer legend, durchräuchere die Luft,

Und des Verstandes Hirn durchdüfte mit seinem ew'gen Duft.

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, durch dessen Gegenstrahl

Dem Dschem und Kējchŏsrew ward Kunde gesendet vom Pocal:

Auf dass ich sage, wenn die Flöte ertönen lässt ihr Lied:

»Wo ist Kjăwūs wohl hingekommen, und wo verweilt Dschĕmschīd?«

Lass dieses alten Klosters Schicksal Stoff deiner Rede sein,

Und lade die verblich'nen Herrscher durch einen Aufruf ein!

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, der Königsmacht gewährt,

Und dessen Reinheit durch das Zeugniss des Herzens sich bewährt!

Als Herrscher hatte ich gethronet einst auf des Herzens Thron,

Doch jetzt, wo ich befleckt geworden, steh' ich gar fern davon.

Gib mir denn Wein, und von der Schande wasch' ich vielleicht mich rein,

Und kann vor schrecklichen Gedanken vielleicht gesichert sein.

Sieh wie von Glück mein Antlitz strahlet, hast du mir Wein gebracht;

Sieh wie ich Weisheitsschätze finde, hast du mich wüst gemacht!

Gab man den Garten hehrer Geister zum Aufenthalte mir,

Warum denn ist, so wie an Pflöcke, mein Leib gebunden hier?[469]

Bin Jener, der, wenn er den Becher in seine Hände schliesst,

In jenem Spiegel Alles schauet was in dem Weltall ist;

Und an der Priestertugend Pforte klopf' ich berauscht dann an,

Und prahlte laut mit Herrschergrösse, wenn gleich ein Bettelmann:

Denn, lässt Hafis im trunk'nen Stande ertönen seinen Sang,

Grüsst ihn herab vom Himmelsrade Sōhrē mit Saitenklang.

Komm, Schenke, lerne weislich fürchten des Lebens Unbestand,

Und bettle um des Lebens Freuden bei'm vollen Becherrand!

Ist's ja der Wein doch der das Leben dir mehret für und für,

Und jeden Augenblick dir öffnet geheimer Zukunft Thür.

Komm, Schenke, ordne was sich ziemet zum Weingelage an:

Verletzt die Welt ja doch die Treue stets gegen Jedermann.

Dich mahnt gar sinnig jedes Bläschen das sich im Weine bläht,

Dass einst dem Kējkŏbād die Krone der Wind hinweggeweht.

Komm, Schenke, dir den Wunsch des Herzens vom Weine zu erfleh'n,

Denn nie noch hab' ich Herzensruhe, wo Wein gefehlt, geseh'n;

Nur wenn der Leib sich ohne Seele des Lebens könnt' erfreu'n,

Nur dann wär' auch das Herz im Stande zu schlagen ohne Wein.

Komm, Schenke, voll mit Wein zu füllen mir diesen Becher hier,

Denn von Monarchen und von Kaisern will ich erzählen dir.[471]

Komm, Schenke! Wie, du wähnest dich sicher vor des Geschickes Wuth?

Will's doch, von Rache angetrieben, vergiessen stets dein Blut.

Komm, Schenke, sei bei mir nicht immer so störriger Natur;

Denn endlich stammst du nicht vom Feuer, stammst von der Erde nur,

Und fülle mir das Glas mit Weine: denn köstlich ist der Wein,

Zuvörderst wenn er ohne Zusatz, geläutert ist und rein.

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, der nach Basiljen riecht,

Denn unser Gold und unser Silber verbleibet uns ja nicht.

Komm, Schenke, gib von jenem Weine der rein ist wie Rubin!

Soll länger List und Trug noch herrschen und eitler Prahlersinn?

Mich ekeln Rosenkranz und Kutte in vollstem Masse an;

Verpfände Beide sie dem Weine, und Gott befohlen dann!

Komm, Schenke, aus des Klosters Winkel entferne nimmer dich,

Denn einen reichen Schatz an Seelen fasst dieser Ort in sich.

Sagt Jemand dir: »Geh' nicht in's Kloster, nimm dich davor in Acht!«

Was wirst du ihm zur Antwort geben? Antworte: »Gute Nacht!«

Komm, Schenke, gib mir jenen Becher wie Erg'wanblüthen roth,

Der stets dem Herzen hohe Wonne und Lust der Seele bot:

Auf dass er mich von Allem trenne was Gram mir schaffen mag,

Und mir die Spur der Strasse zeige zum köstlichen Gelag![473]

Komm, gib mir jenen Wein, o Schenke, der uns're Seelen nährt,

Und der, für die erkrankten Herzen, als Seele sich bewährt:

Auf dass ich mir ein Zelt errichte weit ausser dieser Welt,

Und mir ein Schattendach erbaue hoch über'm Sternenzelt.

Komm, Schenke, gib mir jenen Becher, der Mond und Sonne gleicht:

Auf dass ich einen Thron mir baue, der an den Himmel reicht!

Komm, Schenke, fülle meinen Becher mit einem alten Wein,

Und lass mich immerdar geniessen der Lust berauscht zu sein!

Berausch'st du mich mit deinem Weine, der lauter ist und klar,

So bring' ich dir in meinem Rausche ein schönes Liedchen dar.

Komm, Schenke, und, in dieser Stunde wo deiner Wange Pracht

Das ambraduftende Gelage zum Paradiese macht,

Nimm den Pocal und fürchte nimmer dies möge sündhaft sein,

Denn in den himmlischen Gefilden gestattet man den Wein.

Komm, Schenke, denn für unvermeidlich hab' ich den Wein erkannt,

Und mit dem Weinrest eines Glases sei hilfreich mir zur Hand!

Es hat mich ja, bis in die Seele, des Himmels Lauf gekränkt,

D'rum hab' ich eilends meine Schritte zum Tempel hingelenkt.

Komm, Schenke, gib von jenem Weine der stete Wonne beut:

Auf dass ich auf des Rachsches Rücken mich schwinge hocherfreut,[475]

Und auf den Kampfplatz mich begebe, wie Tūhĕmtēn gethan,

Und, nach dem Wunsche meines Herzens, mich tummle auf der Bahn.

Komm, Schenke, gib mir jenen Becher der roth wie Onyx ist,

Und der die Pforte froher Zeiten dem Herzen stets erschliesst:

Auf dass ich, wie mit Einem Zuge, durchstreiche den Verstand,

Und flattern lasse auf der Erde des Rausches Fahnenband;

Auf dass wir, nur vom Glase kosend, im flüchtigen Moment

Uns mit des Weines Wasser löschen den Gram der uns verbrennt:

Denn heute lasst uns Wein geniessen, wo froh wir uns verreint:

Wenn jetzt Gelegenheit nicht wäre, wer weiss wann sie erscheint?

Denn Jene, die einst angeordnet ein Festgelag der Lust,

Und durch das Lustgelag verscheuchten die Sorgen ihrer Brust,

Sie machten sich von dieser Falle, der Diwenhöhle, los,

Und trugen ihre bange Sehnsucht tief in der Erde Schoss.

Wer hat von diesem Türkisthrone der Wünsche Sieg erfleht?

Wer lebt beglückt in diesem Köschke, das nur zehn Tage steht?

Weh, dass dem Winde gleich an Schnelle die Jugendzeit verging!

Beglückt, wer weise stets gehandelt und stets am Rechte hing!

Gib, Schenke, mir von jenem Weine, auf dass mir sei erlaubt,

Im schnellsten Nu den Fuss zu setzen auf beider Welten Haupt![477]

Sei flink und leicht, und gib mir freundlich ein Ritel voll und schwer,

Und kannst du es nicht offen geben, so gib es heimlich her!

Wer auf dem Elephantenrücken einst stolz die Pauke schlug,

Dem schlägt man unerwünscht die Pauke zum fernen Reisezug.

Mein Ohr vernimmt am frühsten Morgen, aus Sphären hell und licht,

Wie unablässig eine Huri zu mir die Worte spricht:

»O Vogel, dem Natur so schöne, so süsse Töne gab,

Lass dein Gefieder sich bewegen, und brich des Käfich's Stab,

Und setze hin dich in den grünen sechsbogigen Palast,

Und setze hin dich, wo die Seele der Ruhe pflegt und Rast.«

Du hörtest ja, beglückter Schöner, dem Menutscheher gleich,

Dass, zu der Zeit als Büsürdschmiher verwaltete das Reich,

Dem Nūschĭrwān man eingegraben auf seines Bechers Rand:

»Bevor dir noch das letzte Zeichen von uns'rem Dasein schwand,

Vernimm den Rath der dir ertheilet im Handeln Unterricht:

Ein Wort ist's das vom Zeitenwechsel gar zart und sinnig spricht:

›Als Schmerzensort und Leidenstätte erweist sich diese Welt,

Die rings von Fallen ist umgeben, und nichts von Lust enthält.‹«

Wir müssen dann schon glücklich heissen, wenn uns der Gram und Harm

Nicht mehr im Stande ist zu härmen, weil schwach wir sind und arm.[479]

Wie Dschem's Pocal sei zu erkennen, wohin Dschem selber ging,

Wo Salomon wohl hingekommen, und wo sein Siegelring?

Kein Weiser irgend eines Stammes hat uns noch mitgetheilt

Den Ort wo sich Dschĕmschīd befindet und wo Kjăwūs verweilt.

Als nach des Nichtseins öden Landen sie ihren Schritt gewandt,

Da liessen sie nichts als den Namen zurück in diesem Land.

Und an dies schwache Weltgebäude knüpfst du des Herzens Glück?

Bist du an ihm vorbeigeschritten, kehrst nimmer du zurück.

Nur seine Thorheit hat bewiesen wer sich der Welt verband,

Und nur befremdlich hat gehandelt wer mit ihr that bekannt.

In diesem Hause mit sechs Thoren trifft dein Verlangen kaum

Ein Plätzchen für's Gefühl der Freude und für die Wünsche Raum.

Komm, jenes feuergleiche Wasser bring', Schenke, mir herbei,

Auf dass ich mich durch jenes Wasser vom Feuer mache frei:

Denn dies mein Herz, so voll von Schimmer, weilt in des Feuers Gluth:

Ich lösche dann vielleicht dies Feuer durch jenes Wassers Fluth.

Gib, Schenke, mir von jenem Wasser das einem Onyx gleicht

Und das dem Onyx und Rubine das Roth der Wange bleicht;

Gib hurtig mir von jenem Wasser, entströmt dem Seelenquell!

Kein fliessend' Wasser, eine Sonne ist's, die da wandert schnell.[481]

Auf dieses Dach, auf dem neun Stufen und Bogen fünf zu schau'n,

Lässt sich mit Einem Glase Weines ein hoher Söller bau'n:

Denn auf dies Dach mit neun der Kuppeln, dies säulenlose Haus,

Kann man gar leicht empor sich schwingen, tritt man aus sich heraus.

Erheb' dich, bist du klug, und werde dem Unverstand zum Raub;

Verschütte nicht dein eig'nes Wasser, und werde Schenkenstaub;

Lass dich nicht fesseln dieses Kloster, das nur aus Raub besteht;

Es übergibt dich flugs dem Winde, der dich wie Staub verweht.

O Schenke, gib mir jenen Becher der, eines Kaisers werth,

Im Herzen so wie in der Seele die Wonne stets vermehrt!

Was unter'm Glase ich verstehe, ist ew'ger Liebe Wein,

Und was mit diesem Wein ich meine, ist das Entselbstetsein.

Es ging, gleich einem Blitz aus Jemen, die Jugendzeit vorbei,

Und, ähnlich einem Morgenlüftchen, entschwand des Lebens Mai.

Geh' hin, und meide dieser Erde sechsthoriges Gebäud',

Komm her, und fliehe diese Schlange die mit neun Köpfen dräut.

Bring' hurtig Haupt und Gold zum Opfer auf dieser Liebesbahn,

Ja, opf're selbst die eig'ne Seele, bist du ein Wandersmann;

Und wandle schnell und wandle eilig hin nach der Dauer Haus,

Erkennend, Alles sei vergänglich, nimmst du den Schöpfer aus![483]

O Schenke, gib mir jene Gemme die Geist und Leben schenkt,

Und die Arz'nei ist für die Herzen die wund sind und gekränkt:

Denn, als den Händen Dschem's das Schicksal entrissen einst das Glas,

Was hatte es ihm da genützet, dass er die Welt besass?

O Schenke, gib mir jenes Wasser das ganz zu Eis gerann,

Und fache in dem todten Herzen, durch Wein, das Leben an:

Denn jeder Ziegel, der auf Dächern gefunden seinen Platz,

War eines Alexander's Schädel, und eines Kējkŏbād's.

Was man in diesem Becken schauet, Monarchenblut ist's nur,

Und nur der Staub verwes'ner Schönen deckt diese öde Flur.

Ich hörte, dass ein Weinverehrer, von Staunen übermannt,

Im Weinhaus also ausgerufen, den Becher in der Hand:

»Der Himmel, der sich rastlos drehet, und nur die Nieder'n nährt,

Freut über Jenen sich am Meisten der dümmer sich bewährt.«

O Schenke, gib mir jenes Bitt're das süss verdaulich ist:

Denn süss ist Wein, den aus den Händen des Freundes man geniesst.

Darius selbst, der ein Beherrscher der ganzen Erde hiess;

Und auf der Welt in Herrschergrösse als einzig sich erwies,

Ihn schleppte, durch die Hand des Todes, der Himmel mit sich fort,

So dass du wähn'st er habe niemals gelebt in diesem Ort.[485]

Komm, Schenke, eile hin zum König, und sage ihm von mir:

»O König, den die Krone schmücket die Dschem getragen hier!

Mach' dir das Herz der nahrunglosen Bedürftigen geneigt,

Und dann erst fordere den Becher, der dir das Weltall zeigt!«

Den Kummer, den uns ohne Nutzen bereitet diese Welt,

Beseitigt man mit leichter Mühe, wenn man an Wein sich hält,

Jetzt, wo der Herr des Diademes und Thrones uns beglückt,

Die schönste, beste Frucht die jemals den Fürstenbaum geschmückt;

Er ist Gebieter dieser Erde, ist Kaiser dieser Zeit,

Ein Mond im Sternenhaus des Glückes, ein König, wunscherfreut;

Er ist es der dem Königsthrone hat Kraft und Macht verlieh'n,

Und Fisch und Vogel selbst geniessen des Wohlseins nur durch ihn;

Der Glanz der Herzen und der Augen der Glücklichen ist er,

Ist Allen, die ein Herz besitzen, ein gnadenreicher Herr,

Die Welt beherrscht er, nährt den Glauben und übt Gerechtigkeit,

Er, der dem Thron der Keïjăniden den höchsten Schmuck verleiht.

Wie sprech' ich's aus, sein edles Walten, wie mach' ich es bekannt?

Staunt über seine hohen Thaten schon selber der Verstand.

Da seine Macht des Wortes Grenzen bei Weitem übersteigt,

So halte ich, aus Scham und Schwäche, das Haupt gar tief geneigt,[487]

Und zum herzinnigen Gebete erhebe ich die Hand,

Nachdem ich zu des Schöpfers Throne das Angesicht gewandt,

Und spreche: »Herr, bei allen Gnaden, die du mir je gewährt,

Und beim Geheimniss deiner Namen, die man als heilig ehrt,

Und bei dem Rechte deines Wortes, das alt ist wie die Zeit,

Und bei dem Rechte des Propheten und seiner Herrlichkeit!

Gib, dass der König dieser Erde durch Siege sei beglückt,

Und dass sein Thron und seine Krone mit Glück sei ausgeschmückt,

Und dass, so lang als Recht und Unrecht auf dieser Welt besteht,

Und auf des Himmels Wiese weiden der Stier und Widder geht,

Die Welt als Machtgebieter schaue den hohen Schah Mănssūr,

Und fern ihm vom Gemüthe bleibe des Kummers kleinste Spur!«

Heil dir, o Fürst, du der Dschem's Siegel in mächt'gen Händen hält!

Ein Held ja bist du auf dem Felde des Glaubens und der Welt;

Man nennt dich auf der ganzen Erde den Sieger, und fürwahr,

Du hast die Schaaren deiner Feinde besieget immerdar;

Ein Fērĭdūn bist du an Würde bei Festen im Palast,

Ein Tūhĕmtēn des Krieges bist du dort wo die Kampfwuth ras't;

Gleich dir, trifft in des Himmels Muschel nicht Eine Perle sich;

Nach Dschem und Fērĭdūn kam Keiner den man mit dir verglich;[489]

Dir zahlt die Steuer der Besiegten nicht nur das Frankenland,

Auch von der Neger Maharadscha wird dir Tribut gesandt;

Der Türken, Inder, Griechen Lande und China's weites Reich

Beherrschest du mit deinem Ringe, Dschem, deinem Vorbild, gleich;

Saturn hält, als dein letzter Diener, in deinem Thronsaal Wacht,

Und, als dein Sclave, prangt der Himmel in reicher Gürtelpracht;

Es ist dem Huma zu vergleichen dein kaiserliches Zelt,

Denn unter seinem breiten Flügel beschirmt's die ganze Welt;

Du herrsch'st von Rum bis fern nach China, dem Alexander gleich,

Und, wenn der Spiegel sein gewesen, ist dein der Sitte Reich.

Verbleib' auf Alexander's Throne durch vieler Jahre Lauf,

Und kläre, durch des Herzens Weisheit, der Dinge Lage auf!

Zeigt nun am Meere deines Lobes sich keines Ufers Spur,

So will ich durch Gebet dich preisen, wenn auch in Kürze nur;

Aus Nīsămī's gebund'ner Rede – es hat die greise Welt

Nicht Einen Dichter aufzuweisen der ihm die Wage hält –

Bring' zum Entgelte ich drei Verse von kräftig edler Art,

Die der Verstand mit gröss'rer Sorgfalt als Perlen aufbewahrt:

»Sei künftig, in noch reich'rem Maase als du es selbst gedacht,

Ein Landerob'rer, unterwerfend das Weltall deiner Macht;[491]

Es leite dich der hohe Himmel bis in die fernste Zeit,

Durch immer neuerrung'ne Siege zu Glück und Herrlichkeit,

Und von dem Wein, durch den die Seele den Sinn gesunden macht,

Sei mir ein Trunk, und auf den König ein Lebehoch gebracht!«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 465-493.
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