33.

Mancher Tag ist schon verflossen

Seit ich fruchtlos dein geharrt:

Du behandelst deine Diener

Nicht nach aller Ander'n Art.

Deines Beifalls Augenwinkel

Hast du nie erschlossen mir:

Werden, die auf dich nur blicken,

Also hochgeschätzt von dir?

Keine Rose und kein Sprosser

Ist von deinem Maale frei:

Du zerreissest ihre Kleider

Und erregst ihr Wehgeschrei.

Deinen Arm, o birg ihn lieber,

Weil, so oft du Schminke brauchst,

Du die Hände in das Herzblut

Der verdienten Leute tauchst.

Bist ja der Erfahrung Vater,

O mein Herz; aus welchem Grund

Hoffest du von solchen Söhnen

Auf der Treu' und Liebe Bund? –

Deinen Gold- und Silberbeutel

Müsstest du erst leeren rein,

Hofftest du, dass Silberbrüst'ge

Dir gewogen könnten sein.

Herz und Glaube ging verloren;

Doch gesteh' ich nicht der Welt,

Du nur sei'st's der mich Entherzten

Stets in dieser Lage hält.

Zwar es heissen meine Sünden

Trunkenheit und wüster Sinn;

Doch behauptet ein Verliebter

Du erhieltest mich darin.[95]

Der du bei geflickten Kutten

Die Genüsse suchst der Ruh'!

Wie? Von Jenen die nichts wissen

Hoff'st auf ein Geheimniss du?

Bist des Blickesflur Narcisse

Du, o Aug' und Fackellicht!

Zeige mir, dem Herzenswunden,

Ein so schweres Haupt doch nicht.

Seit der Ost vor Ros' und Sprosser

Deiner Schönheit Blätter las,

Bringst du Alle in Verwirrung,

Und ihr Harren kennt kein Mass.

Der Juwel in Dschem's Pocale

Stammt aus and'rer Welten Schacht,

Du hingegen forderst einen

Nur aus Töpferthon gemacht.

O Hafis, im Tadel schwinde

Nicht der Tag des Heiles dir:

Ist die Welt doch nur vergänglich:

Was erwartest du von ihr?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 93-97.
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