4.

Rette mich, o Fürst der Schönen,

Aus dem Gram der Einsamkeit!

Ohne dich bin ich verloren:

Kehre heim, schon ist es Zeit!

Hat doch Sehnsucht mich und Trennung,

Fern von dir, so übermannt,

Dass mir zur Geduld die Kräfte

Gleiten werden aus der Hand.

Der du auf dem Leidenpfühle

Mich durch deine Schmerzen heilst,

Und in einsam stiller Ecke

In Erinn'rung bei mir weilst!

Nur das Pünktchen eines Zirkels

Bin ich in dem Schicksalskreis:

Was du sinnest ist mir Gnade,

Was du willst ist mir Geheiss.

Keinen Dünkel, keine Selbstsucht

Kennt man in der Zecher Welt,

Weil man Eigensinn und Dünkel

Dort für Ketzerglauben hält.

Herr, wem mache ich begreiflich

So Unfassliches wie dies:

Dass der üb'rall Gegenwärt'ge

Keinem noch die Wange wies?

Über Seine Locke klagt' ich

Gestern Nachts bei'm Ost; doch er

Sprach: »Du irr'st; in Zukunft denke

An so Schwarzes nimmermehr!«

Hundert Morgenwinde führen

Hier in Ketten Tänze auf:

Herz, es ist ja der Geliebte;

Folg' d'rum nicht des Windes Lauf![13]

Farblos ist die Rosenwiese,

Weilst du, Schenke, nicht auf ihr;

Setz' den Buchsbaum in Bewegung,

Du, der Fluren schönste Zier!

Keine Rose dieses Gartens

Wahret stets den frischen Saft:

D'rum erbarme dich der Schwachen

In der Zeit der vollen Kraft!

Bluten macht der blaue Himmel

Mir das Herz; d'rum bringe Wein!

Schnell gelöst im blauen Glase

Wird dies schwere Räthsel sein.

Nun der Trennung Nacht entschwunden,

Bricht, Hafis, der Morgen an;

Deine Wonne sei gesegnet,

Du verliebter, toller Mann!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 11-15.
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