10.

Der Rebe Tochter that, o Freunde,

Auf die Verborgenheit Verzicht;

Sie selber war beim Vogt gewesen,

That also Unerlaubtes nicht.

Sie trat hervor aus ihrer Hülle,

– Wisch't ihr die Tropfen Schweisses ab! –

Damit sie den Genossen künde,

Warum sie sich denn weg begab.

Der Augenblick ist nun gekommen,

An sich zu fesseln ganz und gar

Ein Mädchen, das sich so berauschet

Und einst so keusch gewesen war.

Und wieder liess der Liebe Sänger

– Verkünd' es, Herz, mit Freudigkeit! –

Die Weise, die berauscht, erklingen

Und heilte so die Trunkenheit.

Was Wunder, wenn Sein sanfter Odem

Des Herzens Rose mir erschliesst?

Sur's Rosenblatte dankt der Sprosser

Die hohe Lust, die er geniesst.

Nicht siebenfaches Wasser tilget,

Nicht hundertfachen Feuers Macht

Die Flecken, die das Nass der Traube

In eines Ssofi Kleid gebracht.

Lass nie die Demuth aus den Händen,

Hafis, denn deiner Neider Schaar

Verlor im eitlen Hochmuthsdünkel

Geld, Ehre, Herz und Glauben gar.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 321-323.
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