120.

Brenne, Herz, denn durch dein Brennen

Wird was frommt zu Stand gebracht;

Hundertfaches Unglück weichet

Dem Gebet der Mitternacht.

Duld' es liebend, wenn ein holder

Perigleicher Freund dich schilt,

Weil ein einz'ger seiner Blicke

Hundertfache Qual vergilt.

Von der Erde bis zum Himmel

Zieht man dem den Schleier ab,

Der dem Glas', das Welten spiegelt,

Dienstbeflissen sich ergab.

Wie Messias neues Leben

Gibt der Liebe Arzt; allein

Wenn er dich nicht krank erblicket,

Wem verschreibt er Arzenei'n?

O vertraue deinem Gotte

Und verliere nicht den Muth!

Weil, wenn sich der Widersacher

Nicht erbarmt, doch Gott es thut.

Mich betrübt des Glückes Schlummer:

Stimmt vielleicht ein wacher Mann

Zur Eröffnungszeit des Morgens

Ein Gebet, ein frommes, an?

Keinen Duft der Freundeslocke

Roch Hafis, und brannte doch:

Doch zu diesem Glücke führet

Ihn vielleicht der Ostwind noch.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 613-615.
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