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Wohl bekomme es dem Ssofi,

Trinkt mit Maass er seinen Wein,

Und wo nicht, so falle nimmer

Ihm ein solches Treiben ein.

Wessen Hand auch nur ein Schlückchen

Wein's zu geben ist im Stand,

Um das Liebchen seines Wunsches

Schlinge traulich er die Hand!

»Fehlerlos ist – sprach mein Alter –

Was dem Schicksalsrohr entquoll.«

Ehre seinem reinen Blicke:

Fehler deckt er nachsichtsvoll.

Willig lieh der Schah der Türken

Einst sein Ohr der Kläger Schaar;

Sīăwūschens Blut bezeuge

Seine Schande immerdar!

Seinem Flaum und Seinem Maale

Hielt mein Aug' den Spiegel hin;

Immer küsse meine Lippe

Auf die Brust und Schulter Ihn!

Hat aus Stolz er mit mir Armen

Auch kein Wort gesprochen noch,

Seinem süssen stummen Munde

Opfre ich die Seele doch.

Wenn Sein trunk'nes Schmeichlerauge

Auch aus vollem Glas das Blut

Der verliebten Männer tränke,

Nun, auch dann bekomm's Ihm gut!

Weltberühmtheit gab's Hafisen,

Dass er dich zum Herrn erkor:

Prange drum ihm deine Locke

Als der Knechtschaft Ring am Ohr!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 619-621.
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