147.

Nicht bestimmt war's, dass da tödte

Diesen wunden Mann dein Schwert.

Deine Zauberwimper hätte

Dessen sonst sich nicht gewehrt.

Was besitzt dein Schönheitsspiegel,

Herr, für eine Eigenschaft,

Dass auf ihn mein Seufzer nimmer

Wirket mit gewohnter Kraft?

Deine Locke liess ich gleiten

Aus der Hand, ich toller Mann,

Und verdiente wohl, man legte

Kettenringe drum mir an.

Zarter als dein Wuchs entsprosste

Keine Pinie dem Gefild,

Und die Welt kennt kein Gemälde

Schöner als dein holdes Bild.

Um, wo möglich, gleich dem Oste

Wieder deinem Haar zu nah'n,

Stimmt' ich gestern unablässig

Nächtliches Gestöhne an.

An der Schenke Thüren hob ich

Hocherstaunt das Haupt empor,

Denn kein Alter, dir Bekannter

Fand im Andachthaus sich vor.

Um der Qual, die du mir schafftest,

Zu entgeh'n, o Trennungsgluth,

Muss ich selber mich vernichten,

Wie es eine Kerze thut.

Ja, es ist Hafisens Kummer

Ohne dich ein Vers der Pein,

Der auch ohne Exegese

Jedem wird verständlich sein.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 681-683.
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