16.

Der Holde ging, indess Verliebten

Er nichts davon zu wissen that,

Und nicht des Weggefährten dachte,

Noch auch des Freundes in der Stadt.

Entweder hat der Freundschaft Pfade

Mein missliches Geschick verfehlt,

Wie? oder war Er es gewesen,

Der nicht den wahren Pfad gewählt?

Indess ich dastand wie die Kerze,

Und Ihm die Seele weihte hier,

Kam einem Morgenlüftchen ähnlich

Er nimmermehr vorbei an mir.

Ich sprach: »Das Herz stimm' ich zur Liebe

Durch meine Thränen Ihm vielleicht.«

Doch nie noch hat ein Tropfen Regens

Den harten Kieselstein erweicht.

Zwar sind des armen Herzensflügel

Gebrochen durch des Grames Kraft:

Doch aus dem Haupte trieb dies nimmer

Der Liebe rohe' Leidenschaft.

Wer in das Antlitz dir geblicket.

Der küsste auf das Auge mich:

Denn es benahm nicht ohne Einsicht

Bei jeder That mein Auge sich.

Es machte mit beschnitt'ner Zunge

Hafisens zartes Schreiberohr

Nicht früher ruchbar dein Geheimniss,

Als bis es selbst sein Haupt verlor.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 337-339.
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