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Könnte ich dereinst gelangen

Zum Genusse deiner Liebe,

Wüsst' ich nicht, was von den Sternen

Mir zu fordern übrig bliebe?

Ist's zu wundern, wenn Verliebte

Stets an deinem Thore lärmen?

Wo man Zucker hingestreuet,

Sieht man ja die Fliegen schwärmen.

Ist zum Morde des Verliebten

Wohl ein scharfer Stahl vonnöthen?

Schon ein einz'ger deiner Blicke

Wird mich Halbentseelten tödten.

Athmete ich bei dem Freunde

Einmal nur in beiden Welten,

Würd' als höchster Zweck dies Athmen

Mir in beiden Welten gelten.

Meines Glückes Hand erweiset

Sich zu kurz für mein Verlangen;

Nie wohl werde ich, o Zipresse,

Bis zu dir hinauf gelangen!

Bleibt ein Rettungsweg für Jenen,

Den du in die Fluth gestossen,

Wenn der Strom der Liebesleiden

Vor- und rückwärts ihn umflossen?

Ob Er auch schon tausend Male

Mich geseh'n und gut mich kenne,

Fragt Er doch, sieht Er mich wieder,

Wie sich dieser Jemand nenne?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 709-711.
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