18.

Die Prediger, die auf der Kanzel

Und am Altar so prunkend steh'n,

Verfahren auf ganz and're Weise,

Wenn sie in's stille Stübchen geh'n.

Es staunt mein Herz ob dieser Redner

Mit dem so blöden Angesicht;

Denn, was sie auf der Kanzel lehren,

Das üben sie im Leben nicht.

Ein Zweifel stösst mir auf; d'rum frage

Den Weisesten im Kreise nun:

Warum denn Jene Busse fordern,

Die selber niemals Busse thun?

Sie glauben an den Tag wohl nimmer,

Der uns versammelt zum Gericht,

Sonst wären sie so falsch und tückisch

In Dingen ihres Richters nicht.

O Herr, zurück auf Esel setze

Du jener Neubeglückten Schaar!

Ein Maulthier ist's, ein Türkensklave,

Was ihren stolzen Trotz gebar.

Am Thor der Liebesschenke preise

Den Herrn, o Engel, im Gebet!

Denn dort wird jener Thon geknetet,

Aus dem der Menschensohn besteht.

Wenn Seine Schönheit sonder Grenzen

Den Tod auch den Verliebten gibt,

Ersteht sogleich aus Geisterlanden

Ein and'rer Haufe, der Ihn liebt.

Ein Knecht des alten Wirthes bin ich. –

Die sich bei ihm der Armuth freu'n,

Sind reich genug, auf's Haupt der Schätze

Mit edlem Stolze Staub zu streu'n.[343]

Spring' rasch herbei, o Klosterbettler!

Denn in der Maghen frommen Haus

Theilt man ein Wasser, das die Herzen

Zu hoher Kraft befähigt, aus.

Von Götzen leere deine Wohnung:

Der Seelenfreund nur wohne d'rin!

Denn diese Gierigen, sie richten

Wo anders Herz und Seele hin.

Des Morgens tönte ein Gemurmel

Vom Himmelsthron. Die Weisheit sprach:

»Es ist der Engel Chor; sie beten

Hafisens holde Lieder nach.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 341-345.
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