21.

Benimmt die Schaar der Schönen sich

So freundlich, dann gewiss

Macht in der Frömmler Glauben sie

In Bälde einen Riss.

Wo immer mein Narzissenzweig

In voller Blüthe steht,

Da machen Rosige ihr Aug'

Ihm zum Narzissenbeet.

Kaum dass mein Freund den Reigensang

Beginnt, so schlagen schon

Die Engel ihm den Tact dazu

Herab vom Himmelsthron.

Des Glückes hehre Sonne zeigt

Sich dir in lichter Pracht,

Wenn man des Herzens Spiegel dir

Hell wie den Morgen macht.

Gebieten können Liebende

Nicht über's eig'ne Haupt,

Und nur was du befehlen magst,

Gilt ihnen für erlaubt.

Der Mann in meinem Auge ist

Umgeben rings von Blut:

Behandelt man die Menschen wohl

Mit solchem Übermuth?

O Jüngling wie Zipressen schlank,

Schlag' rasch den Ball empor!

Sonst macht man deinen hohen Wuchs

Zum Schlägel noch zuvor.

So klein vor meinem Auge ist

Ein einz'ger Tropfen nicht.

Als jene Sündfluth, die so oft

Des Volkes Mund bespricht.[355]

Wo feiert man dein Wangen fest,

Dass der Verliebten Schaar

In Treue ihre Seele dir

Als Opfer bringe dar?

Herz, traure nicht, weil, wer vertraut

Mit dem Geheimniss ist,

Im Schmelzgefäss der Trennungspein

Der höchsten Lust geniesst.

Hafis, verwende nicht dein Haupt

Vom Ach der Mitternacht.

Weil man des Herzens Spiegel dir

Hell wie den Morgen macht.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 353-357.
Lizenz:
Kategorien: