34.

Des Herzens Blut fliesst aus dem Auge

Beständig mir auf das Gesicht;

Doch du, was aus dem Auge fliesset

Auf mein Gesicht, das siehst du nicht.

Es wohnt mir eine Lust verborgen

Im tiefsten Inneren der Brust;

Und wird mein Herz dem Wind zum Raube,

Geschieht es nur durch jene Lust.

Hin in den Strassenstaub des Freundes

Legt' ich mein eig'nes Angesicht;

Ging' Einer schwimmend nun darüber,

So hätte er so Unrecht nicht;

Ein Strom ist meines Auges Wasser,

Und stiesse ihm wer immer auf,

– Und hätt' er selbst ein Herz von Kiesel –

Er riss' es fort in seinem Lauf.

Mit meines Auges Wasser leb' ich

Bei Tag und Nacht in Streit und Zwist,

Weil es an Seinem theuren Gaue

Vorbei zu fliessen sich vermisst.

Es reisst des Ostens helle Sonne

Sich das Gewand entzwei aus Neid,

So oft mein Mond, der Liebe nähret,

Sich naht im aufgeschlitzten Kleid.

Hafis tritt in den Gau der Schenke

Mit einem Herzen, treubewährt,

Wie Ssofis, die in Zellen wohnen,

Wenn aus Ssăfā sie heimgekehrt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 391-393.
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