61.

So lang als Spur und Name

Vom Weinhaus lebt und Wein,

So lang wird auch mein Schädel

Des Wirthes Wegstaub sein.

Kömmst du zu meinem Grabe,

So fleh' um Gnade dort:

Denn für die Zecher alle

Wird es zum Wallfahrtsort.

Mir hängt seit ew'gen Zeiten

Des Wirthes Ring im Ohr;

Ich bin wie ich gewesen:

Es bleibt ganz wie zuvor.

Dein Aug' und mein's, o Frömmler,

Erfüllt von Selbstvertrau'n,

Durchschaut dies Räthsel nimmer,

Und wird es nie durchschau'n.

Heut trat mein trunk'ner Türke

Voll Mordlust aus dem Haus:

Aus wessen Auge fliesset

Nun wieder Blut heraus?

Der Ort, den deine Sohle

Bezeichnet, wird hinfort

Für jeglichen Verliebten

Ein wahrer Andachtsort.

Die Nacht, in der aus Sehnsucht

Mein Aug' zu Grabe geht,

Bleibt's wach, bis dass der Morgen

Des jüngsten Tag's ersteht.

Doch wenn Hafis beim Glücke

So wenig Hilfe fand,

Kömmt der Geliebten Locke

Gar bald in And'rer Hand.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 455-457.
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