63.

Der Eingeweihte eines Herzens

Blieb in des Freundes Heiligthum;

Doch wem des Herzens Kunde fehlte,

Blieb nur des Läugners schnöder Ruhm.

Trat je mein Herz aus seiner Hülle,

So rechn' es mir als Schimpf nicht an:

Gott sei gepriesen, dass es nimmer

Verhüllet blieb durch eitlen Wahn.

Ein Mönchskleid hatt' ich; hundert Fehler

Verbarg es sorglich jedem Blick;

Beim Wein und Sänger ward's verpfändet:

Der Gürtel aber blieb zurück.

Die Ssofis lösten ihre Kutten

Bald wieder von der Rede aus;

Das Mönchskleid nur, das ich getragen,

Blieb liegen in des Rausches Haus.

Das allerschönste Angedenken,

Das auf dem ganzen Erdenball,

Dem kreisenden, zu Theil geworden,

Blieb des verliebten Wortes Schall.

Die Kuttenträger zogen trunken

Vorbei; vorbei ist, was gescheh'n;

Mein Treiben nur blieb aufgezeichnet

Am Eingang jedes Marktes steh'n.

Mein Herz allein nur ausgenommen,

Das liebt von und in Ewigkeit,

Hört' ich noch nie von Jemand sprechen,

Der thätig blieb in aller Zeit.

Wenn ich Rubinenwein erhalten

Von dem Krystalle jener Hand,

Blieb er als Sehnsuchtswasser hangen

Am perlenvollen Augenrand.[463]

So mächtig staunten China's Götzen,

Dich gar so wunderschön zu seh'n,

Dass überall davon die Kunde

Auf Wänden blieb und Thüren steh'n.

Aus Sehnsucht, deinem Aug' zu gleichen,

Erkrankte die Narzisse gar;

Sie konnte nicht so schmachtend blicken:

Drum blieb sie krank für immerdar.

Einst auf dem Schauplatz Seines Haares

Begab das Herz Hafisens sich:

Doch, im Begriffe heim zu kehren,

Blieb es gefesselt ewiglich.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 461-465.
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